Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: Warum Volker Wissing schon lange nicht mehr tragbar ist

Volker Wissing, Bundesminister fuer Verkehr und Ditgitales, FDP aufgenommen im Rahmen der 91. Sitzung im Deutschen Bundestag in Berlin, 16.03.2023. Berlin Deutschland *** Volker Wissing, Federal Minis ...
Der Verkehrsminister Volker Wissing sollte zurücktreten, finden die Aktivist:innen von Fridays for Future.Bild: www.imago-images.de / imago images
Gastbeitrag

Fridays for Future: Warum Volker Wissing schon lange nicht mehr tragbar ist

24.03.2023, 15:54
Gastautorin – Annika Rittmann
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Peter Ramsauer, Andreas Scheuer, Alexander Dobrindt – die Historie vergangener Verkehrsminister könnte deprimierender wohl kaum sein. Schlimmer ist aber der mit jeder katastrophalen Entscheidung weiter schrumpfende Anspruch an Bundesverkehrsminister im Allgemeinen. Immer wieder bleibt der Eindruck hängen, es ginge nicht darum, die Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur des ganzen Landes übernehmen, sondern vielmehr darum, die guten Beziehungen zur Autolobby zu wahren.

Eine solche Politik schädigt nicht nur den Ruf, sondern vielmehr das Vertrauen im Allgemeinen, das in einer Demokratie entscheidend ist. Der Schaden im Verkehrssektor geht allerdings noch weiter: Jeden Tag stehen Menschen vor der Entscheidung, wie sie sich von A nach B bewegen wollen und müssen somit tagtäglich mit den Verfehlungen im Verkehr umgehen.

Wissings Positionierung war eindeutig

Jetzt ist all das Vergangenheit und man müsste wohl gerade von einer Regierung, die als "Fortschrittskoalition" angetreten ist, erwarten, mit diesem Ritus zu brechen. Doch anstatt den eigenen Ansprüchen und Versprechungen gerecht zu werden, wurde im Verkehrsministerium ein neuer radikaler Weg gefunden, eine gerechte und zukunftsorientierte Verkehrspolitik zu blockieren.

Annika Rittmann, 20, studiert Mensch-Computer-Interaktion in Hamburg, ist Fridays-for-Future-Aktivistin und bundesweite Sprecherin der Bewegung.
Annika Rittmann, 20, studiert Mensch-Computer-Interaktion in Hamburg, ist Fridays-for-Future-Aktivistin und bundesweite Sprecherin der Bewegung.

Dabei ist es dieses Mal kein schleichender Prozess, der nach und nach Fragen aufwirft. Schon 2021, mit der Bekanntgabe der Minister:innen positionierte sich Wissing eindeutig. Wie kann es sein, dass eine der ersten Amtshandlungen eines designierten Verkehrsministers ist, sich selbst zum Anwalt der Autofahrer zu küren.

Die Möglichkeiten wären riesig: Ausbau des Bahnnetzes, höhere Taktung und mehr Busse, all das hätte der Verkehrsminister ankündigen können. Dennoch entschied sich Volker Wissing mitten in der Energiekrise, mitten in der Klimakrise, Werbung für ein schon lange überholtes Konzept zu machen, das nur noch auf "dem Markt" ist, weil der Staat es seit Jahren durchsubventioniert hat.

Konstruktive Vorschläge wurden abgelehnt

Es folgten zwei Jahre mit einem sich immer wiederholenden Muster: konstruktiver Vorschlag einer Klimamaßnahme im Verkehr und die anschließende Blockade Volker Wissings, ob Fortsetzung des 9-Euro-Tickets, Tempolimit oder Deutschlandtakt. Dieser Kreislauf gipfelte in die Debatte um das von der EU beschlossene Verbrennerverbot.

Alle wissen, dieses ist für eine schnelle Transformation unumgänglich und der Verbrennermotor aus einer wirtschaftlichen Perspektive schon lange nicht mehr tragbar. E-Fuels treiben diese exorbitanten individuellen Kosten durch ihre Ineffizienz nur weiter in die Höhe.

In keinem anderen Bereich, würde man überhaupt nur in Erwägung ziehen eine Technologie weiter zu fördern, wenn 90 Prozent der Energie im Laufe des Prozesses verloren geht. Das haben sowohl Wissings liberale Parteikolleg:innen auf EU-Ebene als auch die Automobilindustrie – abgesehen von Porsche (ein Schelm, wer hier einen Zusammenhang unterstellen würde) – lange erkannt und Wissing aufgefordert, seine Blockade aufzulösen.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Wissing allerdings lehnte sogar den Kompromissvorschlag der EU-Kommission ab, obwohl dieser seiner Forderung nachgehend E-Fuels vom Verbrenneraus ausgenommen hätte. Seine Begründung dafür, hätte absurder kaum sein können: die Technologie, deren Funktion er monatelang in den Himmel gelobt hatte, würde noch gar nicht existieren. Das hat weder mit Freiheit noch mit Technologieoffenheit etwas zu tun, das Symptom des ideologiebedingten Realitätsverlusts des Ministers.

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Keine gerechte Verkehrspolitik mit Volker Wissing

Natürlich ist Wissing frei darin, die Verkehrspolitik der Ampel zu gestalten, doch auch ein Verkehrsminister muss sich an geltendes Recht halten. Dieses verlangt von ihm, die von der Ampel gesteckten Klimaziele in seinem Sektor einzuhalten. Sollte ein:e Minister:in diese dennoch reißen, ist innerhalb von 3 Monaten ein Sofortprogramm vorzulegen und zu erklären, wie man gedenkt, die Klimaziele noch einzuhalten.

Volker Wissing hat diese Ziele vergangene Woche im zweiten Jahr gerissen und dieses Jahr sogar steigende Emissionen in seinem Sektor zu erklären, obwohl allein die Einführung eines Tempolimits jährlich 11 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden.

Jetzt könnte man sich zurücklehnen in der Erwartungshaltung, dass ein entsprechendes Sofortprogramm mit den offensichtlichen Maßnahmen vorgelegt und die Klimaziele dadurch eingehalten werden. Die Erfahrung lehrt einen jedoch anderes: Letztes Jahr übertrafen Wissings Vorschläge, die weder dem "Sofort" noch dem "Programm" des "Sofortprogramm" im Ansatz gerecht wurden, jegliche Befürchtungen.

Der eigene Expertenrat kommentierte dies mit "schon im Ansatz ohne Anspruch", in weniger freundlich also "für die Tonne". Schaut man also genau hin, wird klar: Ein solches Sofortprogramm oder überhaupt gerechte Verkehrspolitik wird es mit Minister Volker Wissing nicht geben, er hat in keiner Weise überhaupt Interesse daran, die Herausforderungen in seinem Ministerium anzugehen. Er scheint auch nicht bereit zu sein, überhaupt zu arbeiten und zu seiner eigenen Verkehrsminister:innenkonferenz zu erscheinen, wenn es nicht darum geht, Vorschläge anderer zu verhindern.

"Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem die Forderung nach Wissings Rücktritt nicht nur richtig, sondern unumgänglich ist."

Wir sagen seit über drei Jahren: Die Klimakrise ist größer als Partei- oder Personalpolitik. Das ist weiterhin richtig, aber wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem die Forderung nach Wissings Rücktritt nicht nur richtig, sondern unumgänglich ist.

Klar ist aber auch: Diese Blockadehaltung der FDP hat System. Das zeigen die über 30 Projekte, die Lindner trotz Koalitionsvertrag nicht finanzieren will oder der Streit um das Gasheizungsverbot. Woche für Woche verkämpft sich die FDP weiter in ihrem absurden Freiheitsbegriff und wird Wahl für Wahl dafür von den Menschen abgestraft. Diese Kultur ist natürlich nicht alleinige Schuld der FDP, innerhalb der ganzen Ampel braucht es einen Kulturwechsel.

Eine Regierung kann nicht funktionieren, wenn eine Partei unzureichende Vorschläge macht, eine Partei jegliche Ideen blockiert und die Kanzlerpartei nicht einmal anwesend zu sein scheint. Wo ist Olaf Scholz, wenn seine Minister:innen sich trotz Koalitionsvertrag die Köpfe einschlagen oder die eigenen Gesetze nicht einhalten? Spätestens beim Koalitionsausschuss ist der Kanzler gefragt, Haltung zu zeigen. Doch auch die Opposition befeuert die destruktive Politik weiter.

Destruktive Kritik an der Ampel, während Christoph Ploß und Co. gleichzeitig in ihrer Liebe zu E-Fuels und Angst vor Veränderung ebenfalls ideologische Falschbehauptungen in die Welt posaunen, bringen uns mitten in der eskalierenden Klimakrise nicht weiter.

So schafft es keine Partei, die längst überfälligen Antworten in dieser eskalierenden Klimakrise zu liefern.

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