Die Letzte Generation polarisiert mit ihren Protesten – durch Straßenblockaden ziehen die Aktivist:innen regelmäßig den Zorn von Autofahr:innen auf sich. Deutlich mehr gesellschaftlichen Rückhalt erfährt hingegen Fridays for Future für die Klimastreiks. Zuletzt gingen am 15. September nach Angaben der Gruppe rund 250.000 Menschen im Rahmen des globalen Klimastreiks auf die Straße.
Gegen die radikalere Letzte Generation ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München. Doch von einer Razzia im Mai war auch Fridays for Future betroffen, wie sich erst jetzt herausstellte. Sprecherin Luisa Neubauer sprach am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in München von einer "beunruhigenden und beängstigenden Woche", die die Gruppe erlebt habe.
Es sei bekannt geworden, dass auch die Kreativagentur von Fridays for Future, die Material wie Sticker für die Klimastreiks gedruckt hatte, und die Privatwohnung eines Technikers durchsucht worden seien. Beide stehen Neubauer zufolge in keinerlei Verbindung zur Letzten Generation.
Es handele sich somit nicht nur um ein Problem für Aktivist:innen, sondern um einen Angriff auf die gesamte Zivilgesellschaft, wie sie betonte – schließlich organisiere Fridays for Future seit fünf Jahren verlässlich friedliche Demonstrationen.
Besonders beunruhigend sei dabei, dass wohl nicht nur bei Fridays for Future organisierte Personen im Fokus standen. Die Befürchtung der Gruppe: Bei den Durchsuchungen in der Kreativagentur könnten bis zu 5.000 Privatadressen beschlagnahmt worden sein – von Menschen, die zum Beispiel Sticker für den Klimastreik bestellt hatten, ohne anderweitig bei Fridays for Future aktiv zu sein. "Das macht uns fassungslos, das macht uns wütend", sagte Neubauer.
Auf watson-Nachfrage erklärte sie zudem: Es könne nicht nachvollzogen werden, wer genau betroffen ist. Aber es gehe um mehr als die Daten: "Es geht darum, dass Hunderttausende Menschen, die an friedlichen Klimastreiks teilnehmen wollen, durch dieses Vorgehen kriminalisiert werden."
Die Gruppe hatte bereits am Montag bekannt gegeben, gemeinsam mit den zwei betroffenen Firmen Beschwerde gegen die Durchsuchungen einzulegen. "Die Situation ist wirklich alarmierend", schrieb Fridays for Future auf X (ehemals Twitter). Eine derartige Durchsuchung treffe nicht nur ein Unternehmen, sondern die gesamte Zivilgesellschaft. "Fridays for Future lebt Teilhabe und Demokratie. Uns als gefährliche Radikale darzustellen, ist untragbar."
Die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte der Deutschen Presseagentur am Mittwoch die "Drittuntersuchungen" bei den beiden Unternehmen. "Da laufen mehrere Beschwerden", sagte ein Sprecher.
Zuvor hatte am Montag der "Spiegel" über die neuen Details zu den Durchsuchungen berichtet. Zwei Agenturen seien aufgrund von Überweisungen eines Dienstleisters, der auch mit der Letzten Generation zusammenarbeite, in den Fokus der Ermittler:innen geraten.
Laut Fridays for Future handelte es sich um Rechnungen im Zusammenhang mit dem Klimastreik im Herbst 2022. Ziel der nun eingereichten Beschwerde sei es demnach unter anderem, die im Zuge der Durchsuchungen gesicherten Daten löschen zu lassen.
Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt nach Paragraf 129 StGB gegen die Letzte Generation wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Unter den sieben Hauptverdächtigen sind Aktivist:innen und Personen, die mit den Finanzen der Gruppe befasst sind.
Im Mai wurden im Zuge einer Razzia in sieben Bundesländern auch einige Privatwohnungen von Aktivist:innen der Gruppe durchsucht. Einige von ihnen machten die Razzien damals öffentlich.
Die Menschenrechtler:innen von Amnesty International und von der Organisation Green Legal Impact, die auch Fridays for Future juristisch berät, kritisierten am Mittwoch die Razzien gegen die Klimaschützer:innen. Die Durchsuchungen seien mit schweren Grundrechtseingriffen verbunden und richteten sich "gezielt gegen zivilgesellschaftlichen Protest", hieß es in einem Statement. "Dieser Fall verdeutlicht, dass solche Maßnahmen zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume einschränken und ein verheerendes Signal an klimapolitisch engagierte Menschen senden."
Amnesty International forderte zudem die sofortige Einstellung der Ermittlungen gegen die Letzte Generation. Es dränge sich der Verdacht auf, dass diese zu Abschreckungszwecken eingesetzt werden.
Auch aus der Politik kam teils scharfe Kritik an Polizei und Staatsanwaltschaft. So sagte Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne), er finde zwar die Proteste der Letzten Generation nicht gut. Die Kriminalisierung der Gruppe nannte er jedoch "völlig absurd".