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"Kältewelle widerspricht dem Klimawandel überhaupt nicht": Experte erklärt Extremwetter

Girl with colourful umbrella walking on the path and row trees. Winter.
Die Erwärmung des Klimas wird dafür sorgen, dass die Winter in Zukunft eher Hochwasser statt Schnee mit sich bringen, erklärt der Deutsche Wetterdienst.Bild: iStockphoto / tawatchaiprakobkit
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"Kältewelle widerspricht dem Klimawandel überhaupt nicht": Experte erklärt Extremwetter

09.02.2021, 18:0231.03.2021, 14:10
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Sobald ein paar einsame weiße Flöckchen vom Himmel rieseln, kommen sie aus ihrer warmen Stube gekrochen: Klimawandel-Leugner, die die dünne weiße Schicht auf dem Gehweg als Beweis dafür sehen, dass der Klimawandel nicht existent ist, nicht existent sein kann. Sinken die Temperaturen dann auch noch auf zweistellige Minusgrade und sorgen Glätte und Schneefall für Chaos auf den Straßen, fragen sie: Wo ist er jetzt, euer Klimawandel?

Dabei ist Klima nicht gleich Wetter – und ein mehr oder weniger heftiger Wintereinbruch kein Zeichen dafür, dass der Klimawandel nicht existiert. "Eine Kältewelle widerspricht dem Klimawandel überhaupt nicht", sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst gegenüber watson. Zwar werden die Winter immer milder, Ausreißer nach oben oder unten gebe es aber immer wieder.

"Viele Menschen verstehen den Unterschied zwischen Klima und Wetter nicht", sagt Friedrich. "Das Wetter und die Witterung schwanken sehr stark, das kann um 20 Grad nach oben oder unten ausschlagen. Beim Klima sprechen wir aber über einen langfristigen Temperaturanstieg, bei dem wir die Entwicklung über mehr als 30 Jahre beobachten."

Das Winterwetter, das Deutschland derzeit im Griff hält, ist aber schon etwas Außergewöhnliches – Friedrich spricht von einem "herausragenden Wetterereignis". Wie es zustande kam? Über dem Norden Deutschlands prallte arktische Kaltluft aus Skandinavien und Nordrussland mit warmer Sahara-Luft zusammen. Diese Wetterlage ist zudem äußerst stabil und bewegt sich tagelang nicht vom Fleck, die Temperaturgegensätze schaukeln sich immer weiter auf – fertig ist das Schneechaos mit glatten Straßen, eingeschneiten Dörfern und einem Schneesturm wie aus dem Bilderbuch.

Winter hat sich schon 10 bis 12 Tage verkürzt

In Zukunft dürfte der Klimawandel solche Wintereinbrüche aber immer seltener machen. Der Schneefall hat in den vergangenen Jahren abgenommen, sagt Friedrich. Die Temperaturen steigen, Pflanzen wie Schneeglöckchen kommen immer früher zum Vorschein. Kurz: "Der Winter hat sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren um etwa zehn bis zwölf Tage verkürzt."

Zwischendurch könne der Klimawandel aber auch immer wieder dafür sorgen, dass es deutlich kälter werde, "so wie aktuell in Teilen Europas und Amerikas", sagt Stefan Rahmstorf, Leiter der Forschungsabteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Kältewellen in Europa könnten dadurch sogar zunehmen. Grund dafür ist der Polarwirbel, der arktische Kaltluft erst einschließt und bei einer Abschwächung wieder freigibt. Dann werde es ungewöhnlich kalt und schneereich. "Mehrere Studien zeigen, dass diese Wetterlagen mit schwachem Polarwirbel immer länger anhalten und eine Ursache dieser Entwicklung der Eisschwund in der Arktis sein dürfte – Veränderungen in der Arktis beeinflussen also auch unser Wetter in Europa."

Und diese Veränderungen in der Arktis sind gewaltig. Die Erderwärmung schreitet dort seit Jahrzehnten deutlich schneller voran als in anderen Regionen der Erde. Der Temperaturunterschied zwischen Nord und Süd nimmt damit ab, das hat Folgen: Luftströme werden blockiert und Wetterlagen halten deutlich länger an. Das kann zu Hitzewellen und Dürren führen, aber auch zu starken Niederschläge – und, wenn es kalt genug ist, eben auch für Schnee.

Hinzu kommt, dass warme Luft generell mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, pro Grad Erwärmung gehen Experten von sieben Prozent aus. "Ein wärmerer Planet verdampft mehr Wasser in die Atmosphäre", schrieb die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg vor kurzem auf Twitter angesichts der Diskussionen um das auch in Schweden vorherrschende kalte Winterwetter, das sollte doch eigentlich mittlerweile Allgemeinwissen sein. "Im Winter werden die Niederschlagsmengen zunehmen, weil die Atmosphäre wärmer ist und dadurch mehr Feuchtigkeit speichert", sagt auch Friedrich.

Zukunft bringt Hochwasser statt Schneechaos

Auch in diesem Winter wurden wieder vereinzelt neue Schneerekorde gemessen. In Lienz im Osttirol beispielsweise gab es mit 182 Zentimetern im Dezember so viel Neuschnee wie nie zuvor, und das, obwohl der Dezember einer der wärmsten war, die man dort erlebt hat. Die feuchte Luft aus dem Mittelmeer staute sich hier an den Alpen an – so kommen immer wieder enorme Niederschlagsmengen zusammen. Mit fortschreitendem Klimawandel werden diese aber eher in Form von Regen auf uns niederprasseln, prophezeit Friedrich. "Statt mit Schnee werden wir eher mit Hochwasserwellen zu kämpfen haben."

Schon die Schneemessungen der vergangenen Jahre bestätigen diesen Trend: Messungen aus den Schweizer Alpen zeigen, dass insbesondere in einer Höhe unter 1300 Metern die Schneefälle seit den 1980er Jahren deutlich abgenommen haben. "Ende dieses Jahrhunderts werden im Mittelland mehrtägige Perioden mit Schneedecke sehr selten auftreten, und nur noch oberhalb von 2500 Metern über dem Meeresspiegel wird genügend Naturschnee für einen rentablen Betrieb eines Skigebietes vorhanden sein", schreibt etwa das WSL-Institut für Schnee-und Lawinenforschung SLF auf seiner Website.

Und auch hierzulande war dieser Winter, allem kalten Schmuddelwetter zum Trotz, bislang wieder viel zu warm: Der Dezember war laut Deutschem Wetterdienst 2,2 Grad wärmer als der Durchschnitt der Jahre 1962 bis 1990, auch der Januar lag über dem Mittelwert. Der letzte Winter, der kälter als der Durchschnitt war, war übrigens der im Jahr 2009/2010. Und mal ehrlich: Wer ist in den vergangenen Jahren auf einem zugefrorenen Gewässer Schlittschuh gelaufen, so wie es unsere Großeltern früher beinahe in jedem Winter taten?

Der Klimawandel ist in vollem Gange. Die Flocken, die uns derzeit im kalten Winterwind ins Gesicht peitschen, die zugefrorenen Seen und schneebedeckten Äste, die Schneeskulpturen und Schlittenfahrten – wir sollten sie genießen.

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