Der kommende Sonntag könnte den Verlauf der restlichen Spielzeit in der Fußball-Bundesliga richtungsweisend sein.
"Es kann sein, dass die Liga am Sonntag erst richtig explodiert", sagt Alex Schlüter, Dazn-Moderator und einer der Gesichter des Streamingdienstes in Deutschland, im Gespräch mit watson.
Denn die ersten vier Teams der Tabelle treffen in direkten Duellen aufeinander. Tabellenführer Union Berlin empfängt Borussia Dortmund (4. Platz) am frühen Sonntagabend und anschließend trifft der FC Bayern (3.) auf den SC Freiburg (2.).
Und, dass Union und der SC die beiden deutschen Top-Klubs am Wochenende schlagen oder zumindest einen Punkt holen, ist nicht so unwahrscheinlich, wie es viele am Anfang der Saison dachten.
Tabellenführer Union hat sich im Laufe der Saison zu einer echten Spitzenmannschaft in der Bundesliga entwickelt. Mittlerweile gewinnen die Köpenicker auch knappe Spiele durch ein Standardtor wie am vergangenen Wochenende in Stuttgart.
Die seit Jahren bekannte Standardstärke könnte auch gegen den BVB ein gutes Mittel zum Erfolg sein. Denn bei ruhenden Bällen sind die Westfalen in dieser Spielzeit unglaublich anfällig.
Doch der Moderator weiß jetzt schon, dass er BVB-Trainer Edin Terzić bei einer Niederlage nach dem Spiel nicht auf die fehlende Mentalität der Spieler ansprechen wird.
"Nach dem Bayern-Spiel muss man die Mentalitätsfrage bei Dortmund erstmal in den Kühlschrank stellen. Trotzdem glaube ich, dass am Sonntag Union eine Mannschaft ist, die den BVB genau da ärgern kann, wo Dortmund Schwächen hat: durch Entschlossenheit, Kompromisslosigkeit und Härte in den Zweikämpfen."
Dass Union Berlin aber mit diesen Attributen bereits seit einem Monat an der Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga steht und trotz der Dreifachbelastung mit Europa League so konstant ist, kommt auch für Schlüter überraschend.
"Ich hätte mich nicht getraut vorherzusagen, dass Union Berlin über einen Monat an der Tabellenspitze steht, mit der besten Abwehr der Liga. Freiburg hätte ich es noch eher zugetraut, aber auch nicht in diesem Ausmaß", sagt Schlüter mit Blick auf das aktuelle Top-Duo der Liga.
Auch der SC Freiburg beeindruckt aktuell Fußball-Deutschland trotz der zusätzlichen Belastung in der Europa League. "Union und Freiburg haben eine so beeindruckende Konstanz und gleichzeitig besitzen die Mannschaften so ein angenehmes und bodenständiges Selbstbewusstsein."
Für die Spannung in der Liga sei es laut des Moderators besonders schön, dass es aktuell diesen Vierkampf an der Spitze gibt. Auch wenn es völlig normal sei, dass zumindest ein oder zwei Teams auf lange Sicht den Kontakt zu den Münchnern verlieren.
Dennoch: Wenn Union den BVB schlägt und Freiburg gegen die Münchner zumindest einen Punkt holt, "klafft eine erste richtige Lücke da oben auf – und das sind ja keine utopischen Szenarien", kommentiert Schlüter.
Dass dieses Gedankenspiel überhaupt möglich ist, liegt vor allem am Rekordmeister selbst. Nach dem starken Saisonstart erlebten die Münchner in den vergangenen Wochen wohl die turbulenteste Zeit in der Ära von Trainer Julian Nagelsmann. Trotz des 4:2-Sieges in Pilsen in der Champions League am Mittwoch schwebt über den Münchnern noch die verspielte 2:0-Führung im Duell mit Borussia Dortmund am vergangenen Wochenende. Dazu kommt die Phase im September, in der die Münchner in vier Bundesliga-Spielen keinen Sieg einfuhren.
Alex Schlüter traf Julian Nagelsmann in den vergangenen Wochen häufig vor und nach den Spielen zum Interview und konnte den Coach während der Partien am Spielfeldrand genau beobachten.
Der Dazn-Moderator glaubt, dass die aktuelle Phase hilfreich für den Coach war. "Julian Nagelsmann wird in drei oder vier Jahren noch einen Schritt weiter sein und auf die vergangenen Wochen zurückblicken und feststellen, dass diese kleine Krise ihn für die Entwicklung weitergebracht hat."
Nun geht es darum, dass die Münchner ihre Top-Leistungen auch wieder dauerhaft in der Bundesliga auf den Platz bringen. Ansonsten ist die nächste Krise bei den Münchnern nicht weit entfernt.
Dennoch ist die elfte Meisterschaft des FC Bayern in diesem Jahr kein Selbstläufer. Besonders die WM-Zeit können Teams wie Union oder der SC Freiburg mit weniger Nationalspielern besser zur Regeneration nutzen, als Teams wie die Münchner oder der BVB.
Über allem schwebt weiterhin der Traum, dass es auch in Deutschland eines Tages einen Überraschungsmeister wie Leicester City in der Premier League vor sechs Jahren gibt.
Michael Ballack zogt bereits vor einigen Wochen den Vergleich zwischen Union und den Engländern.
"Erst in der Mitte der Saison wurde da genauer hingeschaut und es ist vergleichbar mit Freiburg und Union, dass alle drei Vereine ein eigenes Selbstverständnis haben und eben keine selbsternannten Top-Klubs sind", sagt auch Alex Schlüter. Und das könnte für die Bayern und den BVB die größte Gefahr sein.