Deutschland will bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, die Europäische Union bis 2050. Um diese Ziele zu erreichen, hat man sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene einen CO2-Preis eingeführt.
Die Idee dahinter: Wer CO2 ausstößt, muss zahlen – wer weniger ausstößt, spart bares Geld. Dieser Anreiz soll Unternehmen dazu animieren, ihre umweltschädlichen Emissionen zu verringern.
Erst vor ein paar Wochen pries das Umweltbundesamt "Rekordeinnahmen" aus dem europäischen Emissionshandel an. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Denn mit dem Plus aus den Einnahmen fördert die Bundesregierung Wärmepumpen, Elektroautos und grüne Stahlwerke – allesamt Maßnahmen, die helfen sollen, Deutschland klimaneutral zu machen.
Wäre da nur nicht ein Problem, das fatale Folgen für Deutschland und seine Bemühungen im Klimaschutz nach sich ziehen könnte. Denn seit der CO2-Preis im Frühjahr 2023 auf einen Höchstwert von über 90 Euro die Tonne geklettert ist, hat er sich in den vergangenen Monaten nahezu halbiert: Ende Februar wurde ein CO2-Zertifikat für nur 51 Euro die Tonne gehandelt, und auch seitdem ist der Preis nur um wenige Euro gestiegen. Das berichtet der "Spiegel".
Klimaschützer:innen und Ökonom:innen schlagen Alarm. Sie betonen: Der Einbruch des CO2-Preises könnte falsche Signale senden und Industrie- und Energieunternehmen vorgaukeln, dass sich klimafreundliche Investitionen zukünftig weniger lohnen werden.
Dazu kommt: Durch die fehlenden Einnahmen kann der Staat zwingend notwendige Transformationen nicht anschieben. Die Folge? Der Kampf um die Erderhitzung könnte sich gefährlich verzögern und bereits gesetzte Klimaziele in immer weitere Ferne rücken. Gegenüber dem "Spiegel" erklärte Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung das Dilemma wie folgt:
Grund für das plötzliche Absinken des CO2-Preises ist allem voran die Energiekrise nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vor zwei Jahren. Zum einen kaufte die Industrie aufgrund der eingebrochenen Produktion weniger CO2-Zertifikate, zum anderen hatte die EU in der Gaskrise des vergangenen Jahres beschlossen, zusätzliches Papier auf den Markt zu werfen, um die Energiepreise niedrig zu halten. Die Folge: Die Preise fielen, weil zu viele Zertifikate auf dem Markt waren.
Was nach einer Verschnaufpause in Sachen Klimaschutz für die Industrie klingt, birgt einen Rattenschwanz gravierender Probleme. Denn dadurch sinken auch die Einnahmen für den Klima- und Tranformationsfonds – und damit die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung, grüne Technologien zu fördern.
Sollte der CO2-Preis bis zum Jahresende auf einem Niveau von etwa 60 Euro die Tonne bleiben, betont Klimaforscher Pahle gegenüber dem "Spiegel", hätte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Jahresende rund 1,8 Milliarden Euro weniger in der Kasse. Geld, das fehlt, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, die ohnehin schon in Gefahr sind.
Trotzdem warnen Expert:innen davor, vorschnell Zertifikate vom Markt zu nehmen. Stattdessen solle die EU eine Art Klima-Zentralbank gründen, ähnlich dem Währungshüter der Europäischen Zentralbank. So sollen extreme Schwankungen der Marktpreise verhindert werden.