Sein Kind im Krieg zu verlieren, ist wohl eines der schlimmsten Schicksale, das Eltern sich vorstellen können. Was bleibt, ist eine Leere und Erinnerungen an gemeinsame Zeiten – und mitunter, sollte das eigene Kind bereits selbst Kinder haben, die Enkelkinder.
Diese können einem auf gewisse Weise Trost spenden. Durch ein Enkelkind ist ein Teil des eigenen Kindes noch da. Gibt es jedoch keine Enkelkinder, bleibt die Lücke bestehen und der Wunsch nach einer großen Familie ist schwer erfüllbar.
Auch in Israel verspüren gerade wohl viele trauernde Familien den Wunsch nach Enkelkindern von ihren verstorbenen Söhnen. Allein beim Anschlag der Terrormiliz Hamas am 7. Oktober 2023 wurden in Israel 1200 Menschen getötet und weitere 251 Menschen als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt.
Anschließend an den Anschlag startete Israel eine militärische Operation im Gaza-Streifen, bei der bisher weitere 400 israelische Soldaten sowie etwa 39.000 Palästinenser:innen getötet wurden, wie das britische Nachrichtenmedium BBC berichtet.
All diese Ereignisse führen unter israelischen Familien zu einer erhöhten Nachfrage bei der Entnahme von Spermien ihrer verstorbenen Söhne. Laut BBC machte das israelische Gesundheitsministerium zuletzt eine Angabe von Entnahmen bei fast 170 jungen Männern – darunter sowohl Zivilist:innen als auch Soldaten. Das seien etwa 15 Mal mehr als im gleichen Zeitraum der Vorjahre.
Das Spermium wird nach dem Tod entnommen und eingefroren, damit es in Zukunft verwendet werden kann. Dies ist generell kein neues Verfahren, dafür aber ein höchst umstrittenes. Die betroffenen Familien in Israel äußern nun ihren Unmut darüber, dass das Ganze rechtlich langwierig und kompliziert sei.
BBC hat für einen entsprechenden Artikel mit einer betroffenen Familie gesprochen. Der Vater eines mit 20 Jahren verstorbenen Soldaten, etwa ist sich sicher, sein Sohn hätte Kinder gewollt. Als ein Militäroffizier ihn über den Tod seines Sohnes informierte und auch die Frage über eine Spermienentnahme stellte, war der Vater daher sofort entschlossen.
Nun dafür zu sorgen, dass Nachkommen von seinem Sohn gezeugt werden, sei seine neue "Lebensaufgabe", sagte er der BBC. Es habe sich wohl auch schon eine junge Frau gemeldet, die sich vorstellen könne, das Kind des verstorbenen Soldaten zu bekommen.
Das Verfahren wurde von israelischen Behörden seit den Vorfällen im Oktober vereinfacht. Eltern müssen nun keine gerichtliche Verfügung mehr einholen, um das Verfahren zu beantragen. Auch wird es trauernden Eltern proaktiver angeboten.
Doch während es einfacher geworden ist, Sperma einfrieren zu lassen, müssen Witwen oder Eltern, die es für die Zeugung eines Kindes verwenden wollen, vor Gericht nachweisen, dass der Verstorbene Kinder haben wollte. Das wiederum kann Jahre dauern.
Die Spermakonservierung hat für die Hinterbliebenen eine "große Bedeutung", sagte Dr. Itai Gat im Gespräch mit BBC. Er ist der Leiter der Samenbank am Shamir Medical Center, und führt den Eingriff selbst durch.
Es sei die letzte Chance, die Möglichkeit der Fortpflanzung und Fruchtbarkeit für die Zukunft zu erhalten, erklärt der Arzt. Vor allem bei alleinstehenden Männern gibt es jedoch Konfliktpotenzial, da es schwer ist, einen Kinderwunsch eindeutig zu belegen. Das kann dazu führen, dass Sperma zwar eingefroren wird, dann aber nicht zur Befruchtung verwendet werden darf.
Und man dürfe auch die Kinder, die dabei entstehen, nicht vergessen. Sie werden ohne Vater aufwachsen, eventuell kennen auch die Mütter die Väter nicht.
Bei jüdischen Menschen kommen zur Abwägung für dieses Verfahren noch zwei Punkte hinzu: Einerseits muss die Linie eines Mannes fortgeführt werden. Zum anderen soll ein Körper im Ganzen begraben werden. Bei der Spermienentnahme wird jedoch ein Stück Gewebe am Hodensack entnommen.
Trotz ethischer Zweifel steht Dr. Gat aber hinter dem Verfahren, an das sich die Hinterbliebenen in Israel klammern: "Ich sehe, wie wichtig es für sie ist, wie es ihnen manchmal Trost spendet."