"Ohne uns wärst du hungrig, nackt, nüchtern", propagierten Landwirt:innen bei den Bauern-Protesten der letzten Woche, oder: "Butter, Brot & Bier – fehlen bald auch Dir! Wach auf". Die Landfrauen fragten auf einem Plakat gar: "In Deutschland sorgen die Bauern zu 89 Prozent fürs Essen, habt ihr es vergessen?"
Über eine Woche waren deutschlandweit Landwirt:innen mit ihren Traktoren auf der Straße unterwegs. Damit wollten sie erreichen, dass die Ampel-Regierung geplante Subventionskürzungen beim Agrardiesel zurücknimmt. Tue sie das nicht, würden sie erneut auf die Straße gehen, wie Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbands, betont.
Die bisherigen Proteste seien lediglich ein "Vorbeben" gewesen. Ab kommenden Montag, so erklärte Rukwied, würden sie bei gescheiterter Haushaltsbereinigungssitzung wieder mit Aktionen, "und zwar flächendeckend in der ganzen Republik, fortfahren".
Die Message hinter diesen und weiteren Parolen, ist klar und deutlich: Ohne unsere Landwirt:innen wären wir aufgeschmissen und hätten (kaum) noch etwas zu essen.
Aber stimmt das überhaupt? Wie viele Lebensmittel produzieren die Landwirt:innen wirklich für Deutschland?
Mit Blick auf die Produktionsmengen spielen allem voran Getreide, Milch und Zuckerrüben eine entscheidende Rolle. Die wichtigste Getreidesorte ist der Weizen, aber auch Silomais und Winterraps stellen wichtige Kulturen im Ackerbau dar.
An Gemüse werden hauptsächlich Karotten, Zwiebeln, Spargel und Salat angebaut, beim Obst vor allem Äpfel – die über drei Viertel der Erntemenge ausmachen, danach folgen Erdbeeren, wie "ZDF Heute" berichtete. Bei der Fleischproduktion steht in Deutschland das Schwein an erster Stelle.
Aber: Nicht alle Lebensmittel, die unsere Landwirt:innen produzieren, landen auch tatsächlich auf unseren Tellern. So werden etwa über die Hälfte des produzierten Getreides zu Futtermitteln für die Tierproduktion verarbeitet und neun Prozent zur Energiegewinnung genutzt. Lediglich 21 Prozent des Getreides wird demnach zu Lebensmitteln wie Mehl, Brot oder Nudeln verarbeitet.
Die Rechnung geht schon hier nicht auf. Bei genauerer Betrachtung wird klar: Der Großteil der Lebensmittel, die wir essen, stammt aus dem Ausland. Beim Obst produzieren die Landwirt:innen etwa 20 Prozent unseres Verbrauchs, beim Gemüse sind es rund 36 Prozent. Deutlich höher ist der Selbstversorgungsanteil mit 72 Prozent bei Eiern.
Allein 2020 wurden beispielsweise mehr als 700.000 Tonnen Tomaten aus Belgien, den Niederlanden und Spanien importiert, wie der "Focus" berichtete. Bei Eiern waren es fast 280.000 Tonnen – das entspricht etwa sechs Milliarden Eiern.
Bei diesen Zahlen überrascht es wenig, dass die Zukunft der Landwirtschaft auch aus Sicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) nicht in regionalen Produkten, sondern eher in wachsenden Ausfuhren liegt. Gegenüber "ZDF Heute" erklärte eine Sprecherin des BMEL:
Man müsse sich aber fragen, wie sinnvoll und möglich eine autarke Lebensmittelversorgung in einer vernetzten Welt sei. "Zudem können nicht alle Lebensmittel, etwa Südfrüchte oder Kaffee, bei uns produziert werden."
Trotz allem wäre es rein rechnerisch nach Zahlen des BMEL in den vergangenen zehn Jahren zu 90 Prozent möglich gewesen, die deutsche Bevölkerung mit hierzulande produzierten Lebensmitteln zu ernähren, ohne Futtermittel aus dem Ausland zu 83 Prozent.
Das Ministerium weist aber darauf hin, dass dies ein "theoretisches Modell" sei. Denn während unsere Landwirt:innen mehr Kartoffeln, Fleisch und Milch prodzieren, als wir benötigen, hätten wir bei rein regionalen Lebensmitteln kaum Obst und Gemüse auf dem Speiseplan stehen.
Dass es ohne die deutsche Landwirtschaft kein Essen mehr geben würde, stimmt dementsprechend also nicht ganz.