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FC Bayern: Zweite Saison für Nagelsmann als Gradmesser – "Zum Erfolg verdammt"

Julian Nagelsmann geht in seine zweite Saison als Cheftrainer des FC Bayern.
Julian Nagelsmann geht in seine zweite Saison als Cheftrainer des FC Bayern.Bild: IMAGO / MIS / IMAGO / MIS
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"Sind zum Erfolg verdammt": Zweite Bayern-Saison als Gradmesser für Julian Nagelsmann

05.08.2022, 07:49
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Tausche absoluten Top-Stürmer gegen herausragenden Offensiv-Allrounder. So könnte die Sommerpause von Bayern München zumindest zu einem gewissen Teil zusammengefasst werden.

Nach acht Jahren verließ Robert Lewandowski den deutschen Rekordmeister und wechselte zum FC Barcelona. Den Torgaranten (344 Tore in 375 Bayern-Spielen) der letzten Jahre ersetzt dafür der langjährige Liverpool-Angreifer Sadio Mané.

Team als Ganzes muss Lewandowski ersetzen

Damit stellt sich bereits die erste Frage vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison für den Rekordmeister. Können die Münchner trotzdem ähnlich viele Tore schießen und die Aufgaben im Sturm auf mehrere Schultern verteilen?

Bayern-Trainer Julian Nagelsmann ordnete den Abgang des Polen zwiegespalten ein: "Es ist eine große Herausforderung, ihn zu ersetzen. Es ist aber auch eine große Chance. Wir haben die Möglichkeit, einen FC Bayern zu bauen ohne einen Stürmer, der verlässlich 40 Tore schießt." Dieser neue FC Bayern spielt auch in einem neuen System.

In der Vorbereitung war es schon zu erahnen, im Supercup gegen Leipzig (5:3) setzte Nagelsmann dann auch im ersten Pflichtspiel der Saison auf das 4-2-2-2-System. Vier variable Angreifer sollen die Gegner schwindelig spielen und durch ihre Positionswechsel verwirren. Dazu sichern zwei zentrale Mittelfeldspieler ab.

Vor dem Auftakt gegen Frankfurt war Nagelsmann voller Euphorie wegen der absolvierten Vorbereitung: "Der Supercup war wichtig und interessant zu sehen, wie weit wir sind." Außerdem fügte er an, dass er in der Vorbereitung auch die Herangehensweise an Spiele etwas geändert habe. Man wolle sich "mehr an uns selbst orientieren." Heißt vermutlich: Weniger Anpassungen an den Gegner und mehr versuchen, den eigenen Spielstil dem Gegenüber aufzuzwingen.

Gleichzeitig könnte es aufgrund der vier Positionen in der Offensive und den Neuzugängen im Angriff zu Konfliktpotenzial kommen. Mit Top-Talent Mathy Tel, Eric Maxim Choupo-Moting, Joshua Zirkzee, Thomas Müller, Kingsley Coman, Serge Gnabry, Leroy Sané, Sadio Mané und Jamal Musiala haben die Bayern neun Spieler für diese Positionen.

Innerhalb des Teams könnte das zu Unstimmigkeiten führen, aber auch der mediale Rummel ist nicht zu unterschätzen. Beispiel hier: Der Bankplatz von Sané im Supercup, der sofort in der Öffentlichkeit thematisiert wurde – auch das könnte zu Unruhe und ungewollter Ablenkung führen.

FC Bayern: Abwehr als weitere Baustelle

Neben dem großen Fragezeichen in der Offensive müssen die Münchner aber gerade in dieser Saison auch an der Abwehr arbeiten. In den letzten vier Jahren kassierten die Bayern immer mehr als 30 Gegentore, 2020/21 waren es sogar 44. Wenn sie nun aufgrund des Lewandowski-Abgangs weniger eigene Tore schießen, ist eine gute Defensive umso wichtiger. In der letzten Saison unter Pep Guardiola 2015/16 brachten es die Münchner sogar fertig, nur 17 Tore zu fangen. Davon waren sie in den vergangenen Spielzeiten weit entfernt.

Damit ähnliche Zahlen wieder erreicht werden, hat Sportdirektor Hasan Salihamidžić für 67 Millionen Euro den 22-jährigen Top-Innenverteidiger Matthijs de Ligt verpflichtet. "Matthijs passt mit seiner Professionalität, seiner Gier und mit seinem wunderbaren Charakter zu unserer Mannschaft wie zu unseren Ambitionen. Er wird beim FC Bayern eine wichtige Rolle auf dem Platz und neben dem Platz einnehmen."

Die Vorstellung ist klar: Gemeinsam mit Münchens Rekordeinkauf Lucas Hernández soll der Niederländer wieder eine starke Abwehr formen. Dayot Upamecano, der in seiner Debütsaison im vergangenen Jahr nicht vollends überzeugte, könnte dadurch allerdings als dritter Innenverteidiger in der kommenden Spielzeit weniger Einsätze bekommen.

Neben den großen Transfers von de Ligt und Sadio Mané in der Abwehr und im Sturm, hat Salihamidžić noch weitere interessante Spieler verpflichtet. So soll der erst 17-jährige Stürmer Mathys Tel (kam aus Rennes) als Angreifer für die Zukunft aufgebaut werden.

Ryan Gravenberch (für 18,5 Millionen Euro aus Amsterdam) könnte im Zentrum Joshua Kimmich, Marcel Sabitzer und dem immer wieder verletzten Leon Goretzka Konkurrenz machen. Sollten allerdings Kimmich und Goretzka fit sein, wird es wohl schwierig für ihn. Zusätzlich hat Noussair Mazraoui (ablösefrei von Amsterdam) die Aufgabe, auf der rechten Abwehrseite Benjamin Pavard Druck zu machen.

"Wir erwarten von ihm, dass er junge Spieler heranführt und entwickelt. Wir sind beim FC Bayern zum Erfolg verdammt, das weiß er auch."
Bayern-Vorstand Oliver Kahn über die Anforderungen an Trainer Julian Nagelsmann

Kahn verdeutlicht Erwartungen an Julian Nagelsmann

Vor der Saison sind aber nicht nur die Erwartungen an die Neuzugänge groß, sondern auch an Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Für insgesamt fünf Jahre unterschrieb er in München. Seine erste Saison verlief dabei holprig. In der Bundesliga holte er zwar die Meisterschaft, war am Ende aber für die punktetechnisch schlechteste Saison seit zehn Jahren verantwortlich.

Dazu kommen das jeweils desaströse Ausscheiden in der 2. Pokal-Runde gegen Gladbach (0:5) und im Champions-League-Viertelfinale gegen Villarreal (1:2). Das brachte Bayern-Boss Oliver Kahn auch zu einer klaren Äußerung dem "Kicker" gegenüber: "Wir haben Julian Nagelsmann auch wegen seiner Spielphilosophie verpflichtet. Wir erwarten von ihm, dass er junge Spieler heranführt und entwickelt. Wir sind beim FC Bayern zum Erfolg verdammt, das weiß er auch."

Auf der Pressekonferenz vor dem Saisonstart ordnete Nagelsmann selbst zum hohen Druck bei den Bayern ein: "Es ist normal, dass wir versuchen, immer nach dem Höchsten zu streben. Im Umkehrschluss sitze ich dann nicht da und zittere. Wir sind ja nicht mit dem Mittelmaß zufrieden, wir wollen wieder Meister werden. Den Druck mache ich mir selbst."

Gleichzeitig enthüllte der "Kicker" auch, dass einige Spieler die Auftritte des Trainers mit Skateboard und Harley Davidson als nicht seriös bewerten würden. Dazu komme die neue Beziehung, die der 35-Jährige zu einer "Bild"-Reporterin habe und die vertrauliche Gespräche zwischen Nagelsmann und seinen Spielern nicht einfacher machen würden.

Bei den Bossen steht Nagelsmann nicht in der Diskussion. Gemeinsam wollen sie eine erfolgreiche Zeit in München prägen. Erst am Mittwoch stellte Salihamidžić in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" klar: "Julian ist ein Glücksfall für den FC Bayern, und er wird lernen, welche Triggerpunkte man bei Spielern, Journalisten oder beim Vorstand finden muss. Er ist ein offener Typ, mit dem ich super zusammenarbeite."

Damit das auch noch lange der Fall bleiben wird, sollte Nagelsmann in seiner zweiten Saison vermutlich erfolgreicher sein und die Ansprüche des Rekordmeisters noch mehr erfüllen – und die messen sich in München hauptsächlich an Pokalen.

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