Der spanische Stadtplaner und Architekt Ángel Panero hat eine zufällige Entdeckung gemacht, die das Klima von Städten wesentlich beeinflussen kann: Er fand heraus, dass Unkraut zwischen Pflasterritzen die Temperatur des Bodens um bis zu 28 Grad Celsius senken kann.
Erst kürzlich waren Forschende in einer Studie zu dem Schluss gekommen, dass Stadtbäume die Zahl der Hitzetoten in Großstädten deutlich senken können. Der Grund: Die städtische grüne Infrastruktur kann die Temperaturen vor Ort senken. Dass aber auch Unkraut einen solchen Effekt haben kann, ist eine gänzlich neue Erkenntnis, wie der Architekt gegenüber dem Online-Magazin "Riffreporter" erläuterte.
Zu dieser Einsicht kam der Architekt, als er während des Lockdowns einen Spaziergang durch Santiago de Compostela machte und feststellte, dass der gesamte Platz vor der Wallfahrtskathedrale grün bewachsen war. Überall auf dem großen Platz hatten Unkräuter sich in den Fugen der Granitplatten angesiedelt.
Der grüne Boden brachte den Architekten des technischen Büros des Konsortiums der Stadt ins Grübeln. Er fragte sich: Wie würde sich das Klima in der Stadt verändern, wenn die Fugen der 60.000 Quadratmeter Granitplatten in Santiago de Compostela von bestimmten Pflanzenarten besiedelt würden?
Panero kam schnell zu dem Schluss, dass eine Besiedlung der Fugen sowohl Vorteile für die biologische Vielfalt als auch für den Wasserhaushalt der Stadt haben würde.
In Santiago de Compostela gibt es keine getrennten Abwassersysteme. Regenwasser und die Abwässer der Haushalte gelangen gemeinsam in die Kläranlage. Die Aufbereitung des Wassers ist teuer. Jedes grüne Fleckchen in der Stadt trägt dazu bei, dass das Land Wasser zurückbekommt – und Geld spart.
Wissenschaftler:innen haben die verschiedenen Arten von Unkraut in den Fugen untersucht. Dabei ist ihnen vor allem aufgefallen, dass die Pflanzen dafür sorgen, dass sich die Granitplatten nicht so stark erhitzen. Eine Wärmebildkamera zeigte, dass die Platten bis zu 28 Grad kühler waren.
Der starke Temperaturabfall ist auf die Fotosynthesefunktion der Pflanzen zurückzuführen. Denn dafür müssen sie ihre Poren öffnen, wobei Wasser aus den Blättern verdunstet. Damit kühlen die Pflanzen ihre Umgebung ab.
"Die Ergebnisse sind sehr ermutigend, gerade was die Wärmeregulierung angeht. Denn Santiago besteht aus Granit. Etwas scheinbar Belangloses, wie die Besiedlung der Bodenfugen in einer Stadt, kann also sehr wichtige Ökosystemleistungen bringen", sagt Panero laut dem Magazin "Spektrum".
Das Unkraut hält außerdem Wasser zurück, speichert CO₂, produziert Sauerstoff, begünstigt die Artenvielfalt und unterstützt die Gesundheit der Menschen in der Stadt. Das Unkraut-Modell lässt sich auch in anderen Städten umsetzen – und funktioniert nicht nur in Bodenfugen, sondern auch auf Mauern.
Welche Pflanzenarten besonders viele Vorteile für die Städte bringen, wird derzeit in einem Versuchsfeld getestet.