
Für viele Menschen ist die Situation in Magdeburg schon so schwer genug.Bild: AP / Ebrahim Noorozi
Meinung
21.12.2024, 13:4621.12.2024, 20:51
Es waren Clips, die lähmen, die schockieren, die Angst machen: die Videos der Todesfahrt durch den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Die Bilder zeigten zunächst unzensiert, wie ein Wagen durch eine Menschenmenge raste, wie Menschen am Boden lagen, wie Rettungskräfte verzweifelt versuchten, Verletzten zu helfen. Bilder mit Schlagkraft, die sich direkt in der Magengegend entlädt.
Vor allem aber waren es Bilder, die so nicht hätten in Umlauf gelangen dürfen. Ganz verhindern lässt sich das natürlich nicht. Lieblos moderierte Social-Media-Plattformen bilden eine Einfallschleuse, durch die derlei Inhalte geschmeidig in die Öffentlichkeit gleiten. Klar, die befriedigen die Sensationslust, sie bedienen einen Schock-Fetisch, sprich: sie treiben gewaltgemarterte Gehirne weiter ans Äußerste.
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Magdeburger Weihnachtsmarkt: Bilder zeigen oder nicht?
Manche peitscht das zu einem neuen traurigen Höhepunkt, andere reißt es hingegen runter. Sie bleiben nach der Sichtung fassungslos zurück, stürzen mitunter in ein Loch, sind traumatisiert, verängstigt.
Für Medienschaffende mit Moralanspruch ist also selbstverständlich, mit den Clips zu dem schrecklichen Vorfall auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, der nach aktuellem Stand fünf Tote mit sich brachte, verantwortungsbewusst umzugehen. Sie müssen sich fragen, was genau sie mit den Bildern machen.
Es ist eine uralte Debatte, ob wir Gewaltbilder in den Medien zeigen sollen. Eine Seite ist dagegen, aufgrund der emotionalen Wirkmacht, etwa weil die Bilder Traumata triggern können; die andere Seite ist dafür, weil auch schockierende Bilder zur Aufklärung beitragen. Aber: Selbst die ärgsten Fürsprecher:innen dürften einen gewissen Grad an Zensur abnicken.
Manche Medienportale, etwa die "Welt", haben sich gegen eine Aufbereitung entschieden. Sie schossen die Clips ungefiltert heraus. Fehlende Zensur ist hier der eine Vorwurf, der andere ist, dass zur Veröffentlichung so gut wie nichts bekannt war, nicht einmal der Standort. Das macht was mit den Zuschauer:innen. Viele stechende Fragezeichen drängen sich in ihre Gedanken.
"Wo zum Teufel ist das?", "Sind Verwandte vor Ort?", "Hat es einen von ihnen erwischt?", "Ist es ein Unfall?", "Ist es ein Anschlag?"
Es hätte Kompetenz abverlangt, die frühe Berichterstattung einerseits aufklärend, andererseits sensibel zu gestalten. Das braucht Fingerspitzengefühl. Wer die Clips aber vollständig zeigte, richtete den Vorschlaghammer auf seine Zuschauerschaft.
Der Kampf um Aufmerksamkeit
Natürlich, Shock Value treibt Klickzahlen. Und journalistische Medien konkurrieren nicht nur untereinander um die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen, sondern auch mit Social-Media-Plattformen. Doch es ist Blödsinn, für etwas mehr Zulauf journalistische Standards außer Acht zu lassen.
Erstmal braucht es dann keine Medienhäuser mehr; zweitens zahlen den Preis für die Klicks dann alle, die dumm genug waren, journalistischen Medien eine ordentliche Arbeit zuzutrauen. Die Magdeburg-Clips dürften sich ergo als Risikoinvestment erweisen.
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