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Vegan-Kolumne: "Nur wer eine Sau abstechen könnte, sollte sie auch essen dürfen"

Viele essen Fleisch nur mit Genuss, wenn es nicht mehr nach dem Tier aussieht, aus dem es gemacht wurde. Unsere Kolumnistin findet das falsch.
Viele essen Fleisch nur mit Genuss, wenn es nicht mehr nach dem Tier aussieht, aus dem es gemacht wurde. Unsere Kolumnistin findet das falsch.Bild: Cultura RF / Janie Airey
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Veganerin: "Nur wer eine Sau abstechen könnte, sollte sie auch essen dürfen"

"As vegan as possible" – die watson-Kolumne zu vegetarischem und veganen Leben
03.12.2020, 11:1912.01.2021, 09:26
theresa schwab
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Als ich anfing, mich vegan zu ernähren, interessierte sich eine Freundin für meine Beweggründe. Ich erzählte von schockierenden Undercover-Videos, die Haltungsformen und Umgangsweisen mit Tieren zeigten. Sie unterbrach mich: "Hör auf, das will ich gar nicht hören, sonst schmeckt es mir nicht mehr." Es ist wohl menschliches Verhalten, die Augen zu verschließen, um sich möglichst wenig zu belasten. Aber irgendwie ist es auch krank.

Denn das bedeutet: Solange wir etwas nicht wissen, existiert es nicht und wir müssen kein schlechtes Gewissen haben. Doch in dem Moment, in dem wir vollständig informiert sind, finden wir es so schlimm, dass wir es nicht mehr übers Herz bringen, diese Zustände zu unterstützen. Heißt: Ich möchte die Information, dass dieses Schwein furchtbar gequält wurde, nicht erhalten, damit ich beim Schnitzelessen denken darf, es sei ihm gut gegangen.

Warum ticken wir Menschen so? Warum können wir selbst einem Tier kein Leid zufügen, essen aber das Stück Fleisch, wenn es ein anderer tut? Und warum finden wir es ok, Schweine zu essen aber niemals Hunde? Über die psychologischen Mechanismen hat Melanie Joy, Professorin für Psychologie und Soziologie, ein Buch geschrieben. Anhand dieser Lektüre und meiner eigenen Erfahrungen möchte ich versuchen, die genannten Fragen zu analysieren und zu beantworten.

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grafik: emmy lupin studio
Über die Autorin
As vegan as possible – das beschreibt Theresa Schwab am besten. In ihrer Kolumne berichtet die freie Journalistin über positive Erkenntnisse, über Anstrengungen und darüber, warum es okay ist, manchmal im Alltag an einem nicht-tierischen Lebensstil zu scheitern.

Joy zitiert in ihrem Buch Paul McCartney: "Wenn Schlachthöfe Wände aus Glas hätten, wäre jeder Vegetarier." Und trotzdem bin ich überzeugt, dass jeder, der mit offenen Augen und Ohren durchs Leben geht, inzwischen mitbekommen hat, dass unser Fleischkonsum keinesfalls durch kleine Bauernhöfe gedeckt werden kann, die wenige Tiere in einem artgerechten System auf der Weide halten. Der Großteil kommt von Massentierhaltungsbetrieben. Schlachthäuser und Fleischfabriken verarbeiten die Tiere weiter. Wir ahnen, dass hier brutale Dinge passieren, wollen es aber nicht so genau wissen.

Fleischessen ist normal und natürlich – oder?

Dieses Phänomen des unbewussten Wissens beschreibt Joy als Struktur aller gewalttätigen Ideologien. Wie wir uns rechtfertigen, wenn wir Tiere zwar mögen, sie aber trotzdem essen? Mit den "drei Ns": Fleischessen sei normal, natürlich und notwendig – die Rechtfertigung für jegliches System der Ausbeutung. Sie schreibt: "Diese drei Ns sind in unserem gesellschaftlichen Bewusstsein so tief verwurzelt, dass sie unser Handeln steuern, ohne dass wir überhaupt darüber nachdenken müssen."

Und genau das ist der springende Punkt: "Diese Rechtfertigungen lenken nicht nur unser Handeln, sie lindern auch das moralische Unbehagen, das wir beim Fleischessen sonst möglicherweise empfinden würden." Mit diesen "geistigen und emotionalen Scheuklappen" fühlen wir uns weniger schuldig. Das kann ich nur bestätigen: Nach vielen Jahren Salami-Frühstückspausebroten, die meine Eltern mir mitgaben, habe ich weder die Butter noch die Wurst infrage gestellt.

"Keiner von ihnen könnte einem Tier etwas antun. Indem sie aber später den Braten essen, akzeptieren sie, dass Betreiber, Mitarbeiter und Schlachter den Tieren Leid zufügen."

Bei uns wurde darüber gesprochen, dass man Wurst und Fleisch beim Metzger kauft und nicht im Supermarkt, aber nie darüber, ob es notwendig und für mich in Ordnung sei, dass für mein Essen ein Tier getötet wurde. Es war normal, natürlich und lecker, also scheinbar notwendig. Dementsprechend habe ich das Verhalten, tierische Produkte zu konsumieren, jahrelang fortgeführt.

Viele meiner Freunde und Familienmitglieder, die weder Vegetarier noch Veganer sind, lieben Tiere. Einige sind richtig verrückt nach ihnen und empfinden bereits beim Anblick von Tierbildern oder Videos starke Emotionen. Sie kraulen unseren Hund, reden mit ihm und bemitleiden ihn, wenn er während eines Café-Besuchs im Auto bleiben muss. Keiner von ihnen möchte, dass einem Tier etwas Schmerzhaftes widerfährt. Und keiner von ihnen könnte einem Tier etwas antun. Indem sie aber später den Braten essen, akzeptieren sie, dass Betreiber, Mitarbeiter und Schlachter den Tieren Leid zufügen – bis hin zum Tötungsprozess.

Am Fließband zu töten, hinterlässt Spuren

Metzger waren mir schon als Kind suspekt, da sie oft etwas Grobschlächtiges an sich hatten. Ihre mit Blut verschmierten Schürzen wirkten abstoßend. Doch wie sieht es hinter den Mauern eines Schlachthofs aus, in dem im Drei-Sekundentakt ein Tier getötet wird? Melanie Joy schreibt ausführlich über weitere Opfer des Systems, die Arbeiter in Tier- und Fleischfabriken.

Das Töten am Fließband hinterlasse oft psychische und physische Verletzungen. Fleischverarbeitung zähle von allen industriellen Tätigkeiten zu den gefährlichsten und gewalttätigsten. Ein Job, den wir verabscheuen, fast schon verurteilen und der nötig ist, damit wir einen Burger bestellen können – egal ob bei McDonald's oder einer hippen Edel-Burger-Kette.

"Wer in der Lage wäre, eine Sau abzustechen und auseinanderzusägen, weil er es weder grausam noch ekelerregend fände, der sollte sie auch essen dürfen."

Das Gedankenspiel ist einfach: Wer in der Lage wäre, eine Sau abzustechen und auseinanderzusägen, weil er es weder grausam noch ekelerregend fände, der sollte sie auch essen dürfen. Wer nicht, sollte die Scheuklappen ablegen und seine persönliche Konsequenz daraus ziehen.

Ein weiterer Grund, warum es vielen so leicht fällt, tierische Produkte zu konsumieren, ist die Anonymität des Ursprungs. Joy benennt es als "Entindividualisierung, das Tier als Abstraktion". Schweine in einem Massentierhaltungsbetrieb sind für uns abstrakt, ohne jegliche Bindung.

Fleisch soll möglichst wenig nach Tier aussehen

Anders war das bei Bekannten von mir, die selbst Hühner hatten. Ursprünglich waren diese dazu gedacht, ihnen Eier zu liefern und am Ende als Suppenhuhn im Topf zu landen. Doch mit jedem weiteren Monat bauten die Besitzer eine enge Beziehung zu ihnen auf: Sie gaben ihnen Namen, sie beobachteten ihr individuelles Verhalten innerhalb der Gruppe, sie waren fasziniert von der Persönlichkeit eines jeden einzelnen Huhns. Sie bereiteten täglich das Futter aus Küchenabfällen und Essensresten für sie zu und fanden heraus, dass manche Hühner in den Arm genommen und gestreichelt werden wollten. Als die Tiere aufgrund ihres Alters aufhörten, Eier zu legen, brachten sie es nicht übers Herz, sie umzubringen. Und so setzen sie die Hühner einfach im nahegelegenen Wald aus.

Genau das ist der Grund, weshalb wir keine Hunde essen würden. Selbst wer keinen eigenen Hund besitzt, sieht dieses Tier in der Kategorie Haustier. Joy schreibt, es liege daran, dass wir Tiere unterschiedlich wahrnehmen. Wir unterscheiden sogar nach niedlich (Kaninchen) und weniger süß (Puten). Andere Menschen verzichten auf Tiere, die sie für intelligent erachten (Oktopus), haben aber kein Problem, ein "dummes Huhn" zu essen.

Was ich vor allem unter Frauen beobachtet habe: Ein Stück Fleisch soll möglichst wenig nach Tier aussehen. Ich habe Freundinnen, die den Geruch in Metzgereien widerlich finden, die das Zubereiten von rohem Fleisch ekelt und die ein zu kurz gebratenes Steak, aus dem Blut herausläuft, sofort zurückgehen lassen. Einige essen sogar ausschließlich weißes Fleisch. Also bitte kein Fisch mit Augen, keine Schweinefüße, kein Hühnerherz. Kurz: Je weniger ein Stück Fleisch an ein ursprüngliches Lebewesen erinnert, desto besser.

Melanie Joy zeigt auf, dass Empathie die Grundlage unseres Moralempfindens bildet und Ekel ein moralisches Gefühl ist. Je mehr Empathie wir für ein Tier empfinden desto unmoralischer und ekelerregender empfinden wir es also, dieses Tier zu essen.

Wie können wir nun dieses System durchbrechen, das von unserer Irrationalität und Ignoranz geprägt ist? Indem wir den Mut finden, uns einzugestehen, dass wir Teil des Systems sind. Indem wir uns auf unser Mitgefühl besinnen, das übrigens angeboren ist. Und indem wir uns moralisch für eine Seite entscheiden. Große Worte – dessen bin ich mir bewusst. Doch wie wäre es als erster Schritt, den tierischen Konsum einfach nur einzuschränken?

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