Die japanische Bahn ist weltberühmt für ihre Zuverlässigkeit. Die Züge haben dort eine Pünktlichkeitsquote von 99 Prozent. In Deutschland lag diese im Fernverkehr 2024 bei 62,5 Prozent. Dabei rechnet die Bahn Verspätungen unter sechs Minuten gar nicht erst ein.
In Japan erhalten Fahrgäste dagegen ab fünf Minuten Verspätung ein Zertifikat, das sie ihren Vorgesetzten als Nachweis präsentieren können. In den vergangenen Jahren machten immer wieder öffentliche Entschuldigungen der Bahnbetriebe Schlagzeilen, als Züge um weniger als eine halbe Minute zu früh abfuhren.
Damit sie den reibungslosen Betrieb nicht stören, werden Bauarbeiten an der Bahn-Infrastruktur fast ausschließlich nachts vorgenommen. An einem kleinen Ort wurde nun in knapp sechs Stunden ein neues Bahnhofsgebäude errichtet.
Wie die "New York Times" berichtet, wurde der neue Bahnhof Hatsushima Ende März an einem ruhigen Küstenort, der etwa 100 Kilometer südlich von Osaka liegt, gebaut. Die Teile für die Station stammen aus dem 3D-Drucker. Laut dem Betreiber ist der Bahnhof damit der erste seiner Art.
Die vier Elemente, aus denen das Gebäude besteht, wurden der Baufirma Serendix zufolge innerhalb von sieben Tagen gedruckt und mit Beton verstärkt. Anschließend seien die Komponenten von der südlichsten Hauptinsel Kyūshū per LKW auf die zentrale und größte Insel Honshū gebracht worden.
Der Hatsushima Bahnhof, der ein bis dreimal die Stunde angefahren wird, werde lediglich von 530 Zugreisenden am Tag genutzt. Ein Bau auf herkömmliche Weise hätte dem Bahnbetreiber zufolge mehr als zwei Monate gedauert und das Doppelte gekostet.
"Normalerweise erstrecken sich die Bauarbeiten über mehrere Monate, während die Züge nachts nicht fahren", sagte Kunihiro Handa, Mitbegründer der Baufirma gegenüber der "New York Times".
In diesem Fall war es eine Sache von Stunden. Nachdem an einem Dienstag Ende März der letzte Zug des Tages um 23.57 Uhr den Bahnsteig verlassen hatte, machten sich die Arbeiter:innen dem Bericht zufolge an die Montage der vorgedruckten Teile.
Das neue Bahnhofshäuschen, das etwa 2,60 Meter hoch ist und eine Fläche von ungefähr zehn Quadratmetern hat, stand, bevor der erste Zug um 5.45 Uhr eintraf. Bis es im Juli in Betrieb gehen soll, muss es unter anderem noch mit einem Ticketautomaten ausgestattet werden.
Das Projekt könnte als Vorbild für weitere Teile Japans dienen. Da Japan die älteste Bevölkerung der Welt hat, schrumpft die Anzahl der Erwerbsfähigen stetig. Laut der "New York Times" ist die Instandhaltung von maroder Bahninfrastruktur gerade in ländlichen Gebieten daher eine zunehmende Herausforderung.
"Wir glauben, dass die Bedeutung dieses Projekts in der Tatsache liegt, dass die Gesamtzahl der benötigten Personen stark reduziert wird", sagte Ryo Kawamoto, Präsident von JR West Innovations, einer Risikokapitaleinheit des Bahnbetreibers gegenüber der Zeitung.