Was wir essen, hat direkte Auswirkungen auf die Umwelt: Ob Käse oder Kichererbsen, ob Kuh- oder Hafermilch, ob Äpfel aus Neuseeland oder aus der Region. Wie genau sich der Konsum unserer Lebensmittel auf unseren CO2-Fußabdruck auswirkt, ist gut erforscht.
Welchen Einfluss wir mit unserer Lebensweise aber auf die biologische Artenvielfalt haben, das hat eine Studie der Umweltorganisation WWF nun erstmals genauer unter die Lupe genommen.
Das Ergebnis: Den mit Abstand größten Anteil an unserem Biodiversitätsfußabdruck haben mit 77 Prozent tierische Erzeugnisse wie Fleisch, Wurst, Butter und Käse. Das bedeutet, dass der Genuss dieser Lebensmittel am schädlichsten für die biologische Artenvielfalt ist. Pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Getreide oder Nüsse machen hingegen nur 23 Prozent unseres Fußabdrucks aus.
Sich gleich komplett vegan zu ernähren, müsse aber nicht sein: "Bereits mit weniger tierischen Erzeugnissen im Ernährungsmix sinkt der biologische Fußabdruck", sagt Wiebke Elbe, Sprecherin des WWF, gegenüber watson.
Schon bei einer flexitarischen Ernährung könne man seinen Biodiversitätsfußabdruck um 25 Prozent reduzieren, bei einer vegetarischen Ernährung um ganze 59 Prozent. Mit nur 63 Prozent gegenüber der veganen Lebensweise ist der Unterschied zur vegetarischen damit eher gering.
Negativ zu Buche schlägt eine Ernährung mit tierischen Erzeugnissen vor allem aufgrund des großen Flächenbedarfs, der zum Anbau der Futtermittel benötigt wird: "Für unsere derzeitigen Ernährungsgewohnheiten in Deutschland werden fast 90 Prozent der Futtermittel – das sind 10,9 Millionen Hektar – auf Ackerland erzeugt und nur zwölf Prozent auf Grünland", so Elbe weiter. Allein der Mais, Soja und Weizen, der zu Futtermitteln für die Tierzucht verarbeitet wird, benötigt so eine Fläche von knapp sieben Millionen Hektar.
Die WWF-Studie berücksichtigt aber nicht nur, wie sehr unsere Ernährung die biologische Artenvielfalt reduziert, sondern auch die Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission für eine planetarisch-kulinarische Ernährung, die gleichermaßen gesund und umweltfreundlich sein soll. Denn laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) essen wir nicht nur zu viel Fleisch, sondern auch zu viele Kalorien generell.
Was aber sollten wir stattdessen essen? Die Empfehlungen der Wissenschaft sind hier eindeutig: Mehr Gemüse, mehr Obst, mehr Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Bohnen und Linsen, mehr Nüsse. So kann der tägliche Proteinbedarf statt durch tierische Eiweißquellen durch pflanzliche ersetzt werden.
Die Umstellung zur "Planetary Health Diet" setzt neben der weltweiten Halbierung von Fleisch aber auch die Halbierung unseres Zuckerkonsums voraus. Auch Weißmehlerzeugnisse sowie hochverarbeitete Lebensmittel sollten wir möglichst von unserem Speiseplan streichen. Das tut nicht nur der Gesundheit, sondern auch dem Planeten gut.
"Es würde signifikant weniger Fläche für den Anbau von Futtermitteln benötigt", sagt Elbe. Stattdessen könne der Platz für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden, die für den direkten menschlichen Verzehr verwendet werden, wie beispielsweise Getreide für Brot oder Haferflocken.
Auch bliebe dann mehr Platz für den ökologischen Landbau, der aufgrund der wegfallenden chemischen Düngemittel weniger Ertrag erbringt, zugleich aber umweltschonender ist. Sie ergänzt: "Bleiben wir bei den bestehenden Ernährungsmustern, dann befeuern wir nicht nur weiter den Verlust an biologischer Vielfalt und den Klimawandel, sondern gefährden auch unsere Ernährungssicherheit."
Dass die Artenvielfalt aufgrund der strukturellen Veränderungen natürlicher Lebensräume immer weiter zurückgeht, bestätigt auch Philipp Semenchuk von der Universität Wien. Gemeinsam mit Kollegen verschiedener Universitäten und Institute hat Semenchuk kürzlich eine Studie darüber herausgebracht, welche Konsequenzen die immer intensivere Landnutzung auf die Biodiversität hat.
Gegenüber watson sagt er:
Ob biologisch genutzte Flächen auch einen positiven Effekt auf die Artenvielfalt hätten, ließe sich laut Semenchuk pauschal aber nicht sagen. "Tendenziell könnte man sagen, dass auf Flächen, welche biologisch genutzt werden, etwas mehr Arten vorkommen können, als auf konventionell genutzten Flächen – mit den möglichen Kosten eines geringeren Ertrags und daher höheren Flächenverbrauchs." Bedeutet: Die Bio-Landwirtschaft bietet nur dann die Chance auf höhere Artenzahlen, wenn die Landwirte die Fläche geschickt nutzen.
Doch aufgrund der Nahrungsmittelknappheit durch den Krieg in der Ukraine rückt eine Umstellung der Agrarwirtschaft in weite Ferne. Im Gegenteil: Immer mehr Stimmen aus der Landwirtschaft fordern, dass künftig nicht mehr 20 Prozent der Anbauflächen biologisch bewirtschaftet und zehn Prozent als ökologisches Brachland stillgelegt werden sollten – um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Auf eine Anfrage an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erklärte Sprecherin Marion Kinzinger gegenüber watson, dass es trotz allem nicht geplant sei, Maßnahmen zum Schutz einer klimagerechten Landwirtschaft – und damit dem Schutz der Artenvielfalt – auszusetzen.
Kinzinger ergänzt:
Denn der Verlust der biologischen Artenvielfalt stellt neben der Klimakrise die größte Umweltbedrohung für uns dar. Schon jetzt warnt der Weltbiodiversitätsrat (IPBES), dass rund eine Million Tier- und Pflanzenarten in wenigen Jahrzehnten aussterben könnten. Mit gravierenden Folgen für uns Menschen.
Hermann Färber (CDU), Vorsitzender im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, vertritt eine andere Meinung.
Gegenüber watson sagt er:
Dennoch erklärt auch Färber, dass der Krieg die Wichtigkeit gesunder Ökosysteme noch einmal verdeutlicht hätte. "Ernährungssicherheit bedarf funktionsfähiger Ökosysteme. Und dazu muss unsere Produktion eine hohe Flächenproduktivität aufweisen und unsere Ernährung ökologisch verträglich sein."
Weil eine Reduktion von Treibhausgasen in der Landwirtschaft verhältnismäßig schwierig sei, pocht Färber auf einen respektvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit Lebensmitteln. Es könne nicht sein, dass allein in Deutschland jährlich rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll landen, während Menschen andernorts hungern würden. Auch der Konsum regionaler und heimischer Produkte würde der Umwelt, und damit der Biodiversität, zugute kommen – durch kürzere Transportwege und weniger Verpackungsmüll.