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Sport-Sanktionen gegen Russland: So sehr treffen sie Putin wirklich

Die Sportwelt setzt Zeichen und verhängt Strafen gegen Russland. Hier fordern Fans und Vereine im Frankfurter Stadion Wladimir Putin auf, den Krieg zu beenden.
Die Sportwelt setzt Zeichen und verhängt Strafen gegen Russland. Hier fordern Fans und Vereine im Frankfurter Stadion Wladimir Putin auf, den Krieg zu beenden.Bild: www.imago-images.de / Eibner-Pressefoto
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Sport-Sanktionen gegen Russland: So sehr treffen sie Putin wirklich

03.03.2022, 15:4203.03.2022, 19:17
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Seit vergangenen Donnerstag herrscht Krieg in der Ukraine. Russlands Machthaber Wladimir Putin startete einen Angriffskrieg und versetzt seitdem die Welt in Aufruhr. Vielerorts herrscht Unverständnis und Verblüffung darüber, dass das mitten in Europa tatsächlich noch möglich ist.

Als Reaktion auf die russische Invasion wurden viele Sanktionen ausgesprochen – auch in der Sportwelt. Schalke 04 verbannte erst das russische Staatsunternehmen "Gazprom" vom Trikot, beendete anschließend die umstrittene Partnerschaft vollständig. Verschiedene Verbände schlossen russische Teams von ihren Veranstaltungen aus, unter anderem der Weltfußballverband (Fifa), der Ski-Weltverband (Fis) oder der Eishockey-Weltverband (IIHF).

Welche Auswirkungen haben diese sportpolitischen Konsequenzen auf die russische Politik? Was macht es mit einer Gesellschaft, deren Sportler nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen? Und wie verändert sich dadurch das Bild und die Macht von Putin?

Gunter Gebauer kann auf diese Fragen Antworten geben. Er ist einer der bekanntesten deutschen Sportsoziologen und Philosophen und forschte an der FU Berlin unter anderen zu den Olympischen Spielen, zur Philosophie des Fußballs und Linguistik.

Gunter Gebauer ist Sportsoziologe und Professor an der Freien Universität Berlin. 2012 wurde er emeritiert.
Gunter Gebauer ist Sportsoziologe und Professor an der Freien Universität Berlin. 2012 wurde er emeritiert.Bild: imago sportfotodienst / Martin Hoffmann

Seiner Meinung nach sind die vielen sportpolitischen Entscheidungen und Symbole in den letzten Tagen wichtig: "Zum Glück haben die Fifa, die Uefa und das IOC Konsequenzen gezogen und die russischen Mannschaften und Athleten suspendiert. Das ist auf der Ebene der öffentlichen Aufmerksamkeit eine Sache, die man auf keinen Fall unterschätzen darf."

Durch den Sport hat Putin gerade in den letzten Jahren immer wieder seine Außenpolitik vorangetrieben. Freunde des Präsidenten erhielten internationale Spitzenpositionen, außerdem wurden Abhängigkeiten durch gut bezahlte Sponsorendeals geschaffen. Beispielsweise war Gazprom jahrelanger Geldgeber der Champions League und sollte auch während der Europameisterschaft 2024 in Deutschland groß für sich werben dürfen. Dazu kamen zahlreiche sportliche Top-Events nach Russland: Das Formel-1-Rennen in Sotschi, die Olympischen Spiele 2014 oder die Fußball-Weltmeisterschaft 2018.

Sportlicher Gewinn wichtiges Symbol für die russische Politik

Russland habe es "geschafft, mit sehr viel Geld, mit sehr viel Korruption, mit Einfluss in den Sportverbänden immer wieder sich in Szene zu setzen", sagte die Grünen-Politikerin Viola von Cramon dazu zuletzt dem Deutschlandfunk.

Nicht nur die sportlichen Wettbewerbe tragen zu dem Versuch bei, das Image zu verbessern. Auch die sportlichen Erfolge durch Athleten, Athletinnen oder Vereine haben eine Wirkung.

"Der politische Gewinn, der durch sportliche Erfolge von herausragenden Athleten und Athletinnen entsteht, ist auf symbolpolitischer Ebene ein ganz bedeutender Gewinn. Materiell nicht, aber Politik besteht zu großen Teilen auch aus symbolpolitischen Elementen", erklärt Gebauer gegenüber watson.

Nicht nur nach außen auf die Politiker und Gesellschaften anderer Ländern wirke die russische Sportpolitik. Auch die eigene Gesellschaft beeinflusse Putin: "Erfolge machen Eindruck auf die Bürger. Sie zeigen, dass ein Land auch auf sportlicher Ebene mithalten kann, dass die Weltgemeinschaft den Staat respektiert und fördert den inneren Zusammenhalt."

Die Zeit der sportlichen internationalen Erfolge ist jetzt für Putin allerdings vorbei. Die Fußballverbände haben russische Teams ausgeschlossen, genauso wie das IOC und die Veranstalter der Paralympischen Spiele. Viele weitere Sportarten haben sich dem angeschlossen. Vereinzelt kritisieren auch russische Sportler bereits den Angriffskrieg Putins.

Konsequenzen für russische Sportler möglich

Fedor Smolov ist russischer Fußballnationalspieler, steht bei Dinamo Moskau unter Vertrag und veröffentlichte am Tag nach Kriegsbeginn auf Instagram eine kurze, aber eindeutige Botschaft: "Nein zum Krieg." Auch seine Landsfrau und Tennisspielerin Anastasia Pavlyuchenkova kritisiert die Invasion in die Ukraine. Auf Twitter schrieb sie: "Ich spiele Tennis seit meiner Kindheit und repräsentiere seither Russland. Aber ich bin ganz klar gegen Krieg und Gewalt. Persönliche Ambitionen oder politische Motive rechtfertigen niemals Gewaltanwendung!"

Diese einzelnen Statements russischer Sportler können laut Gebauer den russischen Machthaber zwar nicht entmachten oder stürzen, "aber sie könnten unter der russischen Bevölkerung einen gewissen Widerstand anzeigen und dadurch zum Nachdenken anregen." Der 78-jährige Gebauer setzt aber voraus, dass diese Aussagen auch bei der Bevölkerung Russlands ankommen müssen. Er befürchte, dass die Aussagen "von den Staatsmedien vertuscht werden."

"Es geht darum, die Repräsentanten eines Landes zu bestrafen, das auf gröblichste Weise das Völkerrecht verletzt hat."
Sportsoziologe Gunter Gebauer über die Sanktionen gegenüber russischen Sportlern und Sportlerinnen

Dennoch sei es von den Sportlern und Sportlerinnen, die sich kritisch äußern, eine "sehr mutige Geste. Wir wissen nicht, wie ihnen die Aussagen bekommen, da wir nicht wissen, was in der Zukunft auf solche Sportler und Sportlerinnen zukommt."

Bei den Sanktionen gegenüber russischen Vereinen, Verbänden und Sportlern zeigt sich seit Kriegsbeginn ein neues Ausmaß. Aufgrund des Dopingskandals rund um das Staatsdoping in Russland während der Winterspiele 2014 in Sotschi durften russische Sportler bei darauffolgenden Olympischen Spielen nicht unter der russischen Flagge auflaufen. Der offizielle Teamname lautete "ROC" als Abkürzung für "Russian Olympic Committee". Aber: Sie durften teilnehmen und dabei sein. Das hat sich nun geändert.

Gebauer erklärt: "Gegenüber einzelnen Sportlern sind solche Konsequenzen immer unfair. Ein Krieg ist aber gegenüber einer ganzen Bevölkerung unfair. Es geht nicht darum, einzelne Sportler, Vereine oder Verbände zu bestrafen, weil man sie nicht mag. Sondern es geht darum, die Repräsentanten eines Landes zu bestrafen, das auf gröblichste Weise das Völkerrecht verletzt hat."

Dauer des Ausschlusses noch unklar

Wie lange der Ausschluss von russischen Sportlern, Sportlerinnen und Vereinen aufrechterhalten wird, wurde von den Verbänden bislang noch nicht mitgeteilt. Geht es nach Gebauer, ist dies auch schwer zu prognostizieren. "Wir wissen nicht, wie sich der Krieg weiterentwickelt und selbst, wenn es zu einem erzwungenen Frieden oder einem Waffenstillstand kommt, heißt es nicht, dass dort Ruhe einkehren wird."

Je nach Ausgang des Kriegs könnte die Lage in der Ukraine weiter instabil sein und immer wieder neue Gewalttaten hervorbringen.

Auf ukrainischer Seite gibt es einige Sportler, die eine ganz andere Rolle im Krieg einnehmen. Sie gehen als Soldaten an die Front und wollen ihr Land verteidigen. Beispielsweise Yuri Vernydub. Er ist eigentlich Trainer beim ehemaligen Champions-League-Klub FC Sheriff Tiraspol.

Dazu kommen auch die Boxer Oleksandr Usyk und Vasyl Lomachenko oder Biathletin Julia Dschima, die ihr Land mit der Waffe verteidigen will.

"Für die Ukrainer ist es jetzt die Zeit eines gewaltigen Nationalismus. Aus ihrer Sicht ist das verständlich, weil sie sich gegen die russische Übermacht verteidigen müssen", ordnet Gebauer ein. Er schätzt aber auch, dass es in Deutschland Probleme gibt, "diesen Nationalismus nachzuempfinden". Aufgrund der eigenen Vergangenheit seien die deutschen Staatsbürger "von einem heroischen deutschen Nationalismus größtenteils geheilt."

Drei ukrainische Sportler bei Kämpfen gestorben

Dennoch verwundere Gebauer nicht der aufkommende Nationalismus. Es sei eine typische Situation, in der dieses Phänomen aufblühen würde und Menschen "heroische Taten vollbringen wollen."

Zu den heroischen Taten gehört aber auch die andere Seite der Medaille: das Scheitern. Im Krieg ist damit meistens der Tod verbunden. Mittlerweile hat es auch schon Sportler getroffen.

So vermeldete die Spielerorganisation "FIFPro", dass Vitalii Sapylo bei Kämpfen in der Nähe von Kiew gestorben sei. Er spielte für den ukrainischen Drittligisten Kaparty Lviv. Außerdem sei Dmytro Martynenko von Zweitligist FC Gostomel bei einem Bombenangriff gemeinsam mit seiner Mutter ums Leben gekommen. Hinzu kommt der Tod des Biathleten Yevhen Malyshev, ein 19-jähriger Athlet, der seine Karriere noch vor sich hatte.

(mit Material von dpa)

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