Zwischen den Jahren 1990 und 2018 ist aufgrund zunehmenden Schmelzwassers die Anzahl an Gletscherseen weltweit um 52 Prozent gestiegen. Das geht aus einem Bericht mehrerer US-amerikanischer und britischer Wissenschaftler hervor, der im Fachmagazin "nature climate change" veröffentlicht wurde.
Demnach haben die Wissenschaftler über 250.000 Satellitenbilder ausgewertet, um zu analysieren, welche Auswirkungen der Klimawandel auf das Schmelzen der Gletscher und die damit einhergehende Entstehung von Gletscherseen hat. Das Ergebnis zeigt, dass sich insgesamt 14.394 Gletscherseen auf fast 9.000 Quadratkilometern der Erdoberfläche verteilen. Die Fläche auf der Erde, die von den Seen bedeckt ist, hat sich somit etwa verdoppelt.
Für die Wissenschaftler ist das ein alarmierendes, aber gleichzeitig interessantes Ergebnis. "Unsere Ergebnisse zeigen, wie schnell die Systeme an der Erdoberfläche auf den Klimawandel reagieren und wie global das ist", erklärt Stephan Harrison, Professor für Klima- und Umweltveränderungen an der Universität Exeter im Südwesten Englands. "Noch wichtiger ist, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, eine Lücke in der Wissenschaft zu schließen. Denn bisher war nicht bekannt, wie viel Wasser in den Gletscherseen der Welt gespeichert ist."
Gletscherseen seien zwar in vielen Teilen der Welt eine wichtige Wasserquelle für die dort lebenden Menschen, doch würden die Vergrößerung der Gletscherseen auch Risiken bergen, so die Wissenschaftler. Plötzliche Ausbrüche von Gletscherseen können verheerende Folgen haben. Kommt es zu Überschwemmungen, können ganze Dörfer weggespült oder Straßen, Pipelines und andere Infrastruktursysteme zertört werden.
Anfang August herrschte etwa in der Schweizer Gemeinde Lenk höchste Gefahr für Hochwasser und Springfluten, nachdem ein Gletschersee im Berner Oberland ausgelaufen war. Der Faverges-See hatte sich erst vor einigen Jahren am Rand des Plaine-Morte-Gletschers gebildet und läuft seitdem fast jeden Sommer aus. Damit das Wasser kontrollierter abfließen kann, wurde ein Abflusskanal ins Eis geschlagen.
Bei sogenannten GLOFs ("glacial lake outburst floods"), also Gletschersee-Überschwemmungen, seien in den letzten Jahren tausende Menschen ums Leben gekommen, erklärt Harrison weiter. Zudem sei immer wieder wichtige Infrastruktur, wie Wasserwerke, zerstört worden. "Einige Seen werden weniger anfällig für GLOF-Auslöser, wenn sie größer werden, aber je mehr Wasser verfügbar ist, desto schlimmer wird die Überschwemmung, wenn es zu einer kommt", warnt Harrison.
Laut der Studie befinden sich die am schnellsten wachsenden Seen in Skandinavien, Island und Russland. Dort hat sich deren Fläche im Untersuchungszeitraum mehr als verdoppelt. Da viele der Seen relativ klein sind, ist der Volumenanstieg auf globaler Ebene jedoch nicht wesentlich.
In anderen Ländern, beispielsweise in Patagonien und Alaska, wuchsen die Gletscherseen langsamer, aber viele der Seen in diesen Regionen sind riesig, was den absoluten Anstieg des Wasservolumens enorm macht.
(lau)