Nachhaltigkeit
watson-Kolumne

Vegane Ernährung: Wie mich ein schockierendes Video zur Veganerin machte

Young woman buying vegetables and fruits at market model released Symbolfoto DCRF00484
Schokolade, Leder, Kerzen, Honig – alles nicht vegan. Darauf zu verzichten, fällt nicht immer leicht.Bild: www.imago-images.de / Alexandra C. Ribeiro
watson-Kolumne

Mit 31 änderte ich mein Leben: Wie mich ein schockierendes Video zur Veganerin machte

"As vegan as possible" – die watson-Kolumne zu vegetarischem und veganen Leben
20.11.2020, 09:1212.01.2021, 09:27
theresa schwab
Mehr «Nachhaltigkeit»

Tiere waren mir immer suspekt. Ich liebte Fleisch und Vegetarier fand ich anstrengend. Ein Paris-Besuch ohne Tartar – undenkbar. In München zählte das Theresa, ein Steak-Restaurant, zu meinen Favoriten. Trüffel-Salami, Weißwurstfrühstück, Lachs-Avocado-Rolls, Mango Chicken Curry? Her damit! Selbst das Bewusstsein, dass für ein Kalbsschnitzel bereits ein Kälbchen getötet wird, war mir egal, weil Tiere nichts in mir auslösten – oder nur negatives. Vor Hunden hatte ich Angst, Tauben fand ich eklig, Bienen nervig. Hühner, Schweine und Kühe kamen in meinem Leben nicht vor, höchstens als Kulisse beim Wandern.

Doch dann sind zwei Dinge passiert, die viel verändert haben: Zum einen gab ich dem tiefen Wunsch meines Partners nach, sich einen Hund zuzulegen. Ganz automatisch baute ich Stück für Stück eine Bindung zu ihm auf. War er krank, sorgte ich mich um ihn. Versuchte er sich zu uns ins Hotelbett zu kuscheln, wurde ich weich. Litt er während unseres Urlaubs in der Hundepension, brachte ich ihn bei Familienmitgliedern unter. Ich bin überzeugt, dass dieser Hund die Basis für mein veganes Leben legte. Denn ich nahm zum ersten Mal wahr, wie sensibel dieses Tier ist, wie sozial es tickt und wie sehr es leiden kann.

Bild
grafik: emmy lupin studio
Über die Autorin
As vegan as possible – das beschreibt Theresa Schwab am besten. In ihrer Kolumne berichtet die freie Journalistin über positive Erkenntnisse, über Anstrengungen und darüber, warum es okay ist, manchmal im Alltag an einem nicht-tierischen Lebensstil zu scheitern.

Der eigentliche Auslöser, vegan zu leben, kam aber erst zwei Jahre später, als ich auf einer Nachrichtenseite zufällig einen Artikel über ein französisches Schlachthaus sah. Das Video, in dem sich eine Kuh mit jeglicher ihr verfügbarer Kraft vor der Tötungsbox wehrte und anschließend brutal misshandelt wurde, sitzt für immer fest in meinem Kopf. Ich fing an zu recherchieren, las mich durch Bücher und wurde immer geschockter.

Darüber, dass Tiere auf so engem Raum und in Dunkelheit gehalten werden, dass sie sich nicht einmal drehen können. Darüber, dass intelligenten Wesen mit Familiensinn ihre sozialen Strukturen verweigert werden, darüber, dass ihnen durch maximale Ertragseffizienz unglaubliche Wunden und Schmerzen zugefügt werden. Und darüber, dass Tiere kurz vor ihrem Ende Todesängste ausstehen, um ihr Leben schreien und nicht selten das Schlachten bei vollem Bewusstsein miterleben.

"Ich, die in einem Dorf groß geworden war und noch als Kind beim Bauern frische Milch geholt hatte, wusste nicht, dass Kühe nur dann Milch geben, wenn sie ein Kalb geboren haben."

Fleisch schmeckt noch immer lecker

Schockiert war ich auch über mich selbst, darüber, dass mir so vieles nicht klar gewesen war. Ich, die in einem Dorf groß geworden war und noch als Kind beim Bauern frische Milch geholt hatte, wusste nicht, dass Kühe nur dann Milch geben, wenn sie ein Kalb geboren haben. Ich hatte nie darüber nachgedacht, was mit männlichen Küken passieren würde, die später logischerweise keine Eier legen (sie werden lebendig geschreddert).

All die Bilder, Videos, Hintergründe und Analysen, mit denen ich mich ein Jahr lang beschäftigte, haben mein Denken nachhaltig verändert. Ich finde Fleisch noch immer nicht eklig und äußerst lecker im Geschmack. Trotzdem fällt es mir leicht, wenn Freunde neben mir ein perfektes Medium Rare Steak mit grobem Meersalz und Pfeffer essen. Weil eben dieses nicht zu essen für mich kein Verzicht darstellt, sondern Überzeugung ist. Ich möchte nicht, dass für mich ein anderes Lebewesen Qualen erleidet.

Neben dem Tierleid gibt es natürlich noch weitere Gründe, warum Menschen zu Veganern werden, darunter Umwelt- und Klimaschutz sowie gesunde Ernährung. Menschen, die ihre Blutwerte erst mit einer pflanzlichen Ernährung wieder in den Griff bekommen oder all diejenigen, die die Auswirkungen der Massentierhaltung auf unsere Erde nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren können – ganz egal, welcher Faktor einen persönlich triggert, alles ist in Ordnung. Jeder kleine Beitrag hilft.

Womit wir beim Knackpunkt wären: Wie schaffe ich es, vegan zu leben, ohne mich selbst zu geißeln? Vegan bedeutet eben nicht nur kein Fleisch oder Fisch, sondern auch kein Käse, keine Milch, keine Eier, keine Butter, kein Honig. Dazu kommt der Verzicht auf Leder-Accessoires, Wolle, Kaschmir, Daunenbettdecken. Auf Bienenwachskerzen, herkömmliche Gummibärchen, Schokolade. Wer tiefer einsteigt, erkennt, dass ein Großteil der Kosmetikprodukte Abfälle der Fleischindustrie enthalten. Selbst zur Klärung von Saft oder Wein wird Gelatine verwendet. Chips? Kommt ganz auf die Sorte an!

Setzt euch mit der Realität auseinander!

Irgendwann erreichte ich einen Punkt, an dem ich mich fragte, was überhaupt noch möglich war. All die Traditionen und Rituale, die ich abändern, loslassen oder akzeptieren musste. Seit Jahren trafen wir uns beispielsweise im November mit Freunden zum Gansessen. Ein Frühstücksei gehörte für mich zu einem gemütlichen Sonntagsbrunch unbedingt dazu. Und Sushi-Boxen vom Lieblings-Japaner waren meine persönliche Belohnung für besonders anstrengende Tage.

"Es braucht regelmäßig schockierende Berichterstattung, um die Thematik präsent zu halten."

Es gab immer wieder Situationen, in denen ich keine Zeit, keinen Elan oder keine Nerven hatte, um die vegane Variante durchzuziehen. Ich wurde Mutter, ich war eingeladen oder in Restaurants, in denen ich lediglich die Beilage hätte essen können. Zu Beginn haderte ich sehr mit mir und meinem schlechten Gewissen. Inzwischen sehe ich einiges entspannter: Bringt meine Schwiegermutter Eier von ihren Hühnern aus dem Garten mit, genieße ich sie. Mein Kleiderschrank ist keinesfalls komplett vegan. Und ich verweigere kein Getränk aus einer Glasflasche, auch wenn das Etikett mit einem Klebstoff aufgeklebt wurde, der garantiert Milchproteine enthält. Mein Motto? As vegan as possible.

Und trotzdem habe ich festgestellt: Es braucht regelmäßig schockierende Berichterstattungen, um die Thematik präsent zu halten. Grausame Bilder, Zahlen und Fakten im Kopf, die jedes Mal aufploppen. Genau deshalb trudeln Newsletter sämtlicher Tierschutzorganisationen in meinem Email-Postfach ein, und ich zwinge mich, jeden einzelnen zu lesen und jedes Video anzuklicken. Auch wenn's mir danach schlecht geht.

Mit dieser Kolumne möchte ich dazu aufrufen, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Wer tierische Produkte konsumiert, muss auch aushalten können, wie sie zustande kommen. Und gleichzeitig möchte ich den Druck rausnehmen, ein konsequentes und perfektes, veganes Lebens führen zu müssen. Denn eines weiß ich am besten: The struggle is real.

Asiatische Hornisse breitet sich in Deutschland aus: Experten streiten über Gefahr für Menschen

Durch Globalisierung und den Klimawandel breiten sich viele Tierarten, die ursprünglich nur in bestimmten Regionen und Kontinenten der Erde vorkamen, zunehmend global aus. Das kann in vielen Fällen zum Problem werden, da das ökologische Gleichgewicht durch neue Arten gestört werden kann. Heißt konkret: Breitet sich eine invasive Tierart an einem neuen Ort aus, kann sie dadurch heimische Arten verdrängen – etwa weil sich Nahrungsketten verändern.

Zur Story