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Greta Thunberg: Klima-Aktivistin macht Politikern schwere Vorwürfe

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Seit Jahren setzt sich die Fridays-for-Future-Aktivistin Greta Thunberg für mehr Klimaschutz ein – dass Politiker:innen dies tun werden, daran glaubt sie nicht mehr.Bild: imago images
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Greta Thunberg macht Politikern schwere Vorwürfe: "Vertrauen missbraucht"

21.10.2022, 14:0421.10.2022, 14:21
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Die Welt befindet sich in einem Ausnahmezustand: "Die Klima- und Umweltkrise ist die größte Bedrohung, die die Menschheit je erlebt hat."

Mit diesem Satz eröffnet Fridays-for-Future-Aktivistin Greta Thunberg ihren Gastbeitrag im Online-Magazin "The New Statesman". 20 der 21 wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1850 sind in diesem Jahrhundert zu verzeichnen. Die Zahl der Überschwemmungen weltweit ist seit 1950 um das 15-fache gestiegen, die Zahl der Waldbrände um das Siebenfache.

"Die Natur wird verwüstet: Wir erleben ein rapides Artensterben und die Zerstörung ganzer Ökosysteme."
Klimaaktivistin Greta Thunberg

Man gehe davon aus, schreibt Greta, dass bis zu fünf Millionen Menschen jährlich aufgrund der außergewöhnlich heißen oder kalten Temperaturen sterben würden. "Die Natur wird verwüstet: Wir erleben ein rapides Artensterben und die Zerstörung ganzer Ökosysteme."

Und das gelte nicht nur für die Generationen, die nach uns kämen – sondern auch für uns.

Bei gleichbleibenden Emissionen reißen wir das 1,5-Grad-Ziel in dieser Dekade

Im IPCC-Bericht hätten Forschende gewarnt, dass wir die 1,5-Grad-Marke bei den derzeitigen Emissionen noch binnen dieser Dekade reißen würden. Und das, betont Greta, sei der Punkt, an dem das Risiko einer unumkehrbaren Klimakatastrophe mit schwerwiegenden Folgen deutlich zunehme.

"Die führenden Politiker der Welt leugnen die existenzielle Bedrohung, verzögern aktiv den Wandel und lenken die Wählerschaft ab."
Klimaaktivistin Greta Thunberg

Und dennoch: "Die führenden Politiker der Welt leugnen die existenzielle Bedrohung, verzögern aktiv den Wandel und lenken die Wählerschaft ab", kritisiert Greta. "Anstatt sich zusammenzuschließen, um die Krise zu bekämpfen, zersplittert die Weltgemeinschaft, während Kriege geführt werden und Großmächte um die Kontrolle über knappe Ressourcen und Territorien kämpfen."

Als Initiator der industriellen Revolution und brutaler Kolonisator trage Großbritannien Greta zufolge eine besondere Verantwortung, in der Klimakrise eine moralische politische Führungsrolle zu übernehmen. Doch das passiere nicht, ganz im Gegenteil sogar. Die an diesem Donnerstag zurückgetretene Premierministerin Liz Truss hätte stattdessen "Wachstum, Wachstum, Wachstum" gefordert. "Aber was bedeutet das, wenn es die Wirtschaft gegen Mensch, Natur und Klima ausspielt?", fragt Greta.

Die Klimakrise und Energiekrise werden gegeneinander ausgespielt

Schon vor dem Amtsantritt der scheidenden Premierministerin Liz Truss seien die gesetzlich verankerten Verpflichtungen, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, "beängstigend unzureichend" gewesen, "aber die derzeitige Regierung scheint sie ganz und gar über Bord geworfen zu haben", schreibt Greta zum Zeitpunkt, als Truss noch nicht zurückgetreten war.

"Aber nichts ist sicher in einer Welt, die von zunehmender Hitze, Feuer und Überschwemmungen heimgesucht wird."
Klimaaktivistin Greta Thunberg

Wie viele weitere Länder auch, rechtfertigt Großbritannien seine politischen Entscheidungen angesichts der "kriminellen Invasion" Russlands in die Ukraine mit der nationalen Sicherheit. "Aber nichts ist sicher in einer Welt, die von zunehmender Hitze, Feuer und Überschwemmungen heimgesucht wird", betont Greta. Vielmehr zeige der Krieg in der Ukraine, dass die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nicht nur zur Aufrechterhaltung autoritärer Regime beiträgt, sondern auch Expansionsbestrebungen von Moskau bis zum Golf finanziere.

Greta ergänzt:

"Je länger die Welt den Übergang zu den erneuerbaren Energien hinauszögert, desto größer wird die Klimakatastrophe sein, die wir in den kommenden Jahren erleben werden, und desto mehr werden die Despoten und Autokraten gedeihen."

Und trotz der Folgen der Klimakrise nehmen die weltweiten Treibhausgasemissionen weiter zu. Die Ölförderung steige rasant, die Energiekonzerne würden weiter "himmelhohe Gewinne" einfahren, während unzählige Menschen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen könnten.

"Die notwendigen Veränderungen, um die schlimmsten Folgen zu vermeiden, sind nicht in Sicht."
Klimaaktivistin Greta Thunberg

"Die notwendigen Veränderungen, um die schlimmsten Folgen zu vermeiden, sind nicht in Sicht", schreibt Greta. Schon heute, bei einer Erwärmung von "nur" 1,2 Grad würden Menschen vertrieben und verlören ihr Leben und ihre Existenzgrundlage. Übersteigen wir aber die 1,5-Grad-Grenze, wie jüngste Studien zeigen, laufen wir Gefahr, irreversible Kipppunkte zu überschreiten, "die menschliches Leid in unvorstellbarem Ausmaß nach sich ziehen werden".

Die Ärmsten sind am meisten von Folgen der Klimakrise bedroht

Laut einem Bericht, der kürzlich im Magazin "Nature Sustainability" erschienen ist, waren die wohlhabendsten zehn Prozent der Weltbevölkerung für 48 Prozent aller im Jahr 2019 verursachten Emissionen verantwortlich. Unterdessen seien die untersten 50 Prozent lediglich für zwölf Prozent der Emissionen verantwortlich.

"Wir alle müssen mehr tun, um zu erklären, zu informieren und aufzuklären. Öffentlicher Druck kann einen tiefgreifenden Wandel bewirken."
Klimaaktivistin Greta Thunberg

Das ist unfair.

Doch die Industrieländer schaffen es, wie Greta schreibt, nicht einmal, die 100 Milliarden Dollar bereitzustellen, die sie den ärmeren Ländern ab 2020 jährlich zur Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen aufgrund der Klimakrise versprochen hatten.

Greta ist maßlos enttäuscht und sagt:

"Wir sollten uns von der Illusion verabschieden, dass unsere Politiker den Planeten Erde retten werden, vor allem diejenigen, die sich gern als Klimaschützer bezeichnen. Immer wieder haben sie das in sie gesetzte Vertrauen missbraucht – mit Greenwashing und als Politik getarnten PR-Strategien."

Doch auch, wenn sich Greta manchmal wie ein "broken record" fühle, (Anmerkung der Redaktion: eine kaputte Schallplatte), die immer und immer wieder das Gleiche wiederhole, dürften wir nicht verzweifeln. "Die Art und Weise, wie wir die Klima- und Umweltkrise betrachten und über sie sprechen, hat sich verändert." Eine kritische Masse von vor allem jüngeren Menschen fordere einen Wandel, der das Zögern, Leugnen und die Selbstgefälligkeit der Politiker, die uns erst in diese Ausnahmesituation geführt hätten, nicht länger toleriere. "Ich glaube an die Demokratie und an die Kraft der kollektiven Weisheit", sagt Greta.

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Noch sei es nicht zu spät. Und wir alle hätten die Pflicht, so vielen Menschen wie möglich dabei zu helfen, die katastrophale Lage zu verstehen. "Wir alle müssen mehr tun, um zu erklären, zu informieren und aufzuklären. Öffentlicher Druck kann einen tiefgreifenden Wandel bewirken."

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