Schon zum zweiten Mal innerhalb der Pandemie-Jahre lässt sich eine starke Veränderung im Kaufverhalten der Menschen in Deutschland bezüglich Bio-Lebensmitteln erkennen: Zwischen März und November 2020 stieg der Umsatz von Bio-Produkten um rund 24 Prozent, wie aus dem BÖLW-Branchenreport hervorgeht – mit dem Beginn der Pandemie änderten die Leute also auch ihr Kaufverhalten . Jetzt, im Sommer 2022, sieht die Welt ganz anders aus.
Wie der Bundesverband Naturkost Naturwaren der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, verkauften Bioläden und Biosupermärkte in den ersten drei Monaten dieses Jahres deutlich weniger Ware als im Vorjahreszeitraum. Überraschend ist diese Entwicklung angesichts der hohen Inflation nicht. Zahlreiche Lebensmittel sind teurer geworden – besonders frisches Obst und Gemüse, aber auch Brot, Butter, Milch und Fleisch.
Für Lebensmittel in Bio-Qualität tiefer in die Tasche zu greifen, ist für viele Menschen nicht mehr so selbstverständlich wie noch vor zwei Jahren.
Aber: Bei welchen Produkten lohnt es sich tatsächlich, den Aufpreis für das Bio-Siegel zu zahlen? watson hat mit einer Ernährungsexperten und einer Expertin für Agrarpolitik genau über dieses Thema gesprochen.
Ein Grund, der dafür spricht, weiterhin Lebensmittel in Bio-Qualität zu kaufen, ist die Pestizid-Belastung. Zwar ist in Deutschland genau geregelt, wie Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen, Rückstände davon finden sich in Obst, Gemüse, Getreide und Produkten tierischer Herkunft aber trotzdem.
Die Verbraucherzentrale weist allerdings darauf hin, dass die entsprechenden Grenzwerte bei einigen Lebensmitteln immer wieder überschritten werden. Das gilt vor allem für schnell verderbliche Obst- und Gemüsesorten wie Beeren, Birnen, Tomaten oder Paprika. Kohl, Kartoffeln oder Möhren enthalten dagegen weniger Pestizide.
Wie das Ökomonitoring 2020 zeigt, sind Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft weniger stark belastet. Ernährungsexperten Astrid Donalies erklärt gegenüber watson, dass das daran liege, dass auf den Gebrauch von chemisch-synthetischem Düngemittel im Öko-Landbau verzichtet wird.
Daraus ergeben sich Vorteile sowohl für die Umwelt als auch für die Tiere: "Der Verzicht von Pestiziden trägt zu einer geringeren Umweltbelastung und einer positiven Artenvielfalt bei. Auch die Tiere profitieren von einer biologischen Landwirtschaft, da weniger Antibiotika verwendet werden und auf eine artgerechte Tierhaltung geachtet wird."
Das alles trage dazu bei, dass im Endprodukt, das wir im Supermarkt kaufen, weniger Schadstoffe und Rückstände enthalten sind. Dass das Bio-Produkt immer auch die gesündere Wahl ist, könne man allerdings nicht pauschal sagen.
Dass Bio-Lebensmittel in der Herstellung umweltfreundlicher sind als konventionelle, ist keine Überraschung. Doch wie sieht es mit dem Geschmack aus? Schmecken Bio-Produkte wirklich anders beziehungsweise besser als herkömmliche Produkte?
Bei Blindverkostungen, wie sie die Stiftung Warentest macht, lässt sich die Bio-Qualität nicht herausschmecken. Das Fazit aus 44 Tests: Bio-Produkte schmecken genauso gut wie konventionelle. Bei Kartoffel-Chips waren die Bio-Produkte sogar klare Geschmacksverlierer.
Laut der Süddeutschen Zeitung gilt es als wissenschaftlich bewiesen, "dass Bio-Gemüse, das auf gesundem Böden wächst und länger reift, nicht nur mehr Vitamine und Mineralstoffe enthält, sondern auch ein komplexeres Geschmacksbild hat als Gemüse aus herkömmlicher Landwirtschaft". Auf diesen Aspekt wiesen aber weder Astrid Donalies, noch Katrin Wenz, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Agrarpolitik beim BUND beschäftigt ist, hin.
Für Katrin Wenz ist die Frage danach, wann es sich lohnt, für Bio-Produkte tiefer in die Tasche zu greifen, schnell beantwortet: "Es lohnt sich immer."
Nicht nur die deutliche geringere Pesitizidbelastung spielt für Wenz eine Rolle. "Ökologisch wirtschaftende Betriebe zielen darauf ab, einen möglichst geschlossenen betrieblichen Nährstoffkreislauf zu erreichen", erklärt sie. "Futter- und Nährstoffgrundlage soll der eigene Betrieb sein. Sie erhalten die Bodenfruchtbarkeit und die Tiere werden besonders artgemäß gehalten. Egal ob es um Eier, Milch oder Fleisch geht."
Zudem erhalte und schone der Ökolandbau die natürlichen Ressourcen und habe somit deutlich weniger negative Auswirkungen auf die Umwelt. Wenz weist beispielsweise darauf hin, dass ökologische Landbaumethoden am besten an die Klimakrise angepasst sind und weniger Emissionen produzieren.
Entscheiden wir uns im Supermarkt also für das Bio-Produkt, unterstützen wir damit nicht nur die umweltschonendere Anbauweise, sondern führen auch unserem Körper deutlich geringere Schadstoffmengen zu.
Da in der EU oft strengere Pestizid-Vorgaben gelten als in Nicht-EU-Ländern, ist es bereits ein guter Schritt, konventionelle Obst und Gemüse aus EU-Ländern zu kaufen und bei Importware aus anderen Ländern auf Bio-Qualität zu setzen. Am besten für den eigenen Geldbeutel und den Planeten ist es zudem, regionale und saisonale Lebensmittel zu kaufen.