Ein riesiger Wasserpark mit sechs Rutschen, über 20 Restaurants und Bistros, ein schwebender Infinity-Pool, ein Skywalk mit Seilstrecke, eine Indoor-Eisbahn sowie diverse Bars und Lounges – das ist nur ein Teil der Attraktionen, die die "Icon of the Seas" zu bieten hat.
Das derzeit größte Kreuzfahrtschiff der Welt misst 365 Meter und ist damit fast so lang wie der Berliner Fernsehturm hoch ist. Auf den über 20 Decks findet sich Platz für insgesamt 7600 Gäste. Rechnet man noch die über 2000 Crew-Mitglieder hinzu, tummeln sich fast 10.000 Menschen auf dem schwimmenden Giganten.
Solche Dimensionen mögen für manche Menschen beängstigend sein, aber die Kreuzfahrt-Branche boomt. Im Jahr 2023 stieg die Anzahl der Passagier:innen weltweit auf 31,7 Millionen – ein neuer Rekord-Wert. Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es noch zwei Millionen weniger.
Die meisten Kreuzfahrt-Touris kommen dabei aus den USA (fast 17 Millionen); Deutschland liegt auf dem zweiten Platz mit über 2,5 Millionen. Die Nachfrage ist groß und könnte in den kommenden Jahren weiter steigen.
Denn auch immer mehr jüngere Menschen scheinen sich für Kreuzfahrten zu interessieren. Mittlerweile machen die Gen Z und die Millennials 36 Prozent der Passagiere aus, wie die Kreuzfahrtorganisation Cruise Lines International Association (CLIA) ermittelt hat. Und: 81 Prozent der Millennials sowie 74 Prozent der Gen Z würden erneut Urlaub auf einem Schiff buchen.
Aber wie war das nochmal mit dem Klima? Sind Kreuzfahrten nicht die Umweltsünde schlechthin? Oder gibt es Möglichkeiten, nachhaltig mit dem Schiff zu verreisen?
Bevor sich das beantworten lässt, lohnt sich ein Blick auf die Frage, warum Kreuzfahrten eigentlich so problematisch für Klima und Umwelt sind.
"Das Grundproblem ist der hohe Energiebedarf der Schiffe", erklärt Raija Koch, Verkehrsexpertin beim Nabu, gegenüber watson. "Der lässt sich aufgrund der Größe nicht so einfach wie im Straßenverkehr durch Elektro-Antriebe decken. Stattdessen kommen in der Schiffsfahrt fast ausschließlich fossile Kraftstoffe zum Einsatz."
Und bei deren Verbrennung werden klimaschädliche Treibhausgase in die Luft abgegeben. Ein einziges großes Kreuzfahrtschiff stößt laut Nabu in etwa so viel Kohlenstoffdioxid aus wie knapp 84.000 Autos.
Hinzukommt, dass die Schiffsriesen gewaltige Mengen an Luftschadstoffen ausstoßen. In vielen Fällen werden die Motoren nämlich mit Schweröl angetrieben. Bei dessen Verbrennung entstehen unter anderem Schwefeldioxid, Stickoxide sowie Feinstaub. Und das ist gerade in Hafennähe ein großes Problem.
"Anders als im Straßenverkehr gibt es bei Schiffen fast keine Abgasnormen", erklärt Koch. Wenn also ein Kreuzfahrtschiff vor Anker liegt und den Motor laufen lässt, um weiter Bordstrom zu erzeugen, steigt die Luftverschmutzung am jeweiligen Küstenort massiv an.
Für die Anwohner:innen hat das mitunter schwere gesundheitliche Folgen. Feinstaub etwa gilt laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als der gefährlichste Luftschadstoff der Welt. Studien zufolge ist er jedes Jahr für mehrere Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich.
Eine mögliche Lösung für dieses Problem ist Landstrom. Das heißt, das Schiff bezieht seinen Strom vom Landnetz und kann dadurch im Idealfall emissionsfrei parken. Das Problem: Nur wenige Häfen weltweit sind momentan mit solchen Landstrom-Anlagen ausgestattet.
Ähnlich sieht es bei LNG (Liquefied Natural Gas) aus, das oft als umweltfreundlichere Alternative zu Schweröl dargestellt wird. Die Zahl der Häfen weltweit, die Kreuzfahrtschiffe mit LNG versorgen können, ist verschwindend gering. Und auch die Zahl der mit Flüssigerdgas betriebenen Kreuzfahrtschiffe ist überschaubar.
Verkehrsexpertin Koch ist ohnehin nicht von LNG überzeugt: "Da wurde in den letzten Jahren extrem gutes Greenwashing betrieben." Mit dem verflüssigten Erdgas stoßen die Kreuzfahrtschiffe zwar weniger CO2 und Feinstaub aus, aber dafür wird bei der Verbrennung Methan freigesetzt.
"Das hat eine extrem klimaschädliche Wirkung. Methan wirkt sich auf 20 Jahre gerechnet 83-mal stärker auf die Klimaerwärmung aus als CO2", sagt Koch im Gespräch mit watson.
Der Nabu verspricht sich stattdessen mehr von E-Methanol. Dabei handelt es sich um einen synthetischen Kraftstoff, der mithilfe von grünem Strom aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid gewonnen wird. Der Haken (man ahnt es schon): Die Produktionskosten sind derzeit sehr hoch und die Infrastruktur ist noch weniger ausgebaut als die für LNG.
Klimaneutralität im Kreuzfahrt-Business ist und bleibt also weiter Zukunftsmusik. Das zeigt auch das jährliche Kreuzfahrt-Ranking des Nabu. Im Jahr 2024 erreichte keine der Reedereien die volle Punktzahl in Sachen Klima- und Umweltschutz. Aus Sicht von Raija Koch steht deshalb fest: "Die nachhaltigste Kreuzfahrt ist die, die man gar nicht erst antritt."
Wer sich seinen Urlaub auf See trotzdem nicht nehmen lassen will, kann zumindest ein paar Dinge beachten, um dem Klima nicht noch mehr zu schaden.
Ein wichtige Stellschraube sei die Anreise, erklärt die Verkehrsexpertin: "Wenn ich mich schon dafür entscheide eine Kreuzfahrt zu anzutreten, macht es einen enormen Unterschied, ob ich dafür beispielsweise in die Karibik oder nach Spanien fliege." Durch eine Flugreise würden sich die Emissionen noch einmal deutlich erhöhen.
Im Idealfall nutzt man also den Zug um zum Abfahrtshafen zu gelangen, auch wenn man dafür womöglich mehr Zeit und Geld einplanen muss.
Auch die Größe des Kreuzfahrtschiffes kann die persönliche Klimabilanz beeinflussen. Dazu eine Beispielrechnung: Wer sieben Tage in einer Standardkabine auf einem Schiff mit weniger als 500 Passagier:innen verbringt, verursacht laut myclimate.org 5,5 Tonnen Kohlenstoffdioxid. Auf einem Kreuzfahrtschiff mit mehr als 4000 Mitreisenden fallen lediglich zwei Tonnen CO2 an.
Heißt das also: Go big or go home?
"Grundsätzlich stimmt es, dass die Klimabilanz pro Passagier auf größeren Schiffen besser sein kann als auf kleineren", meint die Nabu-Expertin. Aber das hänge stark vom Alter, der Effizienz und dem Treibstoff der Schiffe ab.
Und: Der Umwelt und dem Klima ist der Pro-Kopf-Verbrauch an CO2 wohl egal. Aber Ende kommt es auf die absolute Summe an Treibhausgasen an und die ist bei größere Kreuzfahrtschiffen wie der "Icon of the Seas" nun mal enorm.
Wer versuchen will, sein schlechtes Klima-Gewissen reinzuwaschen, kann ähnlich wie beim Fliegen CO2-Kompensationszahlungen leisten. Wichtig ist laut Koch, dass man sich dafür seriöse Anbieter heraussucht. "Aber besser wäre es natürlich, gar nicht solche Emissionen zu verursachen."
Wer sich allerdings einige Jahre geduldet, muss womöglich die Emissionen seines Kreuzfahrt-Urlaubs gar nicht mehr kompensieren.
"Wir rechnen damit, dass es schon vor 2030 klimaneutrale Kreuzfahrten geben wird", sagt Koch. Ein "Weiter so" sei nicht möglich, weil sich auch die Unternehmen in der Kreuzfahrt-Branche zur Klimaneutralität bekannt hätten. Wer diese Ziele bis 2040 nicht erreiche, verliere seine Daseinsberechtigung.
Ob das die Kreuzfahrtunternehmen ähnlich sehen, ist fraglich. Erst im vergangenen Jahr kassierten die deutschen Kreuzfahrtreedereien AIDA und TUI Cruises ihre Klimaziele ein. Statt bis 2040 planen sie nun bis 2050 klimaneutral zu sein.