Mücken und Zecken breiten sich in Deutschland immer weiter aus – und damit Viren, Parasiten und Bakterien. Grund dafür ist der Klimawandel. Denn unter wärmeren Bedingungen können sich krankheitserregende Bakterien, aber auch Virus-Überträger wie Mücken und Zecken, besser vermehren.
Davor warnt ein neuer Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zum Thema Klimawandel und Gesundheit. Prognosen der Forschenden sagen "signifikante Risiken" voraus.
Welches das gefährlichste Tier der Welt ist, wie wir uns am besten vor ihm schützen und was das mit der Klimakrise zu tun hat, darüber hat watson mit dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit gesprochen.
Er forscht am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin der Universität Hamburg und kennt die gesundheitlichen Risiken, die die Erderhitzung mit sich bringt.
Watson: Welches Tier ist das Gefährlichste der Welt?
Jonas Schmidt-Chanasit: Man staunt, aber es ist tatsächlich die Stechmücke. Das hängt damit zusammen, dass sie viele unterschiedliche Krankheitserreger übertragen kann, unter anderem den Malaria-Erreger, das sind Parasiten, oder andere Erreger wie das Dengue-Virus oder das Chikungunya-Virus. Und so wird die Stechmücke zu dem Tier, das die meisten Todesfälle hervorruft. Natürlich nur indirekt, indem sie die Krankheitserreger überträgt.
Weltweit gibt es etwa 3500 Stechmückenarten, rund 50 davon auch hierzulande – Tendenz steigend. Warum verbreiten sich immer mehr Stechmücken auch in Deutschland und inwieweit hängt das mit der Klimakrise zusammen?
Es sind zwei Faktoren, die dabei ganz entscheidend sind: Zum einen können sich Stechmücken besser vermehren, wenn es wärmer wird, was durch den Klimawandel passiert. Dadurch können sich auch exotische Arten bei uns ansiedeln und ausbreiten, wie etwa die Tigermücke oder der japanische Buschmoskito. Dazu kommt, dass sich auch die Infektionserreger in den Stechmücken viel besser vermehren können, wenn es wärmer ist. Auf der anderen Seite ist ein entscheidender Faktor natürlich auch der stark gestiegene Reise- und Warenverkehr. Dadurch werden exotische Erreger und Stechmücken vermehrt nach Deutschland importiert.
Neben Stechmücken gibt es auch immer mehr Zecken, die gefährliche Krankheiten verbreiten. In welchen Teilen Deutschlands und zu welcher Zeit sollte man besonders vorsichtig sein?
Bezüglich der Zecken spielen insbesondere die FSME-Risiko-Gebiete eine Rolle, die sich hauptsächlich in Süddeutschland befinden. Dort sollte man sich gegen das FSME-Virus, das durch den Holzbock übertragen wird, also eine einheimische Zeckenart, impfen lassen. Normalerweise muss man das in Norddeutschland eher nicht tun. Dort gibt es diese Risiko-Gebiete noch nicht, bis auf das Emsland.
Das klingt, als würde ein "aber" kommen...
Ja, denn auch hier kann es durchaus sinnvoll sein, sich impfen zu lassen, wenn man eine starke Exposition gegenüber Zecken hat, wenn man etwa im Wald arbeitet. Darüber hinaus gibt es auch invasive Zeckenarten wie die Auwald-Zecke, die aber weniger relevant ist für die Übertragung von Infektionserregern.
Wie sieht es mit exotischen Zeckenarten aus?
Vereinzelt werden auch exotische Zeckenarten eingetragen, wie die Hyalomma-Zecke, die das Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber-Virus übertragen könnte, aber das spielt bei uns bislang keine Rolle, weswegen man sich da keine Sorgen machen muss. Bei der Tigermücke ist das ein bisschen anders.
Wieso?
Die Tigermücke hat sich jetzt entlang des Rheins von Freiburg bis nach Frankfurt ausgebreitet, kommt aber punktuell auch in anderen Gebieten, wie etwa Berlin vor. Wenn es jetzt zu einer Massen-Vermehrung der Tigermücke in Berlin kommen sollte, müsste man sich auch dort besser vor Stechmücken schützen.
Wie schützt man sich denn am besten?
Mit entsprechender Kleidung und Mückenspray. Und man sollte Wasseransammlungen vermeiden, wo sich die Tigermücke vermehren und brüten kann.
Das heißt, man sollte im Sommer nicht mehr schwimmen gehen?
Nein, nein, schwimmen kann man natürlich gehen! Es geht eher um Wasseransammlungen in Blumentöpfen und Regentonnen im Garten, denn die stellen ideale Brutplätze für die Tigermücke dar. Die Tigermücke ist allerdings auch tagsüber aktiv, das heißt, der alte Tipp, dass man abends nicht hinausgehen soll, reicht dann nicht mehr. Dieser Tipp bezieht sich nur auf einheimische Stechmücken, wie beispielsweise die Hausmücke, die das West-Nil-Virus übertragen kann. Das West-Nil-Virus zirkuliert aber bisher nur im Osten Deutschlands.
Wenn Sie davon ausgehen, dass es die Tigermücke bald auch vermehrt in Berlin geben wird – befürchten Sie, dass sie sich auch im Rest Deutschlands verbreiten wird?
Ja, davon gehen wir aus. Die klimatischen Bedingungen sind gegeben, die Tigermücke hat auch kein Problem damit, wenn es mal kälter wird. Insofern wird sie sich weiter ausbreiten. Dazu kommt noch, dass die Bekämpfung sehr schwierig ist und viele Ressourcen erfordert. Man kann die Ausbreitung also nur verlangsamen, aber man wird sie meines Erachtens nicht mehr aufhalten können. Das ist bislang nirgendwo gelungen.
Wir müssen uns also darauf einstellen, dass die Tigermücke ein zunehmendes Problem wird. Umso größer wird dann auch die Gefahr, sich mit Viren, die durch die Tigermücke übertragen werden könnten, zu infizieren. Die Abundanz [Anm. d. Red. Häufigkeit des Vorkommens] der Tigermücke ist dabei nämlich ein ganz entscheidender Faktor.
Wie gehen Sie als Virologe und Ärzt:innen generell damit um, dass exotische Tiere mit übertragbaren Krankheiten auch bei uns zum Problem werden?
Wichtig ist vor allem die Aufklärung der Bevölkerung darüber, wo beispielsweise die Tigermücke bei uns vorkommt und wie ich mich schützen kann: Damit man alles weiß, was man als Bürger machen kann. Und dann gibt es natürlich auf ärztlicher Seite Fortbildungen, wie ich bestimmte Symptome einer Infektion zuordnen kann: zum Beispiel ein spezifischer Hautausschlag und entsprechende Symptome, damit die Erkrankung auch richtig diagnostiziert wird. Auf der anderen Seite muss natürlich auch über die verfügbaren Impfstoffe aufgeklärt werden.
Können sich durch Mücken oder Zecken auch neue Krankheiten bei uns ausbreiten, die uns noch nicht bekannt sind?
Es ist natürlich möglich, dass auch exotische Viren, die wir bislang in Europa noch nicht kennen, aus den Ländern des globalen Südens nach Europa oder Deutschland importiert werden und hier Krankheitsausbrüche hervorrufen. Ein Beispiel hierfür wäre das Zika-Virus, das 2013 bis 2016 quasi den Siegeszug um die Welt angetreten hat und sich mit der Tigermücke nahezu in allen Ländern des globalen Südens ausgebreitet hat.
Es ist jederzeit möglich, dass das mit einem anderen Virus noch einmal passiert. Ein Kandidat dafür wäre zum Beispiel das Mayaro-Virus, das bislang nur auf den Amazonas-Urwald beschränkt ist, aber die Möglichkeit hat, sich durch die Tigermücke weltweit auszubreiten.