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FC Bayern: Medien-Experten bewerten Salihamidžić und Kahn

Hasan Salihamidzic (l.) und Oliver Kahn (r.) im Wintertrainingslager 2020 in Doha
Hasan Salihamidžić (l.) ist seit 2017 Sportdirektor beim FC Bayern, 2020 wurde er zum Sportvorstand befördert. Oliver Kahn (r.) ist seit Januar 2020 im Vorstand des FC Bayern. Bild: www.imago-images.de / Bernd Feil/M.i.S.
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Nach Zoff mit Dortmunds Zorc – Medien-Experten bewerten Bayern-Führungsduo Salihamidžić und Kahn: "Brazzo hat einen Nebenkriegsschauplatz erzeugt"

17.09.2021, 14:2617.09.2021, 15:49
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Die "Abteilung Attacke" ist beim FC Bayern München berühmt und berüchtigt. Der ehemalige Manager und aktuelle Ehrenpräsident Uli Hoeneß ließ es sich in seiner Zeit als Macher des Rekordmeisters nicht nehmen, verbale Giftpfeile in Richtung der Konkurrenz zu schicken – er begründete damit den Begriff "Abteilung Attacke".

Am vergangenen Sonntag erlebte die Abteilung ein Revival – wenn auch eher in einer Light-Version. Sportvorstand Hasan "Brazzo" Salihamidžić hatte BVB-Star Marco Reus dafür kritisiert, frühzeitig von der Nationalmannschaft abgereist zu sein und wenige Tage später wieder für Dortmund gespielt zu haben. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc antwortete darauf, dass Salihamidžić die "Klappe halten" solle.

Diese verbale Auseinandersetzung führt zu den Fragen, ob Salihamidžić nun in die Fußstapfen von Uli Hoeneß tritt – und wie sich das aktuelle Führungsduo um Salihamidžić und Oliver Kahn vom ehemaligen Duo um Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge unterscheiden. Wie kommen Salihamidžić und Kahn in der medialen Öffentlichkeit rüber? Welche Entwicklungen haben sie durchlaufen, und wie könnte die Ära aussehen, die beide zusammen beim FC Bayern prägen wollen?

Um diese Fragen beantworten zu können, hat watson mit einem Marken- und mit einem Kommunikations-Experten gesprochen. Zu den Aussagen von Salihamidžić sind sie unterschiedlicher Meinung.

Uneinigkeit bei den Experten

Jürgen Knappenberger, Medienberater und Geschäftsführer der Agentur "spirit Kommunikation", sieht sowohl die Aussagen des Bayern-Sportvorstands, als auch die Antwort von Zorc gelassen. Gegenüber watson sagt er: "Das, was Salihamidžić über Dortmund gesagt hat, kann man machen. Und auch die Retoure fand ich absolut im Maß. Das geht beides in Ordnung und wenn sich beide treffen, dann ist das doch schon wieder vergessen." Vielmehr sei der Vorfall von den Medien aufgebauscht worden.

Jürgen Knappenberger
Jürgen Knappenberger berät mit seiner Agentur Fußball-Profis wie Ron-Robert Zieler, Waldemar Anton oder Trainer wie Domenico Tedesco.Bild: spirit Kommunikation / spirit Kommunikation

Christopher Spall, der sich mit seiner Marken-Beratung "Spall. macht. Marke" auch mit dem Bild, das Führungspersonen abgeben, beschäftigt, ist hingegen der Meinung, dass die Äußerungen von Salihamidžić falsch gewesen seien: "Salihamidžić erzeugt Aufmerksamkeit in Momenten, in denen er sich besser zurückhalten sollte. Die Auseinandersetzung um Marco Reus ist ein Punkt, der nur Reus, Dortmund und vielleicht noch den Bundestrainer angeht – aber nicht den Sportdirektor des FC Bayern."

"Hoeneß war bekannt dafür in wichtigen Momenten zu poltern und dadurch den Druck der Mannschaft zu nehmen. Dieses Gespür für das richtige Timing sucht Salihamidžić allerdings noch."
Marken-Experte Christopher Spall

Spall gewinnt nach eigern Aussage den Eindruck, dass Salihamidžić den Führungsstil von Hoeneß als Lautsprecher des Vereins kopieren will. Unvergessen sind Hoeneß' Verbalattacken, die er beispielsweise in den 80er- und 90er-Jahren in Richtung von Werder Bremens damaligem Manager Willi Lemke losließ. Ein Beispiel: "Von Fußballproblemen hat er früher nichts verstanden und versteht er jetzt schon lange nicht mehr." Aber auch Journalisten mussten sich anhören, dass sie eine "total bescheuerte Frage" gestellt hätten – wenn sie Hoeneß nicht gepasst hat.

spall.macht.marke
Marken-Experte Christopher Spall.Bild: spall.macht.marke / spall.macht.marke

Für Spall gibt es aber einen großen Unterschied zwischen den Ansagen von Hoeneß und denen von Salihamidžić: "Hoeneß war bekannt dafür, in wichtigen Momenten zu poltern und dadurch den Druck der Mannschaft zu nehmen. Dieses Gespür für das richtige Timing sucht Salihamidžić allerdings noch."

Vielmehr denkt Spall: "Salihamidžić hat dadurch einen Nebenkriegsschauplatz erzeugt, der Unruhe in den Verein bringt und der seine Kompetenz infrage stellt mit einem nebensächlichen Thema."

Knappenberger hat gegenüber Salihamidžić weniger Vorbehalte: "Ich persönlich fand ihn immer sehr authentisch. Ich glaube, dass er durch die eine oder andere unglückliche Aussage, die er auch definitiv gemacht hat, dennoch insgesamt zu schlecht wegkommt." Hier spielt der Kommunikations-Experte beispielsweise auf die Aussagen von Salihamidžić an, als der sich offensiv zu einem möglichen Transfer von Chelseas Callum Hudson-Odoi zum FC Bayern äußerte. Das forsche Vorgehen verärgerte die Verantwortlichen des Londoner-Klubs und verhinderte letztlich einen Wechsel des Talents.

Salihamidžić entwickelt sich dennoch positiv

In einer Hinsicht sind sich die beiden Experten jedoch einig. Seit seinem Start als Sportdirektor 2017 bei den Bayern hat Salihamidžić eine positive Entwicklung durchlaufen.

Spall erklärt: "Er findet sich immer mehr als Persönlichkeit, strahlt mehr Sicherheit aus als zu Beginn und ist sich seiner Rolle als vorderster Markenbotschafter bewusst."

Dem schließt sich Knappenberger an – und nimmt für die Entwicklung Salihamidžić' den internen Streit mit Ex-Bayern-Trainer Hansi Flick als Beispiel. Der aktuelle Bundestrainer hatte die Münchener Verantwortlichen im April nach einem Spiel in Wolfsburg vor vollendete Tatsachen gestellt und angekündigt, dass er seinen Vertrag (ursprünglich bis 2022) nicht erfüllen wolle, um die Bayern schon im Sommer 2021 zu verlassen.

Knappenberger meint:

"Beim internen Zoff zwischen Ex-Bayern-Trainer Hansi Flick und Salihamidžić hat sich Salihamidžić in meinen Augen sehr stilvoll verhalten. Flick hat die Bayern in einer Pressekonferenz vor vollendete Tatsachen gestellt. Trotz all der Querelen gibt es kaum ein schlechtes Wort, das Salihamidžić über Flick gesagt hat. Selbst, wenn er mit Kritik von Flick konfrontiert wurde, hat er ihn gelobt."

Auch in der Bewertung des Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn sind sich Spall und Knappenberger einig. Der ehemalige Welttorhüter trete besonnen und souverän auf und führe dadurch den Klub mit ruhiger Hand. Knappenberger analysiert die Auftritte von Kahn, seit er 2020 zum Vorstand wurde, so: "Er hat sich extrem gut entwickelt, weg vom emotionalen und impulsiven Spieler hin zu einer Führungsposition, die überlegt, ruhig und souverän agiert."

Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern
Bayerns Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn hält sich mit öffentlichen Ansagen aktuell zurück.Bild: FC Bayern München/Pool/Pressefo / imago images

Spall pflichtet bei: "Ich nehme Oliver Kahn als Vorstand wahr, der sehr überlegt handelt und schätze ihn als sehr intelligent ein. Er weiß, dass er keine jahrelange Erfahrung als Vorstandsvorsitzender einer Weltmarke hat. Deshalb verhält er sich sehr clever und will nicht als lautes Sprachrohr in Erscheinung treten – sondern sich erst einmal um das Kerngeschäft kümmern."

"Kahn nimmt seine Aufgabe als Vorstand des FC Bayern wahr und nicht die des Pressesprechers."
Marken-Experte Christopher Spall.

Auch die jüngsten Gerüchte, dass Kahn den Bayern-Vorstand umbauen wolle, sieht Spall als Zeichen für Kahns Tatendrang. Die "Bild" hatte berichtet, dass Jörg Wacker von seinem Amt entbunden werden soll. Er ist aktuell im Vorstand für Internationalisierung und Strategie verantwortlich. Spall bewertet: "Es ist ein Zeichen, dass er versucht, intern seine Handschrift zu hinterlassen und nicht in der Presse. Er nimmt seine Aufgabe als Vorstand des FC Bayern wahr und nicht die des Pressesprechers."

Der unfaire Vergleich mit Hoeneß und Rummenigge

Stellt sich noch die Frage, wie das Duo Kahn/Salihamidžić im Vergleich zum ehemaligen Führungsduo aus Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge in der Öffentlichkeit auftritt. Knappenberger sieht dabei besonders die letzte Zeit von Hoeneß und Rummenigge nicht als PR-Erfolg: "Hoeneß und Rummenigge haben sich in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert, wenn ich mich da an die legendäre Pressekonferenz erinnere, in der sie auf das Grundgesetz hingewiesen haben, nur um im nächsten Moment Juan Bernat fertig zu machen."

"Aussagen werden heute viel größer gemacht als sie eigentlich sind. Das hängt mit der veränderten Medienlandschaft und den Sozialen Medien zusammen."
Medien-Experte Jürgen Knappenberger

Gleichzeitig glaubt er aber auch, dass sowohl Salihamidžić als auch Kahn in der Öffentlichkeit besonnener und zurückhaltender auftreten werden, als Hoeneß und Rummenigge: "Aber andererseits werden Aussagen heute viel größer gemacht, als sie eigentlich sind. Das hängt mit der veränderten Medienlandschaft und den sozialen Medien zusammen. Dort gehen kontroverse Themen immer sehr schnell steil. Aber: Wenn es darum geht, den FC Bayern zu verteidigen, werden beide auch die Klappe aufmachen."

Sowohl Spall als auch Knappenberger sprechen mit Bezug zu Hoeneß und Rummenigge vom Duo, das die erfolgreichste Zeit des FC Bayern geprägt habe – weshalb ein Vergleich mit ihnen für Salihamidžić und Kahn ungerecht sei. Allein Hoeneß feierte während seiner Zeit als Führungsperson 21 Deutsche Meisterschaften und zwölf Pokalsiege. Gerade deshalb rät Spall dem neuen Duo, "sich auf eine eigene Handschrift zu konzentrieren."

Uli Hoeneß (l.) und Karl-Heinz Rummenigge
Uli Hoeneß (l.) und Karl-Heinz Rummenigge führten den FC Bayern lange Jahren, waren dabei aber nicht immer einer Meinung.Bild: www.imago-images.de / Michael Weber IMAGEPOWER

Diese Handschrift wird situationsbedingt zwischen einer ruhigen, zurückhaltenden Art und einem forschen und lauten Auftreten von Salihamidžić und Kahn pendeln. Genau im richtigen Gleichgewicht zwischen diesen beiden Kommunikationsformen liegt in der aktuellen Medienlandschaft die Krux.

Knappenberger erklärt: "Von meiner täglichen Arbeit kann ich sagen: Wenn sich Spieler, Trainer oder Verantwortliche ganz zahm äußern, erhalten sie den Vorwurf, dass es früher noch Typen wie Stefan Effenberg oder Mario Basler gab. Machst du einen Kommentar wie jetzt Salihamidžić, wird es aufgebauscht. Man steckt immer im Zwiespalt zwischen als zu glatt beleidigt zu werden oder zu forsch zu sein."

In diesem Dilemma werden sich vermutlich auch Salihamidžić und Kahn in ihrer Zeit als Bayern-Führungsduo wohl das ein oder andere Mal wiederfinden.

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