Vier Lecks wurden an den Nord-Stream-Gaspipelines zwischen Russland und Deutschland in der Ostsee entdeckt. Die Sorge über die Folgen, die das austretende Gas auf die Umwelt, aber vor allem auch auf die Erderwärmung hat, wächst.
Das Umweltbundesamt (UBA) geht davon aus, dass durch die Lecks in den Pipelines über 300.000 Tonnen Methan in die Atmosphäre gelangen werden. Berechnungen des Umweltbundesamts zufolge entspricht das rund 7,5 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten.
Doch welche Folgen haben die Lecks auf die Umwelt und das Klima? watson hat für euch die wichtigsten Fragen gesammelt und recherchiert.
Die größten Gefahren durch das austretende Gas bestehen für das Klima und den Schiffsverkehr. Denn das Klimagas Methan ist 25- bis 80-mal klimaschädlicher als CO2. Diese unterschiedlichen Werte hängen mit der Dauer des Betrachtungszeitraums zusammen: Über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet ist Methan mehr als 80-mal klimaschädlicher als CO2, über 100 Jahre gesehen nur noch etwa 25-mal.
Laut Nadja Ziebarth, Meeresschutzexpertin und Leiterin des Bund-Meeresschutzbüros, hängt das mit der deutlich geringeren Verweilzeit von Methan in der Atmosphäre im Vergleich zu CO2 zusammen.
Gegenüber watson betont Ziebarth: "Der unmittelbar größte Effekt ist natürlich, dass eine wertvolle Ressource verloren geht und gleichzeitig ein Klimagas frei wird."
Auch Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), zieht gegenüber watson ein vernichtendes Fazit: "Wenn das Gas aus den Pipelines komplett in die Atmosphäre eintreten sollte, ist das ein massiver Rückschlag für den Klimaschutz."
Und damit nicht genug – auch für den Schiffsverkehr besteht ein Risiko: "Denn sobald Methan aus dem Wasser tritt und an die Oberfläche gelangt, kann es sich in Berührung mit Sauerstoff spontan entzünden", erklärt Müller-Kraenner. Ein Risiko für Schiffe. Aus diesem Grund müsse dafür gesorgt werden, dass Schiffe mit ausreichend Abstand passieren – "ansonsten könnte es zu einer Havarie kommen", wie Ziebarth warnt.
An sich ist Methan weder giftig noch wasserlöslich. Da aber unklar ist, wie sich das in den Pipelines transportierte Erdgas-Gemisch zusammensetzt, könnten durch andere Gase unbekannte Schäden entstehen. Expert:innen gehen aber davon aus, dass sich die negativen Umweltfolgen auf die Stellen begrenzen werden, wo sich die Lecks befinden.
"Akut entsteht für die Tiere am Ort der Lecks die Gefahr, zu ersticken", erklärt Meeresschutzexpertin Nadja Ziebarth. Der Expertin zufolge betrifft das vor allem Tiere, "die nicht schnell flüchten können". Im schwedischen Teil der Ostsee könnte etwa das Laichgebiet des Dorsches betroffen sein. "Das Ökosystem Ostsee ist ohnehin schon sehr stark belastet durch die Anreicherung von Nährstoffen, die Fischereibelastungen und Schadstoffe. Diese zusätzliche Belastung zwingt das Ökosystem noch tiefer in die Knie", klagt Ziebarth.
Die Expertin ergänzt:
Das Bundesumweltministerium schätzt die Folgen des Lecks als weniger schwerwiegend ein. Eine Sprecherin erklärte gegenüber watson:
Das Ministerium stehe mit Fachleuten aus Dänemark und Schweden in Kontakt.
"Jetzt ist schnellstmögliches Handeln gefragt", sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Das verbleibende Gas muss sofort aus allen Pipeline-Strängen abgepumpt werden."
Dies sei sowohl über die Anlandestation auf deutscher Seite in Lubmin, als auch über die russische Seite in St. Petersburg möglich. Da das Gas Russland gehört, stehe hier auch die russische Seite in der Pflicht. Ob Gazprom dieser Pflicht aber tatsächlich nachgehen wird, ist unklar.