Vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammeln sich am Montag, 15. Januar, Tausende von Menschen.Bild: www.imago-images.de / imago images
Vor Ort
15.01.2024, 16:5115.01.2024, 18:06
Seit Wochen werden Deutschlands Straßen von Traktoren blockiert. Die Landwirt:innen sind sauer. Geplante Sparmaßnahmen der Ampel-Regierung trieben sie überall im Land zum Protest auf die Straße.
Die bundesweite Protestwoche der Landwirtschaftsbranche gipfelt mit einer Demonstration am Brandenburger Tor. Tausende Landwirt:innen aus ganz Deutschland versammeln sich an diesem 15. Januar zu einer Kundgebung gegen die geplanten Kürzungen beim Diesel und die Agrarpolitik der Bundesregierung.
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Die Traktoren auf der Straße des 17. Juni und auch auf der Straße Unter den Linden stehen Stoßstange an Stoßstange: Die Polizei spricht bereits am frühen Vormittag von 5000 Fahrzeugen vor Ort und ungefähr 8500 Teilnehmer:innen.
Die Straße Unter den Linden wurde vorübergehend zum Traktor-Parkplatz.bild: watson / julia jannaschk
Viele Landwirt:innen sitzen kurz vor der Versammlung um 11:30 Uhr noch in den warmen Kabinen ihrer Traktoren. Wärmen sich auf, bevor es hinaus in den schneidend-kalten Wind geht. Umso näher man an den Kern der Kundgebung, direkt hinter dem Brandenburger Tor, gelangt, desto aufgeheizter wird die Stimmung.
So protestierten die Landwirte
Einige Menschen stehen sogar auf bereitgestellten Dixi-Toiletten und rufen aus Protest lautstark im Chor: "Wir haben die Schnauze voll! Wir haben die Schnauze voll!" Die Gesichter der Protestierenden ringsum: Entschlossen und wütend.
Kreativer Protest auf Dixi-Toiletten.bild: watson / julia jannaschk
Immer wieder erschallen ohrenbetäubend laute Martinshörner, Hupen und Sirenen. Auch viele große Plakate und Banner sind an den Traktoren angebracht oder werden hochgehalten, mit teils witzigen, teils frustrierten Aufschriften des Protests. Zum Beispiel: "Ohne Landwirtschaft wärst du hungrig, nackt und nüchtern."
Die Landwirt:innen demonstrierten auch mit humorvollen Schildern. bild: watson / julia jannaschk
Obwohl die Politik in den vergangenen Tagen auf einige Forderungen der Landwirt:innen eingegangen ist, ziehen die Protestierenden durch: Die finanziellen Hilfen für den Agrardiesel sollen nun nicht sofort, sondern erst bis 2026 schrittweise abgeschafft werden. Und auch die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge wird bleiben. Doch das reicht den wütenden Landwirt:innen nicht.
Die Ampel-Koalition müsse für "kostendeckende Erzeuger- und faire Bodenpreise" sorgen sowie die Bäuerinnen und Bauern beim anstehenden Umbau der Tierhaltung und bei einer umweltgerechten Landnutzung ausreichend unterstützen, erklären die Organisatoren des Agrarbündnisses "Wir haben es satt!".
Landwirtschaftsminister Özdemir will mit "Bauern-Soli" beschwichtigen
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wirbt nun öffentlich für eine Tierwohlabgabe: Die Einnahmen aus den Steuern auf tierische Lebensmittel sollen dazu dienen, die Landwirt:innen beim Umbau ihrer Ställe zu unterstützen. Im Gespräch ist die Abgabe seit 2020 immer wieder.
"Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können – so, wie es doch alle verlangen", führt Özdemir gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" den sogenannten "Bauern-Soli" weiter aus. Er erklärt: "Wer es wirklich ernst meint mit einer zukunftsfesten Landwirtschaft, muss da endlich springen." Und obwohl der Bauern-Soli die Lebensmittel für die Endkonsument:innen teurer machen würde, kommt die Idee in der Mitte der Gesellschaft ganz gut an. Erst am Sonntag hatte der Bürgerrat für Ernährung im Wandel diesen Vorschlag ebenfalls gemacht.
"Bauern-Soli": Das halten Landwirte davon
Einige Frauen aus Mittelfranken auf dem Weg zur Demo halten nicht viel von der geplanten Tierwohlabgabe. Sie tragen, wie so viele vor Ort, gelbe Warnwesten mit der Aufschrift "Ohne uns kein Essen" auf dem Rücken. Während sie an diesem Montag demonstrieren seien, würden ihre Männer zu Hause den Hof schmeißen, sagen sie. Die Idee, einen "Bauern-Soli" einzuführen, begeistert sie wenig:
"Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ist natürlich gut gemeint, doch wir glauben nicht, dass dadurch das Problem in der Landwirtschaft gelöst würde. Natürlich wäre es ein wichtiger Schritt, dass Konsumenten bereit sind, für gute Fleischqualität und Tierhaltung mehr Geld zu zahlen. Doch am Ende würde wahrscheinlich nur die Nachfrage sinken, da die Produkte noch teurer würden."
Martina, eine junge Landwirtin aus dem Süden, meint: "Die Idee ist zwar 'lieb' gemeint, verschiebt allerdings nur die Wut, da Lebensmittel dadurch teurer werden. Somit belastet es den Konsumenten, der ohnehin bereits über zu hohe Lebensmittelpreise klagt."
Auf vielen Plakaten wurden Neuwahlen gefordert und Kritik an der Ampel geäußert.bild: watson / julia jannaschk
Landwirt will neue Regierung und Sicherheit für heimische Versorgung
Der Sinneswandel müsse nicht von der Politik ausgehen, sondern von den Konsument:innen. Diese müssten umdenken, "indem sie von selbst bereit sind, 'mehr' für heimische Lebensmittel zu bezahlen und auf billige Auslandsware zu verzichten". Danach könnte die Politik die Preise anheben. "Solange diese Wertschätzung gegenüber heimischer Landwirtschaft nicht besteht, müssen Ausgleichszulagen (AZ), also Förderungen, ausbezahlt werden", sagt die Landwirtin.
Der Protest der Landwirte: Einige nahmen es mit Humor.bild: watson / julia jannaschk
Ihr Vorschlag ist stattdessen: Den "ununterbrochenen Import von Waren" verminderter Qualität zu stoppen, die innerhalb des Landes verfügbar sind. Es wäre ihrer Meinung nach besser, nur gleichwertige Produkte einzuliefern. Sie ergänzt:
"Ich denke hier an Tierwohlstandards. Kein Wunder, dass ausländische Ware günstiger weiterverkauft werden kann, wenn sie zu niedrigeren Standards produziert wird. Gäbe es hierbei ein gleiches Niveau, wäre der Preisunterschied kaum zu spüren und die heimische Landwirtschaft hätte wieder eine Chance!"
Ein Milchbauer aus dem Allgäu reagiert stinksauer auf den Vorschlag von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir: "Es geht hier um unsere Existenz, und um die Existenz vieler anderer landwirtschaftlicher Betriebe. Und Özdemir kommt uns da mit so einer Tierwohlabgabe."
Generell habe er ja nichts gegen eine Tierwohlabgabe: "Natürlich wäre es gut, wenn wir genug Geld hätten, um den Tieren bessere Bedingungen zu bieten." Doch das ändere nichts an den Problemen der Landwirtschaft: "Aber das hilft ja nichts, wenn wir den Diesel nicht mehr zahlen können, um aufs Feld zu fahren und die Felder zu bestellen. Nein, wir brauchen eine neue Regierung, die Verständnis hat für unser Anliegen: die sichere Versorgung des Landes mit heimischen Lebensmitteln."
Man kann von Bayern halten, was man will. Manche sind begeistert von der Natur, von München, lieben eines der hiesigen Fußballteams und die deftige Küche; andere finden es spießig, verachten das Land wegen des Oktoberfests und kritisieren (mal mehr, mal weniger zurecht) leidenschaftlich die Landesregierung. In einer Sache ist Bayern jedoch definitiv ein Vorbild: Photovoltaik.