
Da war er drin! Goretzka zeigt Herz nach dem Tor der Erleichterung kurz vor Spielende. Bild: ap / Lukas Barth
Sport
Das war verdammt knapp! Die deutsche Nationalmannschaft steht am Rande der nächsten Turnierblamage. Dann kommt Leon Goretzka ins Spiel – und rettet das Remis gegen Ungarn. Jetzt steht der Klassiker an.
24.06.2021, 06:3224.06.2021, 06:32
Joachim Löw stand mit stoischer Miene am
Spielfeldrand und schaute regungslos zu, wie sich seine
Nationalspieler zur zögerlichen Ehrenrunde aufmachten. Keine
Freudentänze, kein großer Jubel – nach dem Krimi von München
herrschte bei der dank Leon Goretzkas spätem Treffer gerade so ins
Achtelfinale der Fußball-EM geretteten DFB-Auswahl nur riesige
Erleichterung. Beim 2:2 (0:1) gegen Außenseiter Ungarn schrammte Löw
in seinem letzten Turnier an der nächsten großen Blamage vorbei – in
Wembley muss sich die wankende deutsche Nationalmannschaft im
Klassiker nun schon wieder ganz schnell steigern.
"Die Moral war sensationell gut", sagte Löw im ZDF. "Das war nichts
für schwache Nerven. Am Ende muss man sagen: durch diese Gruppe
durchzukommen, das war gut, und das war das Ziel." Kapitän Manuel
Neuer sprach von einem "Nervenkrimi", Matchwinner Goretzka war
"natürlich überglücklich". Das Spiel "war ganz, ganz schwierig",
sagte der Münchner. "Es sind viele Widerstände, gegen die man
ankämpfen muss. Großartig, dass wir es geschafft haben vor eigenem
Publikum."
Ära Löw hätte fast ein klägliches Ende genommen
Ohne sein Tor in der 84. Minute hätten die ungarischen Treffer des
Mainzers Adam Szalai (11.) und von Andras Schäfer (67.) nur drei
Jahre nach dem WM-Desaster von Russland das nächste Vorrunden-Aus
besiegelt und die Ära Löw hätte nach 15 Jahren ein klägliches Ende
genommen. Den ersten Ausgleich von Kai Havertz (66.) hatten die
Ungarn sofort gekontert.
Dennoch ist im Achtelfinale am 29. Juni beim Klassiker in Wembley
gegen England eine enorme Leistungssteigerung notwendig. Sonst bleibt
eine erneute Reise nach London zur Finalwoche im Juli reine Utopie.
"Wir werden anders auftreten als heute, das kann man versprechen",
sagte Löw. Joshua Kimmich kommentierte die Klassiker-Paarung so: "Ja
geil! Wir sind auf jeden Fall heiß." Auch Goretzka meinte: "Wir sind
voller Selbstvertrauen."
Debütant Jamal Musiala mit der Vorarbeit zum Tor
Löw hatte im Endspurt auf volle Offensive gesetzt und Thomas Müller, Timo Werner, Kevin Volland und Debütant Jamal Musiala als Joker
gebracht – die Rechnung ging gerade noch auf. Musiala als jüngster
deutscher Turnierspieler leistete die Vorarbeit zu Goretzkas
entscheidendem Treffer.
Es regnete zwischenzeitlich heftig am Abend – wie beim "Wunder vom
Bern" vor 67 Jahren im WM-Finale gegen die Ungarn, was dem Mythos
nach der Elf um Kapitän Fritz Walter zum Titel verholfen hatte. Löw
stand in München nach dem Anpfiff in hellgrauer Regenjacke am
Spielfeldrand. Der Bundestrainer sah zwar früh die erste gute Chance
seiner offensiv eingestellten Mannschaft, als Joshua Kimmich, der
wieder auf der rechten Seite spielte, aus kurzer Distanz Ungarns
Nationaltorwart Peter Gulacsi von RB Leipzig prüfte (4.). Wenig
später folgte aber eine Fehlerkette, die im Gruppenfinale einer EM
nicht passieren darf.
Mit dem Gegentor kam die Angst
In der Rückwärtsbewegung agierten Toni Kroos und Robin Gosens viel zu
passiv, beide verhinderten den langen Ball von Roland Sallai nicht,
den Szalai stark gegen Mats Hummels und Matthias Ginter verwertete.
Der dritte Rückstand im dritten Spiel – Deutschland war zu diesem
Zeitpunkt ausgeschieden. In der Münchner EM-Arena sangen und grölten
nur noch die ungarischen Fans, die hinter Neuers Tor ohne Abstand die
Führung feierten.
Regenbogenfahnen waren nach der Aufregung der vergangenen Tage um die
Arenabeleuchtung im Stadion selten zu sehen, Neuer trug wie erwartet
aber wieder seine bunte Kapitänsarmbinde. Der Bayern-Keeper trieb die
Mannschaft an, lange Zeit vergeblich. Mit dem Gegentor kam die Angst.
Lös wirkte energielos
Die Aufgabe gegen den defensiv unbequemen Gegner wurde für die
DFB-Auswahl immer schwieriger. In zurückgezogener 5-3-2-Aufstellung
verteidigten die Ungarn das eigene Tor, in dem Gulacsi auch gegen
Ginter sicher hielt, nachdem Hummels per Kopf nur die Latte getroffen
hatte (21.). Serge Gnabry, Havertz und Leroy Sané, der den
angeschlagenen Müller in der Startelf ersetzte, boten sich vorne kaum
Räume. Zur Mitte der ersten Halbzeit erinnerte das Spiel an eine
Handball-Partie um den ungarischen Strafraum. Löw wirkte an der
Seitenlinie jedoch energielos, der Bundestrainer gab kaum einen
Impuls von außen.
Die DFB-Auswahl hatte zwar deutlich mehr Ballbesitz, schaffte es aber
vor der Halbzeitpause viel zu selten in den Strafraum. "Die drei
vorne müssen schauen, dass wir im Zentrum viel Wirbel machen", hatte
Löw kurz vor dem Spiel im ZDF gesagt und Sané "Weltklasse"
bescheinigt, wenn dieser seine Qualitäten abrufe. Der Münchner hatte
es bei zwischenzeitlich stärker werdendem Regen aber weiterhin große
Probleme, sich gegen die rigoros kämpfenden Ungarn in Szene zu
setzen, die zudem bei Kontern gefährlich blieben.
Und dann überschlugen sich die Ereignisse
Der Abschluss von Havertz weit neben das Tor war bezeichnend für die
erste Halbzeit (45.). Löw wartete mit in die Hüfte gestemmten Händen
auf den Pausenpfiff. Zur zweiten Halbzeit nahm der Bundestrainer
zunächst keine Veränderung vor. Während der Pause war zu sehen, wie
er kurz mit Müller sprach.
Die DFB-Auswahl versuchte weiterhin, mehr Druck zu entwickeln. Wieder
Havertz kam zum Abschluss, den Gulacsi problemlos entschärfte (52.).
Dann kam Goretzka für den nach einem Zusammenprall offenbar
angeschlagenen Ilkay Gündogan (58.). Der Bayern-Profi ordnete sich
offensiv hinter Havertz, Sané und Gnabry ein, Löw wechselte das
System zur Viererkette. Gefährlich wurde es aber erst vor dem Tor von
Neuer. Ein Freistoß von Sallai knallte an den deutschen Pfosten
(62.), ehe sich die Ereignisse überschlugen.
Goretzkas Jubel-Tor
Zunächst erlöste Havertz die deutschen Fans mit seinem Kopfball zum
bejubelten Ausgleich nach Vorlage von Hummels. Gulacsi sah schlecht
aus beim deutschen Tor. Löw brachte in der folgenden Unterbrechung
Werner für den Torschützen und Müller für Gnabry. Aber nur gut 15
Sekunden nach dem Wiederanstoß der Ungarn schauten die deutschen Fans
wieder entsetzt aufs Spielfeld. Die schnelle Kombination der Ungarn
schloss Schäfer gegen den herauseilenden Neuer zur erneuten
Gästeführung ab. Goretzka sorgte kurz vor Schluss aber doch noch für
grenzenlosen deutschen Jubel.
(andi/dpa)
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