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Vegan essen und Aktivismus: 5 junge Menschen verraten, wie sie nachhaltig leben

Students rally at the White House during Fridays for Future’s Earth Day climate strike. Demonstrators demanded that the Biden Administration cease investment in and construction of fossil fuel infra ...
Dass wir aufgrund der Klimakrise ein Problem haben, ist den meisten jungen Menschen bewusst. Wie sie Nachhaltigkeit leben, hat watson bei fünf jungen Erwachsenen nachgefragt. Bild: NurPhoto / Allison Bailey
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Vegan essen, ÖPNV, Aktivismus: Fünf junge Menschen verraten, wie sie nachhaltig leben

01.11.2022, 18:1101.11.2022, 18:12
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Ihre Mission: Die Welt retten, oder zumindest ein Stück weit besser machen. Viele Jugendliche und junge Erwachsene kämpfen darum, die Erderwärmung zu begrenzen und haben Nachhaltigkeit fest in ihrem Leben verankert.

Rund 1200 von ihnen aus ganz Deutschland haben sich jetzt, schon vor der Weltklimakonferenz COP27 in Scharm el-Scheich (6. bis 18. November), ein Wochenende lang auf der jungen Klimakonferenz LCOY (Local Conferences of Youth) in Lüneburg getroffen, um gemeinsam an Lösungen gegen die Klimakrise zu arbeiten.

Was genau Nachhaltigkeit für sie bedeutet und wann sie das erste Mal realisiert haben, dass wir aufgrund der Folgen der Klimakrise ein Problem haben, hat watson bei ihnen nachgefragt.

"Ohne Engagement kann es nicht funktionieren"

Frithjof (19) will unbedingt etwas dafür tun, um die Erderwärmung auf möglichst unter zwei Grad zu begrenzen.
Frithjof (19) will unbedingt etwas dafür tun, um die Erderwärmung auf möglichst unter zwei Grad zu begrenzen.bild: watson / josephine andreoli

"Die Klimakrise ist das zentrale Problem unserer Zukunft – sie beeinflusst ja unser gesamtes Zusammenleben", sagt Frithjof. Er ist 19 Jahre alt und kommt aus Lüneburg.

"Da hat es bei mir 'Klick' gemacht und mir ist klar geworden: Ohne Engagement kann es nicht funktionieren."
Klimaaktivist Frithjof

Dass die Menschheit ein Problem hat, ist ihm so richtig im Sommer 2021 klar geworden. "Damals war ich für einen Schüleraustausch in Kanada und es war 49 Grad heiß, alles hat angefangen zu brennen – und das so weit im Norden. Da hat es bei mir 'Klick' gemacht und mir ist klar geworden: Ohne Engagement kann es nicht funktionieren."

Zwar war das Klima für ihn seit 2019, als Fridays for Future groß wurde, ein Thema. Aber nach seinem Schüleraustausch in Kanada krempelt er sein Leben um: Er wird Mitglied bei der Grünen Jugend, bringt sich mehr und mehr bei Fridays for Future ein. Das Auto nutzt er höchstens dann, wenn er seine Oma auf dem Land besucht, ansonsten erledigt er alles mit dem Fahrrad. "Außerdem ernähre ich mich größtenteils vegan", erzählt er. Zwar mache er ab und an eine Ausnahme, aber das sei für ihn in Ordnung. Wichtig ist: Aufs große Ganze kommt es an.

Von schmelzenden Gletschern zum Klima-Aha

Nina und Annika sind das erste Mal auf der LCOY.
Nina und Annika sind das erste Mal auf der LCOY.bild: watson / josephine andreoli

Seit 2019 studiert Nina, 22 Jahre alt, Rechtswissenschaften und Nachhaltigkeitsrecht an der Leuphana Universität in Lüneburg. Die Uni ist bekannt dafür, einen Schwerpunkt auf die Themen Nachhaltigkeit und Klima zu legen. "Dadurch ist das Thema auch bei mir immer präsenter geworden", erzählt Nina im Gespräch mit watson.

"Das hat schon ein merkwürdiges Gefühl in einem ausgelöst. Meine allgemeine Einstellung hat sich komplett verändert."
LCOY-Teilnehmerin Nina

Ihren Aha-Effekt aber hatte sie bereits früher, als sie nach dem Abi für einige Zeit rund um den Globus reiste. "In Neuseeland bin ich auf einen Gletscher gewandert, wo kenntlich gemacht wurde, bis wohin dieser früher einmal reichte", sagt sie. War der Gletscher früher einmal riesig, war zum damaligen Zeitpunkt nur noch ein Bruchteil des Gletschereises übrig – Tendenz sinkend. "Das hat schon ein merkwürdiges Gefühl in einem ausgelöst." Dazu kam noch das riesige Müll-Problem, das Nina allem voran in Thailand beobachten konnte.

Ihre Lebenseinstellung haben diese Erlebnisse nachträglich beeinflusst. War Nina früher schon Vegetarierin, ernährt sie sich seitdem hauptsächlich vegan. Das Reisen mit dem Flugzeug hat sie gänzlich aus ihrem Leben verbannt und auch Auto fährt sie nicht. Bevor sie sich neue Dinge anschafft, überlegt sie genau, ob sie diese auch wirklich braucht. "Meine allgemeine Einstellung hat sich komplett verändert."

Ernährung, Umwelt und Klima hängen eng zusammen

Als Annika 17 Jahre alt war, fängt sie an, sich genauer mit dem Thema Veganismus auseinanderzusetzen. "Nachdem ich mich eingelesen hatte, habe ich das ausprobiert und festgestellt, dass unsere Ernährung einen riesigen Einfluss auf die Umwelt und das Klima hat."

"Man merkt schon schnell, dass man als einzelne Person nicht so viel ausrichten kann. Trotzdem sollte man versuchen, einen kleinen Beitrag zu leisten."
LCOY-Teilnehmerin Annika

Um selbst etwas bewegen zu können, fängt Annika an, Umweltwissenschaften zu studieren. Sie wird Mitglied bei den Grünen, auch wenn sie nicht allzu aktiv ist. "Man merkt schon schnell, dass man als einzelne Person nicht so viel ausrichten kann", sagt sie. "Trotzdem sollte man versuchen, einen kleinen Beitrag zu leisten."

Vieles ergibt sich bei ihr von selbst: Sie fährt kein Auto, fliegt nicht, ernährt sich vegan und konsumiert nicht mehr so unbedacht. "Manchmal gerate ich da schon an meine Grenzen, aber ich gebe mein Bestes."

Wenn die Heimat langsam, aber sicher im Meer versinkt

Paul muss inzwischen um sein Zuhause fürchten, das früher als später im Meer versinken wird.
Paul muss inzwischen um sein Zuhause fürchten, das früher als später im Meer versinken wird. bild: watson

Der Meeresspiegel steigt langsam, Jahr für Jahr. Dass sein Zuhause dem Meer zum Opfer fallen wird, weiß Paul, 21, aber schon seit der Grundschule. Damals hatte er mit seiner Klasse einen Ausflug gemacht und erfahren, dass die Insel Hiddensee, spätestens um 2100 verschwunden sein würde. Verschluckt von den Wellen. Mittlerweile, sagt Paul, könnte es 2030 sein. Wenn nicht neue Deichschutzsysteme gebaut würden.

"Aber wenn ich auf Hiddensee bin, mache ich meist Witze, dass wir so langsam mal einen Bootssteg in unseren Garten bauen sollten."
LCOY-Besucher Paul

Paul selbst ist früh von dort weggezogen, wohnt jetzt für sein Studium in Lüneburg. Oft besucht er seine Eltern nicht. "Aber wenn ich da bin, mache ich meist Witze, dass wir so langsam mal einen Bootssteg in unseren Garten bauen sollten." Auf sein untergehendes Zuhause reagiert er mit Zynismus und Sarkasmus, wundert sich manchmal über seine Eltern. "Ich finde, man sollte sich dem Ganzen schon stellen, man kann das ja nicht einfach ignorieren", sagt er. Dementsprechend froh ist er darüber, dass seine Mutter aktiv geworden ist. Um die Insel vor dem Untergang zu bewahren.

Die Folgen der Klimakrise spürt Paul so am eigenen Leib. "Manchmal habe ich natürlich schon Angst, aber ich versuche immer, nach Optionen zu gucken, wie sich doch noch etwas ändern lässt."

Deswegen engagiert er sich bei Fridays for Future. Und auch er lebt vegetarisch, fährt kein Auto und fliegt nicht mehr.

Wenn Klimaschutz zum Schulfach wird

Johanna hat sich schon früh mit der Klimakrise und Klimaschutz auseinandergesetzt.
Johanna hat sich schon früh mit der Klimakrise und Klimaschutz auseinandergesetzt. bild: watson / josephine andreoli

Johanna war in der fünften Klasse, als sie über die Ernährung das erste Mal auch über das Klima nachdenkt: "Ich habe mich genauer damit auseinandergesetzt und hatte den Wunsch, kein Fleisch mehr zu essen." Sie isst fortan zwar weniger, richtig Vegetarierin wird sie aber erst 2017.

In der achten Klasse tritt sie der Klimaschutz-AG ihrer Schule bei, organisiert Workshops und Projektwochen zum Thema Mülltrennung und Klimaschutz. Mittlerweile gibt es sogar ein Klimaschutzschulfach an ihrer Schule, angestoßen durch die AG.

"Ich bin ein ziemlich optimistischer Mensch und tue alles dafür, meine Ausgangslage dafür zu nutzen, zu neuen Lösungen beizutragen."
LCOY-Teilnehmerin Johanna

"Ich bin ein ziemlich optimistischer Mensch und tue alles dafür, meine Ausgangslage dafür zu nutzen, zu neuen Lösungen beizutragen", sagt Johanna im Gespräch mit watson. Deswegen studiert sie Umweltwissenschaften, versucht aber auch, ihren eigenen Alltag möglichst nachhaltig zu gestalten: Durch die vegetarische Ernährung, durch ihre Mobilitätsnutzung, durch bedachten Konsum – "ich repariere lieber, als dass ich etwas Neues kaufe".

Unfaires Deutschlandticket: Das sind die größten Verlierer

Kaum ein Thema im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) hat die Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahren so beschäftigt wie das Deutschlandticket. Witze über ständige Verspätungen und Streiks einmal ausgenommen. Die revolutionäre Idee hinter dem Ticket: Ein einheitlicher Preis von 49 Euro, der im ÖPNV in ganz Deutschland gilt. Ganz ohne kleinteilige Tarifsysteme.

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