Ob an die italienische Riviera, die Costa Brava in Spanien, oder die Côte d’Azur in Frankreich: Während es in den Wintermonaten noch grau und trist in Deutschland ist, planen viele bereits ihren Sommerurlaub in wärmeren Ländern. Die meisten Deutschen verbringen dabei ihren Urlaub besonders gern in beliebten Ferienregionen am Mittelmeer.
Denn das "Planschbecken Europas" lockt im Gegensatz zum wilden Atlantik oder der frischen Nordsee mit unbesorgtem Badespaß, Sonnenschein und sanften Wellen. So zumindest lautet das Versprechen vieler Ferienanbieter.
Doch das könnte bald hinfällig werden – denn durch die Klimakrise haben sich auch die Bedingungen am Mittelmeer verändert.
"Durch Langzeitstudien wissen wir, dass der Klimawandel zu einer Temperaturerhöhung im Mittelmeer führt, die bis zu 20 Prozent schneller ist, als in den anderen Meeren", stellt Mischa Schwarzmeier klar. Er ist Leiter am Institut für Marine Biologie (IfmB), das eine Forschungsstation im Mittelmeer auf der Insel Giglio betreibt.
Hier untersuchen Wissenschaftler:innen, welche direkten Auswirkungen die Klimakrise auf Flora und Fauna im Mittelmeer hat. Das hat einen triftigen Grund, wie er erklärt:
Und diese Probleme haben es in sich: So kommen – durch den von uns befeuerten Klimawandel – neben einer Überhitzung und Verschmutzung des Meeres noch weitere, neue Stressfaktoren auf das Ökosystem des Binnenmeers zu.
Zum Beispiel gibt es immer mehr neue Tierarten, die durch den Suezkanal aus Ägypten herüberschwimmen. "Dort sehen wir, welche Auswirkung die Temperaturveränderung hat: Früher war der Salzgradient zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer stark verschieden, heute fällt er marginal aus", erklärt Schwarzmeier. Der Salzgradient ist der Unterschied im Salzgehalt.
"Wir sehen deshalb immer häufiger eine aktive Wanderung von Fischen oder teilweise Quallen vom Roten Meer ins Mittelmeer", sagt Schwarzmeier. "Mittlerweile gehen wir davon aus, dass tausend neue Arten im Mittelmeer leben und alle neun Tage eine neue Art dazu kommt."
Davon würden die meisten aus ursprünglich tropischen Gebieten stammen, wie beispielsweise Feuerfische, die sich jetzt auch im nördlichen Mittelmeer verteilt hätten. Der Meeresbiologe warnt jedoch davor, diese "invasiven" Arten als prinzipiell schlecht einzustufen:
Dagegen würden sich mit steigenden Temperaturen besonders Schwämme, aber auch Algen deutlich besser durchsetzen, als etwa Korallen. Denn ihnen setzt die Wärme nicht so stark zu.
Wie Meeresbiolog:innen beobachten, begünstigt die Wärme allem voran das Wachstum von Schleimalgen in bade-freundlichen Buchten mit seichter Strömung.
Das Gefährliche daran: Schleimalgen legen sich über Korallen, die dann kein Wasser mehr filtrieren können – und absterben. Mit fatalen Folgen für ihr direktes Umfeld.
"Das Besondere bei Korallen wie der Roten Gorgonie ist, dass sie die Lebensgrundlage für andere Tiere bilden und damit wie ein Regenwald unter Wasser wirken", erklärt Schwarzmeier. "Da sie bestimmte Nährstoffe ausscheiden, setzen sich hier gerne Schwämme und andere Organismen an. Wenn sie jedoch absterben, verlieren wir damit nicht nur diesen einen Organismus, sondern eine ganze Kette von Lebewesen bricht ein."
Mit den höheren Wassertemperaturen steigt auch in den Buchten das Risiko für sogenannte Todeszonen. Auslöser dafür ist zu viel Phytoplankton, dessen Bakterien dem umgebenden Wasser Sauerstoff entziehen.
Wenn zusätzlich die Fische weggefangen wurden, die ansonsten das Phytoplankton fressen würden, und das Wasser durch Abwasser verunreinigt ist, kippen ganze Wasserareale. Diese Konstellation findet sich besonders oft in der Nähe von Häfen und Touristen-Hotspots.
Doch auch an der Wasseroberfläche tritt die Klimakrise starke Veränderungen los: "Die stärker werdenden Oberflächentemperaturen im Mittelmeer begünstigen extreme Niederschlagsereignisse wie auch Wirbelstürme in Zentraleuropa, die bis zu uns nach Deutschland ziehen können", warnt Dagmar Hainbucher vom Institut für Meereskunde an der Universität Hamburg.
Diese entstünden dabei besonders häufig über dem Golf von Genua, wo die feuchtwarme Luft vom inzwischen warmen Mittelmeer auf eine von den Alpen kommende Kaltluft trifft. Die Folge: "Die Intensität der entstehenden Sturmtiefs hat klar zugenommen", erklärt Hainbucher im Gespräch mit watson.
Die starken Schlechtwetterfronten wanderten dann immer weiter nördlich und ließen sich dabei auch nicht von den Bergen aufhalten. Schlechtes Wetter ist hier also vorprogrammiert – auch außerhalb der gewohnten Regenperioden im Frühjahr und Herbst.
Ein weiteres Phänomen, das sich mit steigenden Wassertemperaturen im Mittelmeer zeige, sind sogenannte "Meteotsunamis": Darunter versteht man Wellen, die durch Luftdruckschwankungen oder heftigen Wind wie bei einer Gewitterfront ausgelöst werden – und mehrere Meter hoch werden können.
Dieses Phänomen findet weltweit statt, sie stechen aber im Mittelmeer hervor, da es hier sonst keine starken Gezeiten gibt. Aufgrund dessen bemerkt man sie vor allem in flacheren Wassergebieten an den Küsten direkt, wenn es zu plötzlichen Erhöhungen des Wasserstandes kommt. Das Gefährliche daran: Sie lassen sich nicht vorhersagen.
Trotzdem ist diese Tsunami-Art eher selten von Bedeutung. "Ich würde mich eher vor einem richtigen Tsunami im Mittelmeer fürchten", gibt Hainbucher zu bedenken. "Denn das Risiko, dass es dazu kommt, ist immer da", betont die Expertin mit Blick auf die verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien in den vergangenen Wochen.
Wenn im Mittelmeer ein tektonisches Beben auftritt, sind die Vorwarnzeiten ihr zufolge zum Teil sehr kurz. "Das Mittelmeer ist klein, die Welle dagegen schnell – da hat man je nach Entfernung zum Epizentrum nur Minuten Zeit zur Flucht weg von der Küste."