Nach dem folgenschweren Gletschersturz in den Dolomiten mit mindestens sechs Toten wollen die Einsatzkräfte am Montag (4. Juli) die Suche an der Flanke des Berges Marmolata fortsetzen. Sie haben dabei aber kaum noch Hoffnung, unter den Eis-, Schnee- und Felsmassen weitere Überlebende zu finden. Das sagte Walter Cainelli von der Bergrettung der norditalienischen Provinz Trentino am Sonntagabend.
Gut ein Dutzend Menschen wurde am Sonntagabend (3. Juli) vermisst, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Auf dem Parkplatz am Fuße des Bergmassivs, von dem die Aufstiegswege losgehen, wurden 16 Autos gezählt, deren Halter noch nicht ausfindig gemacht wurden. "Wir wissen noch nicht, ob die Wagen den toten oder vermissten Personen gehören oder Leuten, die nichts mit dem Unfall zu tun haben", sagte der Regionalpräsident von Trentino-Südtirol, Maurizio Fugatti. Bis zu 14 Bergsportler wurden bei der Bergkatastrophe verletzt.
Die Such- und Bergungsarbeiten an der Marmolata waren am Sonntagabend unterbrochen worden, weil die Gefahr bestand, dass weitere Eisblöcke abgehen könnten. Das gesamte Gebiet rund um den Gletscher wurde für die Öffentlichkeit gesperrt. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi drückte den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid aus und ließ sich über die Rettungsmaßnahmen und die Ermittlungen auf dem Laufenden halten.
Extrembergsteiger und Umweltschützer Reinhold Messner sieht in dem Unglück eine Folge der Klimakrise und der damit zusammenhängenden Erderwärmung: "Diese fressen die Gletscher weg", sagte der 77-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
An den Abbruchkanten der Gletscher bilden sich sogenannte Eistürme – Seracs genannt – "die so groß sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen", erklärte Messner. Vorfälle wie an der Marmolata "werden wir häufiger sehen", prognostizierte er, denn "heute gibt es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher".
Diese Eisabbrüche können furchtbare Folgen haben, wie am Sonntag (3. Juli) auf dem Massiv an der Grenze zwischen den Regionen Trentino-Südtirol und Venetien. Der sichtlich geschockte Bergretter Luigi Felicetti berichtete von dem Einsatz: "Als wir vor Ort ankamen, bot sich uns ein unglaubliches Bild. Überall lagen Eisblöcke und riesige Steine."
Die Nachrichtenagentur Ansa zitierte Ermittler, wonach sich an dem Berg ein "unvorstellbares Blutbad" abgespielt habe, nach dem "es schwer sein wird, die Identität der Opfer festzustellen, denn die Körper wurden zerstückelt" von den Eis- und Steinbrocken.
(sp/dpa-afxp)