Die Klimakatastrophe ist derzeit so deutlich zu spüren wie nie zuvor. Es herrschen extreme Wetterverhältnisse weltweit. Dürren, Stürme und Hitzewellen nehmen in ihrer Häufigkeit zu. Letztere suchen derzeit vor allem Europa heim. In Süditalien kommt es die ganze Woche immer wieder zu Temperaturen von 40 Grad und mehr. Auf Sardinien sind für Sonntag 47 Grad vorhergesagt, für Montag kommender Woche sogar 48 Grad. Der vergangene Sommer war in Europa der heißeste seit Jahrzehnten. 2023 könnte gleichziehen – oder diesen Rekord sogar noch toppen.
Klar ist: Die Welt wird sich nach UN-Angaben auf zunehmend intensive Hitzewellen vorbereiten müssen. Auch Deutschland muss handeln. Hier könnte ein Blick nach Südeuropa helfen.
Bei sengender Hitze zu arbeiten ist nicht nur anstrengend, sondern mitunter sogar gefährlich. Besonders für Berufsgruppen, die der Hitze teils ungeschützt und unter körperlicher Betätigung ausgesetzt sind. Aber auch in allen anderen Berufen kann die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit stark unter den hohen Temperaturen leiden.
Aus diesem Grund werden in Deutschland dieser Tage zunehmend Forderungen nach der Siesta-Arbeitszeit laut. Vor allem Mediziner:innen befürworten die Idee. Aufgebracht hatte die Debatte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen. Er sagte am Dienstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND):
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterstützt die Forderung: "Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag", schrieb er am Dienstag auf Twitter. "Das sollten aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln." Medizinisch sei eine solche Maßnahme "sicher für viele Berufe sinnvoll".
Eine Arbeitsweise, die in Ländern wie Spanien und Italien längst zum Alltag gehört. Dort sind intensives Arbeiten in den Morgenstunden und Mittagspausen von bis zu drei, vier oder mehr Stunden normal. Ob dies in Deutschland bei der breiten Bevölkerung aber auf Zuspruch stoßen würde, ist fraglich.
Kritiker:innen plädieren eher für allgemein flexiblere Arbeitszeiten. So auch die Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann. Sie findet: Unternehmen sollten eher auf Modelle wie Vertrauensarbeits- und Gleitzeit setzen. Diese böten ohnehin die Möglichkeit – sofern vom Arbeitsablauf her möglich –, an heißen Tagen bereits früh mit der Arbeit zu beginnen.
In Sachen Arbeit könnte sich noch mehr verändern. So wird sich mit der zunehmenden Hitze auch an vielen Arbeitsplätzen in Sachen Kleiderordnung etwas tun. Es brauche "leichtere Kleidung, auch wenn die Kleiderordnung im Büro das nicht erlaubt", sagt Nießen.
Und: Arbeitgeber werden künftig vermehrt Hitze-Gefährdungsbeurteilungen erstellen müssen. "Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten vor Hitze schützen – Arbeit bei Hitze ist für Beschäftigte belastend und gefährdet im schlimmsten Fall ihre Gesundheit", sagte Anja Piel vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Ein Teil der Maßnahmen gegen die Hitze ist die Schaffung von Erholungsoasen mit viel Grün – vor allem in Städten. In Ländern wie Spanien und Italien geht es bei sengender Hitze entweder ins Wasser oder in schattige Bereiche. Zumindest, falls es in den eigenen vier Wänden oder im Büro zu warm wird.
"Das Pflanzen von Bäumen in Städten kann nicht nur die Belastung durch klimaschädliche Emissionen verringern, sondern sich auch positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken", sagt etwa Alessandro Miani, der Präsident der Italienischen Gesellschaft für Umweltmedizin (Sima) gegenüber "Rai News". Er setzt sich für die Schaffung von mehr Grünflächen in dem Land ein.
Denn: Bebaute Flächen und Fassaden speichern Wärme. Ohne genug Grün und Wasser entstehen Hitzeinseln. So müssen wohl Städte zunehmend auch hierzulande umdenken und mehr Natur integrieren.
Aber: Die Anpassung der urbanen Räume an die zunehmende Hitze werde sicherlich dauern, sagt etwa Jens Hasse vom Deutschen Institut für Urbanistik gegenüber der "tagesschau". Die Städte müssten hier schneller handeln. Für bessere Abkühlung benötige es mehr Grünflächen mit klimaresilienten Bäumen sowie mehr Dach- und Fassadenbegrünung. Aber auch die Schaffung von Wasserspielen, Teichen und künstlichen Bachläufen sei hier von Bedeutung. "Mit Wasser kann man Verdunstungskühle erzeugen und somit Kühlungspunkte für die Bevölkerung", sagt er.
Als Übergangslösung können hier zusätzliche Verschattungselemente im öffentlichen Raum Kühlung versprechen. Etwa durch Sonnensegel, die über Straßen oder Plätze gespannt werden.
Wer in besonders heißen Regionen unterwegs ist, dem fällt womöglich auf: Gebäude sind dort vor allem in hellen Farben gehalten. Dafür gibt es auch einen Grund. Bekanntlich heizen sich dunklere Materialien eher auf. Hier müsse man beim Bau umdenken, findet Hasse.
Auf Materialien, die Wärme lange speichern, müsse man künftig auch in Deutschland vermehrt verzichten. Dazu gehören etwa dicker Naturstein, schwarze Ziegel, schwarzer Asphalt. "Das heißt im Umkehrschluss: Es braucht helle Farben, helle Materialien, die nicht wie verspiegelte Glasfassaden stark zurückstrahlen und den öffentlichen Raum aufheizen", sagt der Urbansitik-Experte.
Eine kürzlich vom Institute of Global Health (Isglobal) in Barcelona in "Nature Medicine" veröffentlichte Studie schätzt die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund der Hitzewelle des vergangenen Sommers auf 61.672 in 35 europäischen Ländern.
Im Blick des Hitzeschutzplans, den Karl Lauterbach derzeit vorantreibt, steht vor allem der Schutz von besonders anfälligen Personengruppen im Vordergrund. Er sagte bei der Verkündung des Vorhabens im Juni:
Dazu gehören auch die Warnungen vor Beginn von Hitzewellen. Genutzt werden könnten hier Radio, Fernsehen oder Benachrichtigungen per Handy. Denkbar sei auch, Menschen direkt über Pflegedienste anzusprechen. In Italien diskutiert man derzeit darüber, wie man Menschen besser über das geeignete Verhalten aufklären kann. Hier sollen unter anderem Apotheken eine Anlaufstelle sein. Das könnte auch ein Modell sein, über das Deutschland bald spricht. Denn: Aufklärung über Hitzegefahren und Sensibilisierungsarbeit ist eines der großen Ziele des Hitzeschutzplans.
Dass die Bevölkerung Bescheid weiß, ist fundamental. Grundsätzlich kann jeder einzelne etwas tun, um sich selbst und andere vor der Hitze zu schützen. Dazu gehören Maßnahmen wie die Vermeidung von zu viel körperlicher Tätigkeit während der heißesten Stunden des Tages, genug Flüssigkeitszufuhr und das eigene Zuhause sowie sich selbst vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen.
Kommt die Hitze mit all seiner Wucht, sind immer mehr Menschen dazu gezwungen, eben jene Maßnahmen zu beachten. Das Leben in Deutschland wird sich künftig dem von südeuropäischen Ländern wohl etwas annähern.