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Wie Wladimir Putin Fifa, Uefa und IOC beeinflusst – "Unterwandert von Russland"

FUSSBALL WM Qualifikation 2022 - ARCHIVBILD: WM 2018 FINALE Frankreich - Kroatien 15.07.2018 FIFA-Praesident Gianni Infantino li, Schweiz und Praesident Wladimir Wladimirowitsch Putin re, Russland mit ...
Fifa-Chef Gianni Infantino (l.) und Wladimir Putin beim WM-Finale 2018 in Moskau.Bild: www.imago-images.de / ULMER/Markus Ulmer
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"Unterwandert von Russland": Wie Wladimir Putin Fifa, Uefa und IOC beeinflusst

06.03.2022, 10:45
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So leicht will es Russland der Sportwelt nicht machen. Nach den Ausschlüssen russischer Sportler aus so gut wie allen Sportarten und der Absage von Turnieren und Wettkämpfen in Russland zieht der russische Fußballverband nun vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas.

Aus Sicht des Verbandes liege für die Entscheidung von Fifa und Uefa, Russland von der Frauen-EM im Sommer und der Männer-WM auszuschließen, "keine Rechtsgrundlage" vor. Der Beschluss sei "unter dem Druck" der gegnerischen Verbände getroffen worden, zudem habe man seine eigene Position nicht darlegen dürfen.

Dass die Fifa und Uefa in dieser Sache so konsequent handelten, erstaunte tatsächlich zahlreiche Beobachter. Der Druck auf den Weltverband und dessen Präsidenten Gianni Infantino war nach dem russischen Angriffskrieg offenbar zu groß geworden.

"Ein sehr angepasster und windelweicher Gianni Infantino als Präsident hat sich dann sogar entschlossen, härtere Maßnahmen zu ergreifen. Er wollte das ursprünglich herauszögern und seine Freundschaft zu Russland und Putin nicht infrage stellen", bewertet Sportsoziologe Gunter Gebauer die Sanktion im Gespräch mit watson.

"Das IOC und die großen Verbände wie die Fifa oder die Uefa fahren aus ihrer egoistischen Sicht viel besser, wenn sie sich mit Diktatoren einlassen."
Sportsoziologe Gunter Gebauer über Sportevents in Russland, China oder Katar

Dabei war es in der Vergangenheit eigentlich ganz anders. Wladimir Putin und die Top-Funktionäre der Fifa, Uefa und auch des IOC oder der Formel 1 – das war ein eingespieltes Team.

Olympische Winterspiele in Sotschi 2014, seit 2014 regelmäßige Formel-1-Rennen in Sotschi, Fußball-WM 2018 oder das geplante Champions-League-Finale 2022 in St. Petersburg – wenn Putin ein Sport-Großereignis haben wollte, bekam er es.

Hinzu kommt das millionenschwere Sponsoring des russischen Staatsunternehmens Gazprom bei Schalke 04, in der Champions League, den Uefa-Nationalmannschaftswettbewerben und der Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Doch damit ist nun erstmal Schluss.

Gunter Gebauer ist Sportsoziologe und Professor an der Freien Universität Berlin. 2012 wurde er emeritiert.
Gunter Gebauer ist Sportsoziologe und Professor an der Freien Universität Berlin. 2012 wurde er emeritiert.Bild: imago sportfotodienst / Martin Hoffmann

Infantino wollte Fifa teilweise nach Moskau verlegen

Dass sich ausgerechnet Sportfunktionäre wie Fifa-Präsident Infantino oder IOC-Präsident Thomas Bach in der Vergangenheit immer wieder mit dem russischen Machthaber zeigten, ist für Sportsoziologe Gebauer nicht verwunderlich.

"An der Spitze dieser Verbände stehen keine bedeutenden Menschen. Infantino ist kein toller Geschäftsmann, kein selfmade Millionär oder auch kein ehemaliger Spieler, wie es noch Michel Platini war. Es sind meistens sehr schlaue Funktionäre, die raffiniert und kalkulierend gehandelt haben."

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IOC-Präsident Thomas Bach (Mitte) und Wladimir Putin bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Sotschi. Bild: sampics / sampics

Fifa-Präsident Infantino trieb es mit den Lobgesängen für Russland wohl am weitesten, als er das Turnier 2018 als "die beste WM, die jemals stattgefunden hat", bezeichnet hatte.

"Oft sind es Funktionäre, die sich davon blenden lassen, dass sie von einem wichtigen Herrscher der Welt hofiert werden, Ehrungen erhalten und Luxus und Geschenke bekommen", sagt Gebauer.

Russland mit Einfluss in allen Sport-Verbänden

Und so konnte Putin über die Funktionäre jahrelang seinen eigenen Einfluss auf die wichtigsten Sportverbände der Welt ausbauen.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Strafen für das russische Staatsdoping, das im Rahmen der Olympischen Spiele in Sotschi aufgedeckt wurde, von Experten als sehr milde und glimpflich eingestuft wurde.

Denn selbst der internationale Sportgerichshof Cas, der die Doping-Strafen noch abschwächte, wird über einige Umwege von Putin und Russland beeinflusst. Der Cas wird vom Internationalen Olympischen Kommitee (IOC) dominiert und finanziert. Deren Vorsitzender ist Thomas Bach - ein enger Vertrauter des russischen Präsidenten.

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Uefa-Boss Alexander Ceferin (l.), Wladimir Putin und Alexander Dyukov, Präsident des russischen Fußballverbandes und der Gazprom-Tochter Neft.Bild: www.imago-images.de / Vladimir Smirnov

Ähnlich verhält es sich in der Fifa. Die letzten russischen Funktionäre im Uefa-Exekutivkomitee oder Uefa-Gesandte im Fifa-Rat hatten alle eine Verbindung zum russischen Staatsunternehmen Gazprom. Alexander Dyukov war beispielsweise Präsident von Zenit St. Petersburg. Mittlerweile ist er der Boss des russischen Fußballverbandes, seit 2021 Mitglied im Uefa-Exekutivkomitee – und Vorsitzender der Gazprom-Tochter "Gazprom Neft".

Sogar ein Teilumzug der Fifa nach Moskau stand vor einiger Zeit noch zur Debatte. Infantino werden beste Kontakte in den Kreml nachgesagt.

"Das sind keine neutralen Gremien. Heutzutage können wir davon sprechen, dass sie unterwandert sind von Freunden Russlands und zumindest indirekt auf der Payroll von Putin stehen", sagt Gunter Gebauer mit Blick auf Fifa, Uefa und IOC.

Markenexperte sieht riesige Chance für Fifa und Uefa

Daher ist es umso überraschender, dass die Uefa und Fifa nun zu solch harten Sanktionen griffen. Zumal der Uefa-Deal mit Gazprom laut verschiedenen Medienberichten zwischen 40 und 45 Millionen Euro eingebracht haben soll.

Auch Marken- und Identitätsberater Christopher Spall war von der Härte der Sportsanktionen überrascht. Die aktuelle Situation sei die große Chance "für alle Organisationen und natürlich auch für alle Fußballklubs, sich jetzt klar zu positionieren und die eigene Haltung zu zeigen". Schalke 04 habe diese Chance mit der Beendigung des Gazprom-Sponsorings genutzt.

Und das Vorgehen der Verbände könne laut Spall ein erster Baustein auf dem Weg in eine andere Zukunft sein, damit sich der Fußball wieder mit den Menschen verbinden könne.

"Dazu braucht es konkrete Maßnahmen, nicht nur Symbole. Der Ausschluss war sicher ein guter und konsequenter Schritt auf dem langen Weg, um die Verbindung zwischen Fans und Profifußball wieder herzustellen", sagt Spall.

Dass die Verbände aber künftig immer zu politischen Ereignisse eine klare Haltung beziehen, glaubt Gunter Gebauer nicht. "Die Verbände werden weiterhin von sich behaupten, unpolitisch zu sein und die Konsequenzen seien ein humanitärer Akt."

Katar profitiert aktuell sportlich von der russischen Krise

Während sich die Diskussionen und Debatten vor allem um den russischen Sport drehen, konnte sich Katar acht Monate vor Beginn der Fußball-WM ein wenig aus der Kritik ziehen.

Das Emirat setzt das Modell von Wladimir Putin aber in gewisser Weise fort und versucht durch die Nähe zu den wichtigsten handelnden Personen, Einfluss zu nehmen. Es ist wohl kein Zufall, dass der Zweitwohnsitz von Fifa-Präsident Infantino Katar ist.

Russland mit den Olympischen Winterspielen 2014 und der WM 2018, China mit den Winterspielen 2021 und die kommende Winter-WM in Katar – für den Sportsoziologen Gebauer ein klares Muster:

"Das IOC und die großen Verbände wie die Fifa oder die Uefa fahren aus ihrer egoistischen Sicht viel besser, wenn sie sich mit Diktatoren einlassen. Dort ist der Griff in die Staatskasse einfach, und es gibt keinen wirksamen Widerstand."

Zwar wird aktuell wenig über die katastrophalen Arbeitsbedingungen und die über 5000 toten Gastarbeiter in Katar gesprochen, doch das wird sich laut Sportsoziologe Gebauer in den Monaten vor dem Turnier wieder ändern.

FC Bayern: Müller lobt Frankfurt-Torhüter und will Interview nicht verlassen

Am Ende wollte sich der FC Bayern die eigene Leistung nicht schlechtreden lassen. "Wenn wir dieses Spiel 15-mal genauso spielen würden, dann würden wir es 13-mal gewinnen", sagte Thomas Müller bei Dazn nach dem 3:3 bei Eintracht Frankfurt am Sonntagabend.

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