Die EU-Kommission hat den Weg frei gemacht für ein Klimaschutz-Vorzeigeprojekt der deutschen Stahlindustrie: Der Bund und Nordrhein-Westfalen dürfen Thyssenkrupp beim Aufbau einer klimafreundlicheren Grünstahl-Produktion in Duisburg mit insgesamt bis zu zwei Milliarden Euro unterstützen.
Deutschlands größter Stahlkocher will dort einen klassischen Hochofen, der viel klimaschädliches Kohlendioxid produziert, durch eine sogenannte Direktreduktionsanlage ersetzen. In der Anlage soll später erneuerbarer Wasserstoff zum Einsatz kommen. Die Kommission veröffentlichte die schon seit Monaten erwartete Beihilfe-Genehmigung am Donnerstag in Brüssel.
Es handele sich um das bislang größte Dekarbonisierungsprojekt in Deutschland, betonte das Bundeswirtschaftsministerium. "Es ist ein richtig guter Tag, der zeigt, dass das Industrieland Deutschland eine grüne Zukunft hat", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Rande seiner Indienreise in Neu Delhi.
Das Projekt beweise auch "die Standorttreue der energieintensiven Industrien, die sagen, wir wollen in Deutschland bleiben, wir wollen hier transformieren". Habeck betonte, dass man mit dem Vorhaben auch der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa "einen weiteren Push" gebe.
Die neue Anlage soll Ende 2026 in Betrieb genommen und anfangs mit Erdgas betrieben werden. Ab 2029 soll sie mit Wasserstoff laufen und so den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Stahlerzeugung deutlich verringern.
Thyssenkrupp will knapp eine Milliarde Euro an Eigenmitteln investieren, wie das Unternehmen am Donnerstag berichtete. Spätestens 2045 soll die Stahlproduktion von Thyssenkrupp komplett klimaneutral sein.
In der Anlage ersetzt erneuerbarer Wasserstoff die in klassischen Hochöfen verwendeten Kohle und Koks, um dem Eisenerz Sauerstoff zu entziehen. Anders als Hochöfen produzieren Direktreduktionsanlagen kein flüssiges Roheisen, sondern festen Eisenschwamm. Damit dieser zu Stahl weiterverarbeitet werden kann, muss er erst eingeschmolzen werden. Dies soll in zwei sogenannten Einschmelzern geschehen. Anschließend kann das Roheisen auf den bislang üblichen Wegen weiterverarbeitet werden.
Bei der klassischen Stahlherstellung in kohlebasierten Hochöfen entstehen sehr große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid. Thyssenkrupp Steel ist nach früheren Angaben für rund 2,5 Prozent des bundesweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich, die deutsche Stahlindustrie für rund sieben Prozent.
Mit der neuen Anlage können laut Unternehmen jährlich bis zu 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Auch andere Stahlhersteller wie Salzgitter und Arcelormittal wollen Direktreduktionsanlagen in Deutschland bauen.
Die Beihilfen für Thyssenkrupp sind laut EU-Kommission zweigeteilt. Zum einen sollen mit Zuschüssen von bis zu 550 Millionen Euro Bau und Montage der Anlage unterstützt werden.
Mit den restlichen bis zu 1,45 Milliarden Euro der Beihilfen soll ein Mechanismus finanziert werden, der in den ersten zehn Jahren des Betriebs der neuen Anlage Mehrkosten decken soll. Konkret geht es dabei um Kosten, die bei der Beschaffung und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff anstelle von CO₂-arm produziertem Wasserstoff anfallen würden.
Wird die neue Anlage mit Wasserstoff betrieben, rechnet Thyssenkrupp mit einem jährlichen Verbrauch von 143.000 Tonnen nur durch diese Anlage. Die Bundesregierung rechnet in den kommenden Jahren mit einem stark steigenden Wasserstoffbedarf. Er soll vor allem mit Hilfe von erneuerbarem Strom aus Wasser hergestellt werden.
(sb/dpa)