Erst fehlte Joshua Kimmich im November dem FC Bayern München, weil er als ungeimpfte Kontaktperson in Quarantäne saß. Dann infizierte er sich selbst, war weitere zwei Wochen vom Trainings- und Spielbetrieb des Rekordmeisters ausgeschlossen.
Als die Münchner letzten Mittwoch in der Champions League spielten, war Sportvorstand Hasan Salihamidžić noch zuversichtlich, dass Kimmich bald wieder auf dem Platz stehen könnte. Der Mittelfeldspieler konnte sich an diesem Tag freitesten und sollte danach noch Routineuntersuchungen absolvieren. Der FC Bayern wollte überprüfen, ob die Corona-Erkrankung Folgeschäden bei Kimmich verursachte.
Es stellte sich dabei heraus, dass Kimmich leichte Wassereinlagerungen in der Lunge hatte und noch den ganzen Dezember fehlen wird. Welche Konsequenzen könnte das Fehlen durch die Corona-Folgen haben? Nahm der 26-Jährige diese weitere Ausfallzeit fahrlässig in Kauf?
Klar ist: Als Kimmich im November als Kontaktperson zweimal je eine Woche in Quarantäne war, strich ihm der Verein sein Gehalt. Laut "Bild"-Zeitung soll er deshalb pro Woche rund 384.000 Euro eingebüßt haben.
Im ersten Interview in der ZDF-Sportreportage nach seiner Corona-Infektion nahm Kimmich zur Gehaltskürzung Stellung, er sagte: "In der Thematik gibt es keine zwei Meinungen. Das war das gute Recht des Vereins, davon haben sie Gebrauch gemacht und deswegen hat man das auch zu akzeptieren."
Könnte dieses Schicksal den Nationalspieler erneut ereilen? Schließlich nahm er aufgrund der fehlenden Impfung eine Folgeerkrankung in Kauf und fehlt deshalb mindestens bis zum Jahresende.
Geht es nach Arbeitsrechtler Pascal Croset, muss sich Kimmich nicht erneut darauf gefasst machen, kein Gehalt zu erhalten. Croset ist seit 18 Jahren Fachanwalt für Arbeitsrecht und erklärt gegenüber watson: "Wenn Herr Kimmich aufgrund der Lungeninfiltrationen nicht spielen kann, dann ist er arbeitsunfähig. Er erhält gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz sein Gehalt für sechs Wochen." Also so, wie es jeder Arbeitnehmer bei einer Krankheit erhält.
Erst nach diesen sechs Wochen bekommt ein Arbeitnehmer Krankengeld. Das würde aktuell wohl auch für Kimmich zählen. Croset nennt gegenüber watson eine Ausnahme: "Herr Kimmich würde keine Lohnfortzahlung erhalten, wenn ihn ein Verschulden treffen würde." Das "Verschulden" sei jedoch vom Bundesarbeitsgericht an sehr hohe Ansprüche gekoppelt.
Konkret sagt Croset: "Dem Arbeitnehmer muss ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen sein." Erst dann dürfte der FC Bayern die Gehaltszahlungen an Kimmich einstellen. Was zählt zu grob fahrlässigem Verhalten? Croset nennt einige Beispiele aus der Rechtsprechung.
Beispielsweise sei ein solches Verschulden 1996 festgestellt worden, als ein Arbeitnehmer einen Hund streichelte, dessen Besitzer vorher gewarnt habe, dass der Hund oft beiße. Der Arbeitnehmer verletzte sich und musste in der Folge auch auf die Gehaltszahlung seines Arbeitgebers verzichten. Gleiches gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer einen Reifenwechsel selbstständig durchführe, "ohne den Wagenheber im weichen Erdreich zu verankern."
Wie ordnet der Arbeitsrechtler den Fakt ein, dass sich Kimmich nicht hat impfen lassen? "Bei einer unterlassenen Impfung wird unter keinen Umständen grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen sein. Jeder darf selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt. Das Unterlassen einer Impfung ist jedenfalls nicht leichtfertig beziehungsweise in diesem Sinne grob fahrlässig."
Immerhin wird es in Zukunft selbst diese Diskussion nicht mehr geben. Im ZDF-Interview teilte Kimmich mit, dass er sich nun impfen lassen wolle. Er betonte auch, dass er "rückblickend gesehen" die Entscheidung des Impfens gerne früher getroffen hätte. Gleichzeitig erklärte er auch noch einmal, weshalb er lange zögerte: "Es war für mich einfach schwierig, mit meinen Ängsten und Bedenken umzugehen. Deshalb war ich auch so lange unentschlossen."
Durch dieses Zögern riskierte er allerdings die Infektion und bekam sie letztlich. Auch die Folgeerkrankung nahm er in Kauf, weshalb er laut Mitteilung der Bayern den gesamten Dezember fehlen wird. Im Januar hoffen die Münchner, wieder auf Kimmich setzen zu können.
Gegenüber watson hatte Sportmediziner Robert Margerie bereits vor einigen Tagen diesen Wunsch kommentiert: "Es ist eine optimistische Schätzung, dass er im Januar wieder voll einsteigen kann. Aber das wird man dann erstmal sehen."
Margerie betonte aber auch, dass sich Kimmich das ganze Theater durch eine Impfung hätte ersparen können: "Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er mit einer Impfung kürzere Ausfallzeiten und die Lungenkomplikationen nicht entwickelt hätte."