Die Klimakrise eskaliert – und als ob ihn das nichts anginge, will Verkehrsminister Wissing weiter in Autobahnen investieren und blockiert das europäische Verbrenneraus 2035. Heute gehen nun Fridays for Future und die Gewerkschaft ver.di gemeinsam auf die Straße.
Wie passt das zusammen?
Der Verkehrssektor ist in Deutschland absolutes Schlusslicht in der Klimabilanz aller Sektoren. Mit einem Drittel aller deutschen Emissionen ist das gleichermaßen peinlich wie gefährlich. Konzepte für den Klimaschutz finden sich keine. Dabei müssten die Emissionen 14-mal schneller sinken als bisher.
Und dafür braucht es viel mehr als das lange überfällige Tempolimit: Der Autoverkehr muss bis 2035 halbiert, die Kapazität des öffentlichen Verkehrs verdoppelt werden. Die Autos, die bleiben, müssen mittelfristig elektrisch fahren. Das Schienennetz der Bahn, und der ÖPNV müssen ausgebaut, Taktung und Pünktlichkeit erhöht und Fahrpreise gesenkt werden. All das bedeutet massive Investitionen durch Bund und Länder.
Stattdessen diskutiert die Bundesregierung über 46 neue Autobahnprojekte, die uns über 30 Milliarden Euro kosten werden und folgt einem Bundesverkehrswegeplan, der den Ausbau allein der Autobahnen um hunderte Kilometer vorsieht.
Mit den Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, bestimmen sich die Möglichkeiten der nächsten Jahrzehnte. Denn Menschen nutzen die Infrastruktur, die ihnen geboten wird. Wer Autobahnen ausbaut, darf sich nicht darüber wundern, dass das Auto weiter genutzt wird. Und wer sich sogar vor simplen Maßnahmen wie einem Tempolimit drückt, hat das Ausmaß dieser Krise nicht verstanden.
Statt einer langfristigen Abhängigkeit vom Auto braucht es also eine gerechte und nachhaltige Verkehrswende. Die wird es aber nur geben, wenn die Regeln dafür nicht von denen gemacht werden, die überhaupt kein Interesse daran haben. Die politische Weichenstellung für die Mobilität der nächsten Jahre darf nicht von der Autolobby diktiert werden. Ein Ausbaustopp aller Autobahnen ist längst überfällig.
Um schnell und in großem Umfang Mobilität klimaneutral zu machen, müssen Alternativen geschaffen werden. ÖPNV kann genau diese Verschiebung leisten.
Wirksamer Klimaschutz verbessert eben auch die Lebensqualität der überwältigenden Mehrheit der Menschen. Alle profitieren von ruhigeren, sicheren und leiseren Innenstädten durch weniger Autoverkehr. ÖPNV steht außerdem auch denen zur Verfügung, die sich kein Auto leisten können – oder zu alt oder jung für einen Führerschein sind. Sicher mit dem Bus auch nachts von A nach B zu kommen, statt langer Wartezeiten eine hohe Taktung zu haben oder auch ins Umland der Großstädte gut angebunden zu sein, klingt gerade nach einer Utopie. Aber so muss es ja nicht bleiben.
Der gesellschaftliche Wille, mehr ÖPNV zu nutzen, ist da. Als im letzten Sommer knapp 9 Millionen Menschen auf den ÖPNV umstiegen, wurde das eindrucksvoll demonstriert. Die Fahrpreissenkung und einfachere Zugänglichkeit durch das 9-Euro-Ticket haben eine ernsthafte Alternative zum Auto aufgezeigt – aber auch, wo die Schwächen im System liegen: Personal und Infrastruktur hatten schlicht nicht die Kapazitäten für diese Menschenmenge.
Realität ist eben noch viel zu oft, dass der ÖPNV keine attraktive Taktung, keine guten Umstiegsmöglichkeiten, hohe Preise und keine Barrierefreiheit hat. Überfüllte Busse und Bahnen bieten keine gute Alternative zum Auto. Und wie soll die auch aussehen, wenn der ÖPNV davon geprägt ist, über Jahrzehnte hinweg kaputt gespart zu werden? Wenn in den letzten Jahren fast jede fünfte Stelle gestrichen wurde, kann es niemanden wundern, dass Personalmangel ein riesiges Thema ist.
Viele Überstunden, schlechte Bezahlung und hohe Krankheitsstände bei den Beschäftigten sind die Folge einer Politik, die eine Verkehrswende aktiv verhindert. Von Verkehrsministern, die wissenschaftliche Notwendigkeiten leugnen und stattdessen die Autoindustrie hofieren. Und von einer Autolobby, die alles daran setzt, die eigenen Profite in die Höhe zu treiben und jegliche Verkehrswende zu verhindern.
All das muss sich ändern. Denn es kann keine klimagerechte Verkehrswende ohne Menschen geben, die die Busse und Bahnen fahren. Zwischen katastrophalen Arbeitsbedingungen und schlechten Löhnen fehlen die Menschen, die die Verkehrswende Realität werden lassen können. Es wird keine Verkehrswende in Deutschland geben, wenn Fachkräfte für den ÖPNV nicht zukünftig durch bessere Bezahlung und gute Arbeit gewonnen werden.
Die Rechnung ist ganz simpel: Mehr Autobahnen bedeuten mehr Autoverkehr, und das heißt mehr Emissionen, die wir uns nicht leisten können. Wir müssen Alternativen bieten: einen verlässlichen und bezahlbaren ÖPNV. Ohne Fahrer:innen fahren aber keine Busse und Bahnen – daher fordern wir heute beim globalen Klimastreik gemeinsam mit ver.di eine gerechte Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Denn die sind die Grundbedingung für mehr klimaneutralen Verkehr.