Ob Tüten, Flaschen oder Einwegverpackungen: Nach Angaben der Umweltorganisation WWF landen pro Jahr 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll in Seen, Flüssen und Meeren. Um die Bestandsaufnahme von Kunststoffabfällen, die auf Meeren schwimmen, künftig zu verbessern, setzt das Forschungsprojekt "PlasticObs+" auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die entsprechende Technik soll an Überwachungsflugzeugen angebracht werden.
Ziel des Projekts sei die Erfassung des "Ist-Zustands der Müllsituation", sagte Projektleiter Christoph Tholen vom Deutschen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Oldenburg. Die Dokumentation soll eine wissenschaftliche Grundlage über Art, Menge und Größe des Abfalls in den Ozeanen liefern.
Bisher seien die Verunreinigungen vor allem punktuell und zeitlich begrenzt erfasst worden. Langfristiges Ziel sei, Überwachungsflugzeuge, die bereits weltweit im Einsatz seien, mit KI-gestützter Sensorik auszustatten. Auf diese Weise könne erstmals eine kontinuierliche und umfassende Bestandsaufnahmen erfolgen.
Das DFKI entwickelt für das Projekt verschiedene KI-Systeme, die unter anderem Plastikmüll noch während eines Überflugs erkennen. Hotspots sollen dann näher betrachtet werden können. Erste Testflüge verliefen den Angaben der Forschenden zufolge zufriedenstellend.
So wurden auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog zwei Versuchsfelder aus Plastik ausgelegt. Ein Forschungsflugzeug der Jade Hochschule in Wilhelmshaven wurde mit zwei Sensoren bestückt: Der erste sitzt unter der Nase des Fliegers und soll Übersichtsbilder aufnehmen. Werden von diesen Müllansammlungen erkannt, soll der zweite Sensor, der am Rumpf des Fliegers angebracht ist, die Detailaufnahmen machen.
Die Genauigkeit der KI habe 93,3 Prozent betragen. In einem späteren Schritt sollen die Systeme auch für Feldversuche in Überwachungsflugzeugen für Ölverschmutzungen eingebaut und getestet werden.
Neben der Dokumentation könnten die KI-Systeme künftig auch bei Gegenmaßnahmen helfen, sagte Projektleiter Tholen. So könnten etwa Säuberungsaktionen genau geplant werden, "da das System eine Identifizierung von besonders belasteten Gebieten ermöglicht". Einer der Projektpartner ist das Unternehmen Everwave aus Aachen, das mit schwimmenden Plattformen in Flüssen Müll einsammelt.
Nach Auffassung der Deutschen Umwelthilfe ist die weltweite Vermüllung der Natur mit Plastik neben dem Klimawandel eines der größten Umweltprobleme. Selbst die Arktis ist nach einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts inzwischen ähnlich stark mit Plastik vermüllt wie dicht besiedelte Regionen. Das Problem: Nach Angaben des WWF schwimmt nur ein geringer Teil des Plastikmülls auf der Oberfläche. Der Rest befindet sich in tieferen Gewässern oder auf dem Meeresboden und ist damit nicht mehr zurückzuholen.
Das "PlasticOb+"-Projekt wird vom Bundesumweltministerium mit 1,9 Millionen Euro gefördert. "Wir gehen davon aus, dass zum Projektende im März 2025 ein einsatzfähiger Prototyp vorliegt", sagte Tholen. Ein genauer Zeitplan für die Entwicklung der Technologie zur Marktreife stehe bisher noch nicht fest.
(sb/dpa)