Nachhaltigkeit
Interview

Energiewissenschaftler kritisiert Wasserstoffstrategie: "Ablenkungsmanöver"

15.04.2020, Niedersachsen, Grossenkneten: Raps blueht im Ortsteil Sage auf einem Feld (Luftaufnahme mit Drohne). Im Hintergrund ist die Erdgasaufbereitungsanlage (EAA) von ExxonMobil zu erkennen. Foto ...
Raps blüht im niedersächsischen Großenkneten auf einem Feld. Im Hintergrund ist die Erdgasaufbereitungsanlage (EAA) von ExxonMobil zu erkennen. Grauer Wasserstoff wird aus Erdgas gewonnen.Bild: dpa / Hauke-Christian Dittrich
Interview

Milliarden für den Klimaschutz? "Wasserstoffstrategie ist reines Ablenkungsmanöver"

15.06.2020, 13:5309.02.2021, 17:10
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Mit Wasserstoff aus der Klimakrise – das ist das Motto der Stunde der Bundesregierung. Die Große Koalition hat dabei ehrgeizige Ziele: Deutschland soll weltweit Vorreiter bei der als klimafreundlich angesehenen Wasserstoff-Energie werden. Damit das möglich wird, hat das Bundeskabinett eine nationale Strategie verabschiedet und viel Geld in die Hand genommen: Insgesamt neun Millionen Euro sollen dafür sorgen, dass sich Wasserstoff am Markt durchsetzt und internationale Partnerschaften geknüpft werden können.

"Wir wollen bei den neuen Wasserstoff-Technologien hin zu grünem Wasserstoff weltweit führend sein, als Ausrüster für die Welt, aber auch als Produzenten", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) der dpa zufolge. Dennoch geht die Regierung davon aus, dass ein Großteil des Wasserstoffs aus dem Ausland importiert werden muss. Entwicklungsminister Müller unterschrieb deshalb gleich eine Vereinbarung mit der marokkanischen Regierung zum Aufbau einer Produktionsanlage in dem nordafrikanischen Land.

Für Energiewissenschaftler Volker Quaschning ergibt das keinen Sinn. Bevor nicht Strom aus erneuerbaren Energien im Überfluss produziert wird, braucht man über Wasserstoff gar nicht nachzudenken, sagt der Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, die Strategie sei eine reine Luftnummer. Im Interview mit watson erklärt er, warum Wasserstoff aus seiner Sicht so teuer ist und wieso er nicht glaubt, dass sich Wasserstoffautos durchsetzen werden.

watson: Die Bundesregierung feiert Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger und Retter der Klimaziele. Ist Wasserstoff wirklich so umweltfreundlich?

Volker Quaschning: Das kommt ganz darauf an, wo er herkommt und wie er hergestellt wird. Es gibt da eine Farbenlehre für die unterschiedlichen Arten von Wasserstoff.

Genau, es gibt grauen, blauen und grünen Wasserstoff. Was steckt hinter diesen Bezeichnungen?

Grauer Wasserstoff wird aus Erdgas gewonnen – bei der Herstellung wird viel Kohlenstoff frei und die Klimabilanz ist schlechter, als wenn man Erdgas direkt verbrennt. Beim blauen Wasserstoff wird Erdgas verbrannt, aber das CO2 nicht in die Atmosphäre abgegeben, sondern abgetrennt und endgelagert. Allerdings gibt es derzeit keine CO2-Endlager. Das ist aus heutiger Sicht also auch keine Perspektive.

Grüner Wasserstoff dagegen wird aus erneuerbaren Energien wie Solar- oder Windstrom gewonnen. Wasser wird mit Strom per Elektrolyse aufgespalten, dadurch entsteht Wasserstoff. Der wäre klimaneutral, allerdings muss man ihn erst einmal herstellen können – man bräuchte dafür große Mengen an Solar- und Windstrom. Erst einmal muss man aber von Kohle- und Kernenergie auf erneuerbare Energien umsteigen – und dann große Mengen überschüssigen Strom erzeugen, um klimafreundlichen Wasserstoff herstellen zu können.

Davon sind wir ja momentan noch weit entfernt…

Genau, von einer flächendeckenden Überproduktion an Strom aus erneuerbaren Energien sind wir bei dem heutigen Ausbautempo in Deutschland noch weit entfernt. Also macht es eigentlich keinen Sinn, über grünen Wasserstoff nachzudenken.

Volker Quaschning ist Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin.
Volker Quaschning ist Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin.null / Janine Escher

Warum tut es die Bundesregierung dann trotzdem?

Das ist ein reines Ablenkungsmanöver. Für die langfristige Stromspeicherung ist Wasserstoff wichtig. Es ist also sinnvoll, Wasserstofftechnologien weiterzuentwickeln und in Forschung und Entwicklung zu investieren. Wollen wir irgendwann einmal eine Energieversorgung ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energien haben, werden wir große Speicher brauchen. Wasserstoff lässt sich in großen Mengen sehr gut speichern. Das wird weltweit irgendwann nachgefragt. Aber Szenarien wie Wasserstofftankstellen oder Importe von Wasserstoff aus Afrika machen heute keinen Sinn. Das ist eine reine Luftnummer.

Wie meinen Sie das?

Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen würden, würden wir den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Aber man baut lieber nicht, will stattdessen klimaneutralen Wasserstoff aus Afrika holen und redet nicht darüber, ob das realistisch ist. Dann gibt es keine Probleme mit den Kohlekraftwerksbetreibern und den Windkraftgegnern. Aber sind wir bereit, doppelt so viel für Strom auszugeben, nur damit wir uns keine Windräder anschauen müssen?

Wasserstoff ist also deutlich teurer?

Ja, momentan ist die Herstellung sehr teuer und es gibt große Verluste. Es ist daher besser, den Strom direkt zu verwenden. Man kann damit entweder die Batterie eines Elektro-Autos aufladen oder eben Wasserstoff herstellen und diesen dann wieder in Strom umwandeln. Dafür brauche ich aber zwei- bis dreimal so viel Strom.

Was bedeutet das für Wasserstoffautos - haben sie eine Perspektive?

Nein. Die Bundesregierung will zwar auf Wasserstofftankstellen setzen, aber ich sehe da keinen Markt. Das wird teuer und es gibt keine großen Vorteile gegenüber E-Autos mit Batterien. Die heutigen Batterieautos kommen auch schon weit. Man könnte Wasserstoff vielleicht bei Lkw verwenden, die wirklich lange Strecken fahren. Aber das Wasserstoffauto wird definitiv nicht kommen. In Wasserstofftankstellen zu investieren ist also, wie Geld zu verbrennen.

Es sieht also nicht gut aus für die Energiewende – ob mit oder ohne Wasserstoff?

Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme hat in einer interessanten Studie berechnet, was wir für die angestrebte Klimaneutralität bräuchten: Nämlich zehnmal so viel Solar- und viermal so viel Windenergie wie das aktuell der Fall ist. Wenn wir so viel bauen, können wir die Klimaneutralität erreichen. Wenn die Regierung hier aber nicht endlich die richtigen Weichen stellt, ändert auch die Wasserstoffstrategie nichts.

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