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Segeln um die Welt: Familie erlebt Ozean-Zerstörung durch die Klimakrise hautnah

Auf ihrer Weltumsegelung macht die Familie immer wieder neue Bekanntschaften: Hier hat Meeresbiologin Sonja eine Schildkröte gesehen.
Auf ihrer Weltumsegelung macht die Familie immer wieder neue Bekanntschaften: Hier hat Meeresbiologin Sonja eine Schildkröte gesehen. bild: privat
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Zu Hause in den Ozeanen: Familie umsegelt Welt und erlebt Klimakrise hautnah

25.02.2023, 15:4128.02.2023, 18:48
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Die Liebe und Verbundenheit zum Meer, all das begann für Tom Puchner wohl mit einem Buch von Burghard Pieske – einem der bekanntesten deutschen Weltumsegler und Abenteurer. In seinen Büchern erzählt der Lübecker von spektakulären Expeditionen und seiner Zeit auf den Weltmeeren. Tom war zwölf Jahre alt, als er seine Bücher las und zu dem Schluss kam: Das will ich auch.

2014, 26 Jahre später, ist dieser Traum Wirklichkeit geworden. Gemeinsam mit seiner Frau Sonja Napetschnig und ihrem Sohn Keanu segelt die Familie seit nunmehr neun Jahren um die Welt. Gut 60.000 Seemeilen, also knapp über 110.000 Kilometer, haben sie seitdem zurückgelegt.

Sie bewundern die Schönheit der Unterwasserwelt. Und sie sehen dabei zu, wie die bunte Schönheit zunehmend der Tristheit weicht.

Sonja Napetschnig ist von einem Schwarm Fische umgeben.
Sonja Napetschnig ist von einem Schwarm Fische umgeben.bild: privat

Weil die Korallen bleichen.

Weil zahlreichen Fischen der Lebensraum genommen wird.

"Wir Menschen haben die Lebensräume und Lebensgemeinschaften der Meere schon jetzt gefährlich verändert."
Tom Puchner

Weil die Populationen von Raubfischen zusammenbrechen.

Weil die Meere versauern.

Durch die vielerorts einsetzende Korallenbleiche geht der Lebensraum für eine Vielzahl an Fischen verloren.
Durch die vielerorts einsetzende Korallenbleiche geht der Lebensraum für eine Vielzahl an Fischen verloren.bild: privat

"Wir Menschen haben die Lebensräume und Lebensgemeinschaften der Meere schon jetzt gefährlich verändert", sagt Tom Puchner gegenüber watson.

Das können Sonja und Tom nicht nur beobachten, sie kennen auch die wissenschaftlichen Fakten. Denn beide sind Meeresbiolog:innen.

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Im Einklang mit der Natur leben

Die sich wandelnde Natur war auch ein Mitgrund ihrer Entscheidung, das Familienleben auf ihr Segelboot "Pakia Tea" zu verlegen. Es ist der Versuch, so naturnah und autark wie nur möglich zu leben.

Gekauft hatten Sonja und Tom das kleine Schiff bereits 2009 in Thailand. Seit 2014 leben sie auf ihrem Boot und segeln in die Weite der Welt hinaus. Nach Thailand, nach Chargos inmitten des Indischen Ozeans, in die Lagunen in Französisch Polynesien.

Die "Pakia Tea" ist zum Zuhause der dreiköpfigen Familie geworden – mit einem immer anderen Ausblick.
Die "Pakia Tea" ist zum Zuhause der dreiköpfigen Familie geworden – mit einem immer anderen Ausblick.bild: privat

"Die Bedrohung und Zerstörung von Meereslebensräumen ist für uns realer geworden", sagt Tom. Er ergänzt: "Zuhause vor dem Bildschirm sieht und liest man viel über all die Probleme, die es auf der Welt so gibt und denkt sich: 'Auweia, das ist alles so schlimm – aber was soll ich schon tun?' Und geht zur Tagesordnung über."

Bei Tom, Sonja und Keanu ist das anders, wie sie erzählen:

"Wir sehen jeden Tag algenüberwachsene Riffe, wo eigentlich lebendige Korallenstöcke voller Fische sein sollten. Wir sehen, wie Haie in Fischfallen geraten, obwohl sie eigentlich geschützt sind oder wie die natürlichen Büsche auf kleinen Inseln niedergebrannt und brütende Seevögel vertrieben werden, um Platz für Kokospalmen zu machen."

Dementsprechend groß war zu Beginn ihrer Reise auch das Auf und Ab zwischen Optimismus auf der einen, und Verzweiflung auf der anderen Seite. "Als Biologen fällt uns das wahrscheinlich mehr auf als anderen Besuchern, weil wir wissen, wie sich all die kleinen Eingriffe in der Natur summieren. Dann noch wärmeres und saureres Wasser durch die Klimakrise obendrauf – und die Lebensgemeinschaften brechen zusammen", erklärt Tom.

Zuhause inmitten der Ozeane

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Zuhause inmitten der Ozeane
Das Segelschiff "Pakia Tea" ist seit neun Jahren das Zuhause der österreichischen Meeresbiologen Sonja und Tom sowie ihres Sohnes Keanu.
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Ihrem Sohn Keanu wollen die Meeresbiolog:innen zeigen, wie vielfältig und schön die Welt ist, wie halbwegs intakte Lebensräume aussehen und funktionieren. So sei es beispielsweise wichtig zu lernen, dass Raubtiere in der Natur eine wichtige Rolle spielen – und Teil eines intakten Ökosystems sind. Dass das Meer in einem Schutzgebiet kein Spielplatz sei – und man lernen müsse, sich entsprechend zu verhalten, die Umgebung aktiv wahrzunehmen und große Tiere richtig einzuschätzen. Und dass permanente Schutzgebiete die wirksamste Methode sind, damit sich die Meere erholen können.

Ein Alltag im Paradies

Auch wenn das Leben von Tom, Sonja und Keanu nach einem endlos langen Urlaub klingt – das ist es nicht. "Es ist nicht möglich, den Alltag hinter sich zu lassen – man tauscht ihn bloß gegen eine andere Art von Alltag aus", erzählt Sonja. Denn egal, was man tut – die Routinen und Gewohnheiten, sie kommen trotzdem. "Das macht aber nichts, wir lieben unseren Alltag."

"Wenn ein Wal neben dem Boot auftaucht, oder wir Mantas im Wasser entdecken, werden die Schule und unsere Arbeiten am Boot auch mal verschoben und ins Wasser gehüpft."
Tom Puchner

Von montags bis freitags muss Keanu in die "Schule", das heißt: Vom Frühstück bis zum Mittagessen wird gebüffelt. Tom und Sonja erledigen währenddessen Boots- und Haushaltsarbeiten.

Von morgens bis mittags muss Keanu für die Schule lernen.
Von morgens bis mittags muss Keanu für die Schule lernen.bild: privat

Erst nach dem Mittagessen kann die Familie die Freiheiten eines Lebens auf dem Wasser genießen: Sie unternehmen Ausflüge oder Schnorchelgänge, Keanu trifft andere Kinder zum Spielen. Eine Besonderheit gibt es aber doch: "Wenn mal ein Wal neben dem Boot auftaucht, oder wir Mantas im Wasser entdecken, werden die Schule und unsere Arbeiten am Boot gern auch mal verschoben und ins Wasser gehüpft", erzählt Tom.

Momente wie diese erlebt die Familie viele. Auch und vor allem, weil sie den Meerestieren ihren Raum geben, sie nicht bedrängen. Einmal etwa, hat ein Manta-Weibchen auf den Tuamotus (Inselgruppe bei Französisch-Polynesien) "Freundschaft" mit ihnen geschlossen, ist über mehrere Tage hinweg zur "Pakia Tea" zurückgekehrt und mit der Familie geschwommen, wenn sie im Wasser war.

Ein Manta-Weibchen hat Vertrauen zu Sonja geschlossen und gleitet ganz nah an sie heran.
Ein Manta-Weibchen hat Vertrauen zu Sonja geschlossen und gleitet ganz nah an sie heran.bild: privat

Ein weiteres Mal hat eine Buckelwal-Mutter mit ihrem Kalb einige Tage direkt neben ihrem verankerten Boot verbracht. Wann immer die Familie schnorcheln ging, begleiteten die Tiere sie und kamen ganz nah an sie heran. "So etwas passiert nicht oft", sagt Tom. Er ergänzt:

"Wir erzwingen nie etwas und drängen uns nicht auf. Wir halten Abstand und lassen die Tiere zu uns kommen, wenn sie wollen. Wir füttern oder ködern niemals Wildtiere und berühren sie auch nie."

Wie wir Menschen unsere Erde noch vor uns selbst schützen können

Dieses Verhalten will die Familie weitertragen. So bringen Sonja und Tom allem voran Segler:innen durch Vorträge und persönliche Gespräche nahe, umweltschonend und im Einklang mit der Natur unterwegs zu sein. Sie unterstützen Projekte zur Forschung an Manta-Rochen und Monitorings von Korallenriffen. Und immer mal wieder nehmen sie auch Menschen mit an Bord ihrer "Pakia Tea", segeln mit ihnen an ferne Orte und zeigen ihnen die Ozeane mit ihren schützenswerten Lebensräumen.

Dass die Ozeane geschützt und die Klimakrise gestoppt werden muss, dafür setzen sich die Meeresbiolog:innen mit voller Kraft ein. Tom erklärt:

"Wir müssen begreifen, dass unsere wunderbare, blaugrüne Kugel mit dem kleinen Häutchen Luft darüber wie ein Raumschiff in der Todeszone Weltall ist. Im Moment töten wir die Besatzung – die Artenvielfalt der Lebewesen – und sabotieren das Lebenserhaltungssystem: die Ökosysteme."

Die Folgen dieser Zerstörung zeigen sich nur langsam, zeitverzögert. "Wir Menschen sind aber sehr schlecht darin, Veränderungen über mehrere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte wahrzunehmen", ergänzt er. Deshalb seien unser Bauchgefühl und der gesunde Menschenverstand schlechte Ratgeber – "man braucht Wissenschaft mit belastbaren Zahlen und Fakten".

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