Virtuell kann watson-Redakteur Lukas Weyell den 900er mit doppeltem Heelflip hinterher. Auf dem echten Brett hat er nicht mal nen Ollie gestanden. Bild: Screenshot / activision
Nah dran
Tony Hawk's Pro Skater: Wie ein Playstation-Spiel meine Jugend geprägt hat
Unser Autor hat sich 20 Jahre später an das Remake des Lieblingsspiels seiner Jugend gesetzt und eine Zeitreise in die 2000er gewagt.
Als ich dreizehn war, wusste ich noch nicht, wie man Texte schreibt. Mein einziger Stolz war ein Deck von Crane, einem billigen Aldi-Verschnitt von echten Skateboards, die ich mir damals nicht leisten konnte. Die Rollen waren zu dick, das Kugellager null flexibel. Tricks gingen gar nicht und wenn, dann nur schlecht. Doch das war egal. Abgesehen von Musik hören – mit Vorliebe Bad Religion und Papa Roach – gab es für mich Anfang der 2000er nur eines: Skateboard fahren und PlayStation spielen. Genauer gesagt: Tony Hawks Pro Skater 2, abgekürzt THPS2, auf der Konsole zocken.
Weil die Skateboard-Skills in der Realität nicht reichten, mussten also Rodney Mullen, Chad Muska und Bob Burnquist eben den 900er auf der zehn Meter hohen Halfpipe in Mexiko City stehen. Mit Freunden habe ich ganze Nachmittage damit verbracht, virtuelle Skateparks zu bauen und die eigenen Tricks und Skills zu perfektionieren.
Ganz schön pixelig, aber so waren die 2000er eben: Tony Hawk's Pro Skater 2.Bild: screenshot / activision
Eine ganze Jugend vor der Playstation
Im Rückblick kommt es mir so vor, als hätten meine Teenagerjahre zu großen Teilen daraus bestanden, das geheime Tape in Philadelphia zu suchen oder die Goldmedaille beim Skatecontest in Marseille zu gewinnen. Natürlich haben wir auch gegeneinander gespielt, aber ganz ehrlich, nach ein paar Monaten Übung hatte keiner meiner Freunde mehr die leiseste Chance gegen mich.
Heute, fast 20 Jahre später bin ich erwachsen – naja so halb – habe eine kleine Tochter und eigentlich keine Zeit, stundenlang vor der Playstation zu sitzen. Als es aber hieß, dass Tony Hawk's Pro Skater 1+2 neu aufgesetzt wird, musste ich das Spiel einfach ausprobieren. Und siehe da: Nach der Installation beginnt das Intro. Aus meinen Boxen dröhnt Guerilla Radio von Rage Against The Machine, ich bin wieder dreizehn und sitze verpickelt in meinem Jugendzimmer vor dem Fernseher.
Guerilla Radio von Rage Against The Machine läuft und sofort ist wieder alles wie im Jahr 2000: Das Intro von Tony Hawk's Pro Skater 1+2.Video: YouTube/THPS VIDEOS
Das Spielgefühl ist immer noch das Gleiche
Und das Spiel enttäuscht nicht: Das Spielgefühl ist immer noch das Gleiche, die Physik und das Handling, alles fühlt sich so an wie früher. Alle Tricks und Moves sind immer noch da. Und ich lande gleich bei den ersten Runden saftige Combo-Tricks mit 60.000 Punkten und mehr. Die erste Erkenntnis des Tages: Es ist wie Fahrradfahren. Tony Hawk's Pro Skater verlernt man nicht. Die Manuals zwischen den Slides, der Kickflip kurz bevor man von der Rail hüpft und die Fliptricks nach langen Airs: Ich hab es immer noch drauf.
Sogar meine merkwürdige Controllerhaltung, die ich mir damals angewöhnt habe – Zeigefinger auf Dreieck, Daumen auf dem X immer durchgedrückt und gelegentlich auf dem Kasten für Fliptricks –, ist sofort wieder da. THPS2 ist in Fleisch und Blut übergegangen und Teil meiner DNA.
Ob das bleibende Schäden hinterlässt? Nach drei Stunden Tricks üben tut es schon ein bisschen weh und wird krampfig.Bild: privat
Ob diese merkwürdige Fingerhaltung in der Wachstumsphase bleibende Schäden hinterlassen hat, kann ich bis heute nicht sagen. Nach drei Stunden Tricks üben machen sich jetzt mit Anfang 30 schon die ersten Abnutzungserscheinungen am Zeigefinger bemerkbar. Aber es ist eben wie das echte Skaten, zu geilen Tricks gehört auch die eine oder andere gebrochene Rippe und aufgeplatzte Schürfwunde – also im übertragenden Sinne.
Die Tricks sind immer noch absurd unrealistisch, aber das trübt den Spielspaß kein bisschen.screenshot / activision
Grafisch aufpoliert
Auch wenn das Gameplay immer noch genau wie früher ist, mit all seinen Macken und Schönheiten, die Grafik rechtfertigt die Neuauflage des Klassikers. Anfang der 2000er war gerade der Beginn der DVD-Technik und Freunde haben mir so manchen – vielleicht auch nicht ganz legal kopierten – Blockbuster auf DVD ausgeliehen.
Mit Tony Hawk's Pro Skater 1+2 ist jetzt aber auch das Skate-Spiel im HD und Netflix-Zeitalter angekommen. Die Texturen sind scharf, die Details so klar, dass manches Ziel wie die Pausenglocken auf der "Schule II"-Map in der Detailfülle fast untergehen. Die ansehnliche Grafik macht das Spiel allerdings auch für die junge Zielgruppe spielbar. Kaum ein Teenager würde sich wohl durch den Pixelbrei des Originals quälen.
Für die Texturen und Gesichter der Skater wurden die realen Vorbilder, sprich die Crème de la Crème der Szene, nochmal eigens dreidimensional gescannt und anschließend detailgetreu nachmodelliert. So nicken die Skater oder schauen auch mal ängstlich drein, wenn nach einer Rampe ein Abgrund droht.
Dass Tony Hawk nun nicht mehr aussieht wie dreißig, sondern tatsächlich wie 50, gibt dem Spiel einen besonderen Charme. Wenn der 55 Jahre alte Steve Caballaro agil wie ein Teenager über meterhohe Ramps hüpft und dabei artistisch einen Handstand auf seinem Skateboard macht, ist das irgendwo lustig und nostalgisch zugleich.
Auch mit über 50 noch fit wie ein Skateschuh: Namensgeber und Skate-Legende Tony Hawk.Bild: Getty Images North America / Rich Polk
Tony Hawks Pro Skater ist feministisch
Trotz aller Nostalgie schön zu sehen, dass Tony Hawks Pro Skater auch in anderen Bereichen mit der Zeit gegangen ist. Als der zweite Teil 2000 auf den Markt kam, gab es nur eine einzige Frau, die man als Spieler wählen konnte: Elissa Steamer. Aufgrund ihres Trick-Repertoires und ihrer schlecht balancierten Skills nahm sie allerdings nie jemand von meinen Freunden.
Beim Remake hat man nun anscheinend erkannt, welche Schlüsselrolle weibliche Charaktere in Videospielen auch für emanzipierte Rollenbilder hat. Der Spieler hat nun die Wahl aus insgesamt vier spielbaren Profiskaterinnen. Und wenn einem keine davon gefällt, gibt es immer noch die Möglichkeit, einen eigenen Skater oder Skaterin zu designen und kann aus einer Vielzahl an weiblichen Gesichtern und Outfits wählen. Auch schön für meine Tochter, sie interessiert sich jetzt schon brennend für mein Skateboard.
Auch für die nächste Generation ein rießen Spaß: Tony Hawk's Pro Skater 1+2.Bild: privat
Gelungenes Comeback
Wer Tony Hawk's Pro Skater 1 und 2 gemocht hat, wird das Remake lieben. Der Klassiker hat nichts von seinem Charme verloren, im Gegenteil. Mit mehr Skatern und besserer Grafik skatet es sich genauso genial wie vorher. Die Levels sind immer noch spaßig und im Multiplayer macht es via Splitscreen doppelt Spaß.
Einziger Wermutstropfen: Es nicht mehr möglich, sein Skateboard mit besseren Achsen, Rollen, Kugellagern und Brettern zu verbessern. Stattdessen erhält man für absolvierte Ziele virtuelle Dollar, die man im Skateshop für neue Motive fürs Skateboard oder neue Outfits für den Skater/die Skaterin investieren kann. Auf die Performance während des Spiels haben diese netten Gimmicks allerdings keine Auswirkungen.
Für mich ist Tony Hawk's Pro Skater 1+2 der perfekte Ausflug in die 2000er und macht auch jetzt noch riesengroßen Spaß. Die beiden Karrieren mit insgesamt 17 Maps (plus zwei geheimen Bonuslevel) hatte ich an einem Wochenende durchgespielt und meinen virtuellen Tony Hawk auf sein maximales Level gebracht. Trotzdem macht es immer noch Spaß, die Tricks zu perfektionieren, eigene Skateparks zu bauen und neue Combos auszuprobieren. Dank dem Multiplayer-Modus geht die Spielfreude auch nach vielen Stunden nicht verloren.