Wenn man mal kurz vergisst, dass es eine Pandemie gibt, dann war 2020 ein richtig gutes Jahr für den Klimaschutz: weniger Stromverbrauch, mehr Ökostrom, weniger Flüge, weniger Treibhausgase. Aber 2020 war Corona-Jahr, weswegen die frohen CO2-Energie-Botschaften zum Jahresende mit Vorsicht zu genießen sind.
Um Deutschland wirklich auf Zielkurs zu bringen, muss sich noch viel tun – und die Umstellung von Strom aus Kohle und Gas auf Strom aus erneuerbaren Energien ist dafür eine Grundlage. Eine Reform soll dafür sorgen, dass der Ausbau Tempo aufnimmt. An diesem Donnerstag hat sie der Bundestag beschlossen, am Freitag soll der Bundesrat den Daumen heben, sodass das neue Gesetz ab 1. Januar gilt.
Diese Reform kommt nicht nur Monate später als eigentlich geplant, sie ist sogar aus Sicht der Bundesregierung längst nicht vollständig. Union und SPD haben schon angekündigt, dass es im neuen Jahr weiter gehen soll. Die Energiewirtschaft ist deswegen ebenso verstimmt wie die Umweltverbände und die Opposition.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das den Ökostrom-Ausbau in Deutschland angeschoben hat, ist 20 Jahre alt. Es gab viele Reformen, doch jetzt gibt es ein neues Problem: Die Förderung für Windräder und Solaranlagen war nur auf 20 Jahre angelegt, für die ersten ist zum Jahreswechsel Schluss. Obwohl Jahr für Jahr neue Anlagen dazukamen, ist schon lange klar, dass es fürs derzeit noch gültige Ziel – 65 Prozent Ökostrom bis 2030 – nicht schnell genug geht.
2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz, der Kohleausstieg läuft, die Zeit drängt also. Andererseits stieg die EEG-Umlage, ein Aufschlag auf die Stromrechnung zur Ökostrom-Förderung, immer weiter an.
Im Kern legt das neue Gesetz fest, wie viel Strom aus Wind an Land und auf See, aus Solaranlagen und aus Biomasse Jahr für Jahr dazukommen soll. Unternehmen können sich bewerben, wer das attraktivste Angebot macht, darf Anlagen bauen und bekommt Fördergeld. Doch es gibt viele Hindernisse – fehlende Flächen für Windräder, Protest und Klagen von Bürgerinitiativen und Naturschützern, lange Genehmigungsverfahren, viel Bürokratie. Auch da soll die Reform Abhilfe schaffen, und zudem ein regelmäßiges Monitoring einführen, sodass künftig früh gegengesteuert wird, wenn es weiterhin zu langsam vorangeht mit der Energiewende.
Das Gesetz orientiert sich am Ziel, den Ökostrom-Anteil bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern. In diesem Jahr lieferten erneuerbare Energien fast die Hälfte des Stroms. Das lag aber an der Corona-Pandemie, die den Bedarf drückte, Ökostrom hat Vorfahrt im Netz. Nun erhöht die EU ihr Klimaschutz-Ziel für 2030 – 65 Prozent scheint vielen daher zu wenig, in der Koalition vor allem der SPD. Dazu kommt, dass die Annahmen für den künftigen Strombedarf aus Sicht von Fachleuten zu niedrig liegen. Auch zur EEG-Umlage, die ab 2021 mit Hilfe von Steuergeld gesenkt wird, gibt es Redebedarf. Das soll 2021 passieren – wie weit man da im Wahlkampfjahr kommt, wird sich zeigen.
Unter anderem, indem Gemeinden Geld dafür bekommen können, dass auf ihrem Boden Windräder gebaut werden. Unternehmen können den Kommunen anbieten, ihnen 0,2 Cent pro Kilowattstunde anzubieten. Ein neuer Fußballplatz oder neue Radwege, wenn ein Windpark entsteht, das soll kritische Bürger überzeugen. Abseits der EEG-Reform soll etwa eine einheitlichere Auslegung des Naturschutzrechts helfen, Streitigkeiten besser zu klären. Geplant ist auch, dass die Gemeinden mit Windparks fast die ganze Gewerbesteuer einnehmen und die Gemeinden, in denen die Betreiber- Unternehmen ihren Sitz haben, nur noch zehn Prozent. Aber das ist bisher nur eine Willensbekundung.
Damit mehr Photovoltaik auf die Dächer kommt, wird das System der Ausschreibung beim Sonnenstrom geändert. Außerdem soll es einfacher werden, Solarzellen nicht nur auf dem eigenen Haus, sondern auch auf Mietshäusern anzubringen. Es soll günstiger werden, selbst produzierten Sonnenstrom zu verbrauchen, indem die Schwelle, ab der auf diesen Strom die EEG-Umlage fällig wird, steigt.
Bei Windrädern ist das vorrangige Ziel, die alten abzubauen und durch neue, größere und leistungsfähigere zu ersetzen. Wo das nicht geht, sollen Betreiber alter Anlagen als eine Möglichkeit pro Kilowattstunde zunächst etwas mehr als den Marktwert des Stroms bekommen. Über eine Verordnung soll für sie eine eigene, neue Förderung geschaffen werden, auf die Betreiber sich bewerben können. Ältere Solaranlagen müssen vorerst nicht mit intelligenten Stromzählern teuer aufgerüstet werden, das soll verhindern, dass ihre Betreiber sie abschalten.
Für Umweltschützer und den Handelsverband geht die EEG-Novelle lange nicht weit genug. Sie sei ein weiteres Beispiel dafür, dass die Union "beim Klimaschutz auch nur Mittelmaß erreicht", erklärte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Um das Pariser Klimaabkommen angemessen umzusetzen, müsse der Ausbau von Windenergie an Land allerdings "drastisch beschleunigt werden". Die Klima-Allianz Deutschland kritisierte den Kompromiss ebenfalls, die Chance für mehr Klimaschutz sei "größtenteils vertan" worden und das Gesamtergebnis der Novelle sei "unbefriedigend".
Der Handelsverband Deutschland kritisierte, dass der "Bürokratiedschungel" erhalten bleibe. Für den Handel seien allerdings die bürokratischen Hürden des EEG "ein wesentliches Hemmnis für den Ausbau von erneuerbaren Energien auf den Dächern von Einzelhandels- und Logistikstandorten". Der Verband forderte, die EEG-Umlage ganz abzuschaffen und die EEG-Förderung über den CO2-Preis zu regeln.
(ftk/dpa/afp)