Auch nach einer Woche ist der Waldbrand südlich von Berlin nicht gelöscht – im Gegenteil: Aufkommender Wind hat die Flammen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Jüterbog wieder angefacht. Es brennt und qualmt wieder stärker. Und auf einer noch größeren Fläche.
Derzeit seien 656 Hektar betroffen, wie die Leiterin des Ordnungsamtes, Christiane Lindner-Klopsch, dem "RBB" am Donnerstagmorgen auf Nachfrage mitteilte. Noch am Mittwochnachmittag waren 326 Hektar betroffen – die Fläche hat sich demnach binnen kürzester Zeit verdoppelt.
Dass sich der Waldbrand so rasend schnell ausbreitet, hängt Waldexperte Peter Wohlleben zufolge mit dem Zustand des Ökosystems Wald zusammen. Und der Klimakrise. Im Gespräch mit watson erzählt er, welche Chance er in der Tragödie sieht – und wie der Wald wieder robuster werden könnte.
Watson: Im August letztes Jahres gab es einen großen Brand im Grunewald. Sehen Sie Parallelen zum jetzigen Brand bei Jüterbog?
Peter Wohlleben: Ich nehme an, dass es in Jüterbog vor allem Kieferbestände sind, die brennen. Das ist immer dasselbe: Nadelplantagen brennen wie ein Treibstofflager. Im Grunewald ist es ein Mischwald gewesen, aber auch dort gibt es viele Kiefern. Es ist übrigens nicht das Totholz, welches Probleme macht, denn die unnatürlichen Nadelbaumplantagen brennen schon im grünen Zustand super leicht.
Unnatürlich, weil es sich nicht um einen regulären Wald, sondern eine angepflanzte Plantage handelt.
Genau. Von Natur aus hätten wir Buchenurwälder und diese natürlichen Wälder würden nicht brennen, weil sie sehr feucht sind. Es ist also hauptsächlich ein Problem der Plantagen in Kombination mit Kahlschlägen und in den allermeisten Fällen – mit Brandstiftung. Auch das wird häufig übersehen. Dass sich die Munition des Truppenübungsplatzes selbst entzünden kann, mag vorkommen. Aber in den allermeisten Fällen ist es tatsächlich fahrlässige oder vorsätzliche Brandstiftung.
Kann man Waldbrände denn verhindern, wenn meistens Brandstiftung die Ursache ist?
Was man langfristig tun kann, sind zwei Sachen: Zum einen muss man dafür sorgen, dass die Wälder feuerfester werden. Und das bedeutet einfach, auf heimische Laubbaumarten zu setzen. Das Forschungsprojekt "Pyrophob", an dem verschiedene Institute beteiligt sind, unter anderem die Hochschule Eberswalde, zeigt ganz klar, dass die Waldbrandgefahr sinkt, wenn viele Laubbäume da sind und viel dickes Totholz, das sich vollsaugt wie ein Schwamm – und so als Feuerbremse wirken kann.
Also sind die Monokulturen aus Nadelbäumen das Problem.
Ja, ähnlich wie die Eukalyptus-Plantagen in Portugal – die sind voller ätherischer Öle, da wundert es niemanden, wenn sie brennen. Diese leicht brennbaren Nadelbäume, die ja ursprünglich in kühlen, nördlicheren Regionen beheimatet waren, sind hier in relativer Hitze und Trockenheit einfach die reinsten Brandbeschleuniger. Und wenn man langfristig etwas tun will, sollte man den Anbau solcher Baumarten schlicht und ergreifend verbieten.
Welche deutschen Laubbäume wären denn besonders gut für einen gesunden Wald?
Wir reduzieren das meistens auf Baumarten, dabei geht es um heimische Wald-Ökosysteme – und die bestehen bei uns überwiegend aus Laubbäumen wie Buchen, Eichen, Ahorn, Eschen und so weiter. Die brennen alle im lebendigen Zustand nicht. Das ist der große Unterschied zu diesen ausgetrockneten Kiefernplantagen. Außerdem können solche alten Laubwälder sogar regelrecht Regenwolken erzeugen, wodurch sie nicht so leicht austrocknen. Sie kühlen zudem die Landschaft massiv herunter.
Und Nadelbaumplantagen tun das nicht?
Nein, Kiefernplantagen zum Beispiel sind im Durchschnitt acht Grad wärmer als alte Buchenwälder. Und sie sind trockener, weil in den Kronen auch im Winter sehr viel Wasser hängenbleibt und den Boden gar nicht erreicht. Dadurch fällt unter Kiefernbeständen teilweise der Grundwasserspiegel, während er unter Buchenwäldern mitunter steigt. Heimische Laubwald-Ökosysteme sind Wasserkreisläufe, während die Kiefernplantagen die Landschaft ausdörren.
Wie viele Plantagen gibt es in etwa in Deutschland?
Dafür gibt es keine Statistik. Aber was man sagen kann: Unser Wald besteht zu über 50 Prozent aus Nadelbäumen, die dort nicht heimisch sind. Die häufigste Baumart ist noch – sie verliert ja gerade ihre Stellung – die Fichte, gefolgt von der Kiefer. Diese beiden Arten machen allein schon 50 Prozent der Waldfläche aus. Dazu kommen noch Douglasien und Lerchen und ein paar andere, während die Laubbäume weniger als die Hälfte ausmachen. Die Landschaft wird dominiert von unnatürlichen Waldstrukturen.
Das heißt, die vielen Wälder, die man in Deutschland sieht, sind gar nicht unbedingt tatsächliche Wälder?
Nein. Es gibt ja auch Eichen- und Buchenplantagen – auch wenn das aussieht wie ein Wald. Das ist so ähnlich, wie eine Teak- oder eine Mahagoniplantage in den Tropen – das ist auch kein tropischer Regenwald.
Wenn wir die Plantagen nicht reduzieren, bedeutet das also, dass wir quasi immer wieder Waldbrände entstehen lassen?
Wir manipulieren im Wald zu viel, das ist der Punkt. Wenn man diese sterbenden Fichtenplantagen abräumt, wird der Boden noch heißer in der Sommersonne, trocknet noch leichter aus. Und gerade auf diesen Kahlschlägen können Waldbrände ganz besonders leicht entstehen.
Und was kann man dagegen tun?
Ganz dringlich ist es, grundsätzlich Kahlschläge zu verbieten und dann wegzukommen von diesem Nadelbaum-Anbau. Diese zwei Sachen sind das Entscheidende. Aber bezogen auf die Frage, ob uns Waldbrände noch lange begleiten werden: Ja, sie werden uns leider noch sehr lange begleiten, weil wir einfach sehr große Waldteile aus solchen unnatürlichen Ökosystemen haben. Die sind nicht so schnell wegzubekommen. Es ist ein Jahrzehnte dauernder Prozess – und leider wird in dieser Zeit der Klimawandel die Waldbrandgefahr für diese Plantagen noch erhöhen.
Haben Sie denn Hoffnung, dass wir den Sprung zurück zum gesunden Wald-Ökosystem schaffen werden?
Was man wissen sollte: Nach dem Waldbrand entsteht eine gute Startchance für robuste, heimische Laubwälder – sie kehren überraschend schnell von allein zurück, ohne Pflanzung und ohne Kosten. Dazu gibt es Forschungsprojekte, zum Beispiel aus Treuenbrietzen, wo man sieht, dass der Wald nach dem Waldbrand überraschend schnell zurückkommt. Ein Waldbrand ist erstmal eine Tragödie, gar keine Frage. Deshalb sollte man alles versuchen, um sie zu verhindern. Aber wenn man die richtigen Schlüsse daraus zieht, kann es auch eine Chance sein, endlich wieder natürliche Wald-Ökosysteme zu bekommen.