Vor einer Woche wurde bereits in München demonstriert, jetzt ruft Fridays for Future erneut zum Streik auf.Bild: www.imago-images.de / www.AlexanderPohl.photography
Gastbeitrag
19.11.2021, 11:3719.11.2021, 14:09
Darya Sotoodeh & Jakob Blasel, gastautoren
Noch vor wenigen Wochen erlebten wir einen Wahlkampf geprägt von Versprechen und Bekenntnissen zum Klimaschutz. Die FDP tönte, einen CO2-Deckel einführen zu wollen – von dem wir aber in letzter Zeit nichts mehr gehört haben. Die SPD krönte ihren Kandidaten noch vor der Wahl zum Klimakanzler. Und die Grünen legten sogar noch kurzerhand einen Klimaschutz-Maßnahmenplan vor, um ihr Wahlprogramm zu schärfen.
Was ist seitdem passiert? Nicht genug.
Der "Druck" in der Politik ist verschwunden
Seitdem die Parteien der Ampel-Koalition (SPD, Grüne und SPD) ihre Gespräche begonnen haben, wurde viel debattiert und verhandelt. Der anfängliche Tatendrang ist dabei immer weiter in den Hintergrund gerückt. Wieder einmal können wir uns nicht darauf verlassen, dass die offensichtliche Gefahr der Klimakrise ausreichend ernst genommen wird.
Deshalb üben wir als Fridays for Future weiterhin mit hunderttausenden von Menschen Druck auf der Straße aus. Auch weltweit gehen Millionen auf die Straße und fordern klare Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise. Erst jüngst haben wir auf der Weltklimakonferenz in Glasgow gesehen, wie gute Absichten immer bedeutungsloser werden, je konkreter die politischen Maßnahmen sind, die daraus folgen.
So wurde zwar ein klareres Bekenntnis zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze erreicht – doch der globale Kohleausstieg in letzter Minute vereitelt. Viele Aktivistinnen und Aktivisten waren nach dieser Konferenz schockiert, enttäuscht und wütend. Auch in Deutschland und Europa mussten wir diesen klimapolitischen Leichtsinn schon zu häufig beobachten. So etwas dürfen wir einer neuen Regierung nicht durchgehen lassen.
Trübe Aussichten zum neuen Koalitionspapier
Da das endgültige Koalitionspapier erst nächste Woche vorgestellt werden soll, lässt sich über viele inhaltliche Details bisher nur mutmaßen. Doch im Sondierungspapier lässt sich erahnen, dass die Ampel-Koalition die Dringlichkeit der Klimakrise bewusst ignoriert. Der Kohleausstieg wird laut dem Sondierungspapier "idealerweise bis 2030" umgesetzt. Diverse Studien und Umweltverbände haben jedoch festgestellt, dass der Kohleausstieg bis spätestens 2030 notwendig und sozial gerecht machbar ist. Ein festes CO2-Budget, das klar begrenzt, welche Mengen an zerstörerischem Treibhausgase wir noch in die Atmosphäre ausstoßen, ist nicht in Aussicht. Es ist gut möglich, dass der Koalitionsvertrag keinen sicheren Plan für die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits beinhaltet – obwohl sich Deutschland mit dem Pariser Klimaschutzabkommen dazu verpflichtet hat.
Fridays for Future formulieren klare Forderungen
Noch 2019 haben wir als Aktivistinnen und Aktivisten klar formuliert, dass es Aufgabe der Politik ist, einen Plan für konsequenten Klimaschutz zu erarbeiten. Konkrete Maßnahmen mussten wir selbst nicht benennen. Die wissenschaftlichen Fakten waren bereits bekannt. Was fehlte war der politische Wille, auf die Wissenschaft zu hören. Aber da es nicht unsere Aufgabe ist, konkrete Lösungsvorschläge zu liefern, mussten wir diesen Anspruch aufgeben. Mit einem mickrigen Klimapaket und einem verschleppten Kohleausstieg wollten CDU und SPD unseren Protest einfach aussitzen.
"Damit sich künftig niemand mehr aus der Verantwortung ziehen kann, servieren wir jetzt die notwendigen Maßnahmen auf dem Silbertablett."
"To-do-Liste" für die Politik
Damit sich auf diesem Weg künftig niemand mehr aus der Verantwortung ziehen kann, servieren wir jetzt die notwendigen Maßnahmen auf dem Silbertablett. Diese finden auch Politikerinnen und Politiker in einer von Fridays for Future beauftragten Studie des Wuppertal Instituts. Für die Ampel-Parteien haben wir die wichtigsten Punkte noch einmal in unseren Forderungen für die ersten 100 Tage der neuen Regierung zusammengefasst. Kurz und knapp als Wegweiser – obwohl es wirklich nicht unsere Aufgabe sein sollte, der Politik To-do-Listen zu schreiben!
Niemand kann heute behaupten, nicht zu wissen, was getan werden muss. Der Anspruch an die Politik ist lediglich, unsere ausgestreckte Hand – beziehungsweise die der Wissenschaft – entgegenzunehmen.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt handeln.
Schnelleres Tempo als eine "Legislaturperiode"
Gleichzeitig ist die Verantwortung, die die Parteien tragen, sehr hoch – gemessen am Status quo. Alle Parteien müssen über ihre Programmatik und bisherige Strategien hinauswachsen, denn die Klimakrise bewegt sich nicht in politisch üblichen Zyklen wie zum Beispiel einer Legislaturperiode. Es reicht nicht, bessere Verkehrspolitik als Andreas Scheuer oder einen früheren Kohleausstieg als Peter Altmaier hinzubekommen. Klimapolitik muss sich an den planetaren Grenzen orientieren und darf nicht an den Unfällen einer Großen Koalition gemessen werden.
"Klimapolitik muss sich an den planetaren Grenzen orientieren und darf nicht an den Unfällen einer Großen Koalition gemessen werden."
Die Lücke zwischen dem, was Politik leisten möchte (eine kleine Verbesserung) und dem, was die Politik innerhalb dieser Krise leisten muss, ist klaffend groß. Auch deshalb schauen viele in diesen Tagen skeptisch und desillusioniert nach Berlin. Das Sondierungspapier zeigt, wie früh im Verhandlungsprozess Kompromisse eingegangen werden, die stark an der Realität der Klimakrise vorbeigehen. Und das mit Einverständnis aller Ampel-Parteien.
Politik macht Klimawandel zum "Nischenthema"
Katastrophal ist dabei in erster Linie, dass Parteien und viele Medien den Kampf für Klimagerechtigkeit alleine den Grünen zuschreiben. Dabei sollten alle Parteien sich zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze verpflichten. Wo zum Beispiel ist der "Klimakanzler" Olaf Scholz zu sehen?
Die Klimakrise wird zum Machtvehikel, weil über notwendige Maßnahmen verhandelt wird. Als handele es sich dabei um ein Nischenthema, zu dem subjektive Ansichten ausgetauscht werden können. Anstatt die Bekämpfung der Klimakrise mit all ihren heute schon spürbaren Folgen und die Einhaltung der Pariser Klimaziele zur gemeinsamen Entscheidungsgrundlage zu machen, streiten Grüne, FDP und SPD weiter über unzureichende Formulierungen. Deshalb müssen wir zumindest gesellschaftlich einen Ausweg aus diesem Koalitionspoker finden.
Mit Druck gegen die Ignoranz
Der Kampf gegen die Klimakrise ist unverhandelbar. Ihre Folgen werden in den kommenden vier Jahren immer deutlicher zu spüren sein – vor allem an Orten, an denen sie es nicht schon längst sind. Konsequente Ignoranz und das Aufschieben notwendiger Handlungen sind heute keine Alternative mehr. Das wurde zu lange getan.
Deshalb gehen wir heute in zahlreichen Städten auf die Straße. Wir machen auf uns aufmerksam, wir machen Druck, damit der Kampf gegen die Klimakrise und für die Erhaltung eines lebenswerten Planeten nicht in Vergessenheit geraten.
Österreich hat mit seinen Skipisten einiges zu bieten und ist deshalb bei Skifahrer:innen ein beliebtes Reiseziel in den Wintermonaten. Im Sommer fahren dann viele über den Brenner in den Italien-Urlaub.