Warum verschwinden überall auf der Welt die Regenwälder? Und wieso kommt es dort so oft zu verheerenden Bränden? Diese Frage habe ich mir während einer Plenardebatte im Europäischen Parlament im September 2019 gestellt. Die Bilder brennender Wälder im Amazonas, flüchtender Menschen und Tiere gingen damals um die Welt – und das nicht zum ersten Mal.
Die Antwort auf diese Frage war leider einfach zu beantworten: In den meisten Fällen sind es Menschen, die direkt oder indirekt mit der Zerstörung von Wäldern in Verbindung stehen. Regenwälder fangen nicht einfach an zu brennen – sie werden gerodet und abgebrannt.
Weil der Boden unter ihnen fruchtbar ist.
Weil die Menschen Platz für Kakao-Plantagen und Viehweiden suchen.
Weil bisher niemand wirklich etwas dagegen unternommen hat.
Und dass, obwohl uns allen ständig gesagt wird, wie wichtig die Wälder als natürliche CO2-Speicher im Kampf gegen den Klimawandel sind.
Das Problem ist Folgendes: Wir alle packen unbewusst oder bewusst jeden Tag Waldzerstörung in unseren Einkaufswagen. Denn: Bislang ist es völlig legal, zum Beispiel den Amazonas-Regenwald abzuholzen, das Holz in der EU zu verkaufen und auf den frei gewordenen Flächen Produkte für den Europäischen Markt anzupflanzen oder Rinder zu halten.
Mit unserem Konsum von sogenannten "Waldrisikogütern" wie Palmöl, Kakao, Kaffee, Soja, Kautschuk oder etwa Rindfleisch tragen wir als Europäer zu 15 Prozent der globalen Entwaldung bei. Für mich war klar, dass wir aktiv werden müssen, um unseren Waldfußabdruck zu reduzieren. Ich erhielt also vom Europäischen Parlament die Aufgabe, zu überlegen, wie wir das politisch in der EU angehen können.
Einige Unternehmen sagten mir, sie hätten sich doch selbst schon Nachhaltigkeitsziele gesetzt und würden auf Ihren Produkten mit Labels über Klimabilanzen und Co. informieren. Das sieht zwar schön aus – aber die Regenwälder würden wohl kaum noch gerodet werden, wenn diese Methode so effektiv wäre.
Die Verantwortung auf die Konsument:innen zu schieben, schien mir auch nicht genug. Denn wenn wir uns erst im Supermarkt für oder gegen Entwaldung entscheiden können, ist es zu spät und sowieso schwer nachzuvollziehen, woher die Produkte stammen. Oft sind nachhaltige und fair produzierte Produkte zu teuer und für viele Menschen daher verständlicherweise keine Option.
Viele andere Unternehmen berichteten mir, dass sie sehr wohl bei ihren Kunden den Wunsch wahrnehmen, nicht zur Entwaldung beizutragen und sich wünschen, dass die Politik den Rahmen setzt.
Die Idee meines Gesetzesvorschlags: Wer nicht nachweisen kann, dass die eigenen Produkte entwaldungsfrei hergestellt wurden, darf diese nicht auf dem europäischen Markt anbieten. Dafür müssen Unternehmen, die Produkte wie Soja, Palmöl und Co. auf den Markt bringen, nachweisen, dass die Flächen, von denen sie stammen zum Stichtag des 31. Dezember 2020 keine Wälder waren.
Unzählige Recherchestunden, Gespräche mit Interessensgruppen, der Industrie, Umweltverbänden, Verhandlungen, Vor- und Nachbesprechungen, Diskussionen mit der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten waren nötig, um einen Vorschlag zu erarbeiten und praxisnah zu gestalten. Und natürlich gefiel nicht allen, woran ich arbeitete: Der Widerstand der Lobby, aber auch der einiger Mitgliedsstaaten war enorm.
Aber mein Einsatz hat sich gelohnt: Etwa dreieinhalb Jahre nach meiner ersten Plenarrede haben wir gestern im Europäischen Parlament über den Gesetzestext abgestimmt. Das Ergebnis ist ein Meilenstein: Produkte wie Rindfleisch, Holz, Soja, Palmöl, Kautschuk, Kaffee oder Kakao dürfen bald nur noch auf dem europäischen Markt verkauft werden, wenn dafür keine Regenwälder gerodet wurden.
Endlich nehmen wir die Unternehmen in die Pflicht und sorgen dafür, dass entwaldungsfreie Produkte nicht nur in Biomärkten gekauft werden können, sondern dass das Ganze zum Standard in EU-Supermärkten wird. Damit leistet die EU einen riesigen Dienst für die Regenwälder der Welt und für europäische Verbraucher:innen – sie wird global zur Vorreiterin im Bereich entwaldungsfreier Lieferketten.