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Bayern München: Reserve rauscht durch die 3. Liga – Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung

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Derbysieger! Die zweite Mannschaft des FC Bayern München spielt in der 3. Liga, steht ganz oben in der Tabelle und feierte am Mittwoch einen 2:1-Sieg im Stadtderby gegen 1860 München.Bild: www.imago-images.de / Markus Fischer / passion2press
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Bayerns Reserve rauscht durch die 3. Liga – Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung

29.06.2020, 10:55
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Wer schon mal eine Fußballmanager-Simulation auf dem Computer gespielt hat, weiß, wie nützlich und effektiv eine zweite Mannschaft sein kann. Vor allem, wenn man mit einem finanzstarken Klub wie Bayern München spielt.

Im Reserveteam kann man wunderbar eigene Jugendspieler hochzüchten und dazugekaufte Talente parken, um sie dann irgendwann in die erste Mannschaft zu befördern oder gewinnbringend zu verkaufen.

Wenn man dann noch ein, zwei erfahrene Führungsspieler dazuholt ("Du wirst für die zweite Mannschaft verpflichtet", FM-Zocker wissen Bescheid, d. Autor) und einen halbwegs guten Trainer, ist so ein Fußballmanager-Reserveteam ein Selbstläufer. Ein weiterer Bonus einer solchen Mannschaft: Auch Spieler, die lange verletzt waren, können nach ihrer Reha in der "Zwoten" gegen relativ schwache Gegner wieder zu alter Form zurückfinden. Insgesamt kann man sich dadurch einen eminenten Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Und das Beste daran: Im Computerspiel beschwert sich die KI-Konkurrenz nicht mal, dass so etwas in irgendeiner Weise unfair sein oder den Wettbewerb verzerren könnte. Die Intelligenz der Gegner ist eben nur künstlich. Ein Gerechtigkeitsempfinden ist nicht programmiert.

Reservemannschaften wie Bayern II in der 3. Liga: Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung

Im "Real Life" ist das natürlich alles ein wenig komplizierter. Es gibt den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung durch zweite Mannschaften im normalen Spielbetrieb, und er ist nicht neu. Aktuell gewinnt er in der 3. Liga wieder viel Brisanz.

Der Grund: Die "Bayern Amateure", wie sie teils immer noch liebevoll genannt werden, obwohl das Team ganz im Gegenteil amateurhaft aufgestellt und als Drittligist offiziell Teil des Profifußballs ist.

David Alaba (FCB) (2.v.li.) Niklas S�le (FCB) Alfonso Davies (Bayern M�nchen, FCB, 9) Maxime Awoudja (Bayern M�nchen, FCB, 17) feiern den Aufstieg in die Dritte Liga, Freude, freundlich, fr�hlich, str ...
Schon damals nah dran an den Profis: Im vergangenen Sommer feierte Bayern II den Aufstieg in die 3. Liga mit Bundesliga-Stars wie Goretzka, Alaba und Süle (v.l.n.r.). Alphonso Davies (2.v.r.) spielte damals noch für die Reserve, jetzt ist er Stammspieler in der Bundesliga.Bild: imago-images / bSven Leifer

Denn die kleinen Bayern, auch so werden sie manchmal liebevoll genannt, tun es den großen Bayern gerade gleich, sie dominieren die Liga. Die FCB-Reserve ist drei Spieltage vor Saisonende Spitzenreiter der 3. Liga, seit neun Spielen unbesiegt. Vielleicht feiert man an der Säbener Straße bald sogar ein Meisterschaftsdouble aus Bundesliga- und Drittliga-Titel.

Bayern II, zu Beginn der Spielzeit noch im Tabellenmittelfeld, hat nach der Corona-Pause eine irre Entwicklung hingelegt – und das alles abgekoppelt von Abstiegssorgen oder Aufstiegsambitionen. Denn in die 2. Bundesliga aufsteigen dürfen zweite Mannschaften laut DFB-Statuten ohnehin nicht. Und eine Rückkehr in die Viertklassigkeit wäre für die Bayern vermutlich nicht so dramatisch wie für andere Teams.

Paragraf 55 der Spielordnung besagt: "Das Recht zum Aufstieg in die 2. Bundesliga entfällt für den Verein, der bereits mit einer Mannschaft am Spielbetrieb der Lizenzligen des kommenden Spieljahres teilnimmt."

Für alle anderen Vereine aber heißt das Motto: nichts wie raus aus dieser Liga – und zwar nach oben! Es ist nicht nur der sportliche Ehrgeiz, der alle treibt, sondern vor allem die finanzielle Sorge. Die 3. Liga hat den Ruf einer Pleiteliga, jeder Verein müsse "jeden Tag ums Überleben kämpfen", wie Manfred Schwabl, der Präsident des aktuellen Tabellenzehnten SV Unterhaching, es einmal ausdrückte.

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Im Juli 2018 war das erste Heimspiel des 1. FC Kaiserslautern in der 3. Liga gegen 1860 München mit 41.324 Zuschauern gut besucht.Bild: imago sportfotodienst / MIS

Auf den ersten Blick wirkt die Liga wie ein echtes Erfolgsmodell: Die Zuschauerzahlen steigen, Stand Januar dieses Jahres, kontinuierlich. Alle Spiele laufen live im TV, die Partien sind auf dem Bezahlsender Magenta Sport zu sehen, manche auf den dritten Programmen der ARD. Zur prominenten Besetzung der Liga gehören einstige Europapokal-Teilnehmer und Bundesliga- beziehungsweise DDR-Oberliga-Meister.

Zum Beispiel Eintracht Braunschweig, der 1. FC Kaiserslautern und der 1. FC Magdeburg. Oder auch Bayerns Lokalrivale TSV 1860 München: Gründungsmitglied der Bundesliga und Deutscher Meister von 1966, Uefa-Pokal-Teilnehmer 1996 und 2000. Einer von vielen schlafenden Riesen in der Liga.

Münchener Derby in der 3. Liga: Bayern II lässt 1860 auf dem Weg zu den Aufstiegsplätzen stolpern

Am Mittwochabend kam es zum Münchener Derby. 1860 gegen die kleinen Bayern. Die "Löwen" hätten mit einem Sieg bis auf zwei Punkte an den Relegationsplatz drei herankommen können, wären damit wieder mittendrin im Aufstiegsrennen gewesen. Doch die Bayern drehten einen 0:1-Rückstand noch in einen 2:1-Sieg um. 1860 hat nun acht Punkte Rückstand auf den dritten Platz beziehungsweise fünf auf den vierten – der, wenn Bayern II Erster bliebe, zum Relegationsrang werden würde. Aufsteigen dürfen sie ja nicht, am Ende zählte also der Zweite als Erster, der Dritte als Zweiter und so weiter.

Beliebt macht sich Bayern II bei den anderen 19 Klubs der Spielklasse damit nicht, dass sie die Liga aufmischt, das Aufstiegsrennen verzerrt und den Abstiegskandidaten, die ums nackte Überleben kämpfen, die Punkte wegnimmt. Mannschaften wie Münster, Zwickau, Großaspach, die unten in der Tabelle stehen, haben zum Beispiel jeweils in der Rückrunde gegen Bayern II verloren, waren bloß eine Art Sparringspartner.

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Münchener Derby: Die Bayern-Talente rauschen durch die 3. Liga. Jamal Musiala (2.v.l.) und rechts neben ihm Nicolas Kühn.Bild: imago images/Passion2Press / Markus Fischer

Während die Bayern-Reserveteams in den vergangenen 25 Jahren meistens in der Viertklassigkeit dümpelten und irgendwie etwas vernachlässigt wirkten, ist der Kader mittlerweile wie der wahr gewordene Traum eines jeden Fußballmanager-Gamers: Das Team von Trainer Sebastian Hoeneß, Sohn von Dieter und Neffe von Uli Hoeneß, ist gespickt mit jungen Talenten aus dem eigenen Campus, die sich für die erste Mannschaft beweisen sollen: Chris Richards, Joshua Zirkzee, Jamal Musiala oder Oliver Batista Meier.

Hinzu kommen erfahrene Säulen wie Maximilian Welzmüller und Nicolas Feldhahn, die aus der Region stammen und ihre Karriere bei Bayern II ausklingen lassen. Auch externe Talente wie Fiete Arp vom Hamburger SV und Mickael Cuisance, zuvor Mönchengladbach, oder Sarpreet Singh, der aus Neuseeland nach München wechselte, spielen meist in der 3. Liga. Der von Ajax Amsterdam ausgeliehene Nicolas Kühn ist ebenfalls ein Externer.

Die Bayern-Talente: Aus der 3. Liga in die Bundesliga

Solche Spieler können sich selbst die meisten Zweitligisten nicht leisten. Die anderen Vereine der 3. Liga müssen derweil jeden Pfennig umdrehen, bei Transfers kreativ sein. Bezeichnend: Der Gesamtmarktwert von Bayern II beträgt laut "Transfermarkt" 24,5 Millionen Euro, der Rest der Liga liegt zwischen 4,25 (Großaspach) und 7,73 Millionen (1. FCK) Kaderwert. Die Bayern-Reserve könnte im Zweifelsfall sogar auch noch auf den ein oder anderen Profi zurückgreifen.

Der FC Bayern II ist aktuell die einzige zweite Mannschaft eines Bundesligisten, die in der 3. Liga spielt. In den Regionalligen darunter unterhalten der FC Augsburg (Bayern), der VfL Wolfsburg und Werder Bremen (Nord), Hertha BSC (Nordost), die TSG Hoffenheim, der FSV Mainz und der SC Freiburg (Südwest) sowie der 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund, Fortuna Düsseldorf und der FC Schalke (West) Zweitvertretungen.

Daran gibt es seit Jahren grundsätzliche Kritik: Ein Bundesliga-Reserveteam habe in der 3. Liga nichts zu suchen, da es anderen den Platz wegnehme. Vor knapp vier Jahren kämpfte beispielsweise Werder Bremen II in der 3. Liga gegen den Abstieg und setzte dabei auch in Fallou Diagne und Sambou Yatabaré zwei Profis ein, die zusammen vier Millionen Euro Ablöse kosteten. Das schmeckte der Konkurrenz damals nicht so sehr. Verständlich.

v.li.: Sambou Yatabare (SV Werder Bremen II, 34) im Zweikampf mit Daniel H�gele (Haegele, SG Sonnenhof-Gro�aspach, 22), Fussball, 3. Liga, SV Werder Bremen II - SG Sonnenhof-Gro�aspach, xobx

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Wiesenhof gegen Sonnenhof: Werders Profi-Leihgabe Sambou Yatabaré in einem Drittliga-Spiel gegen die SG Sonnenhof Großaspach.Bild: imago sportfotodienst / foto2press

Die Reserveteams in einer eigenen Liga gegeneinander antreten zu lassen, wie es sich in England bewährt hat, dagegen wehren sich die Profiklubs allerdings seit Jahren. Eine Reserveliga klingt zwar vernünftig, doch gibt es auch Zweifel an der Vergleichbarkeit und daran, die Leistungen der jeweiligen Mannschaften dann gegenüber dem übrigen Ligensystem einordnen zu können.

Spieler auf dem Sprung zur ersten Mannschaft profitieren von den Reserveteams in der 3. Liga

Es gibt auch weitere Argumente, die dafür sprechen, dass Reservemannschaften von Bundesligisten durchaus ihre Daseinsberechtigung im Profifußball haben. Spieler auf dem Sprung zur ersten Mannschaft profitieren davon ungemein. Sie bekommen dadurch eine gute Einstiegsmöglichkeit in den Herrenbereich. In der harten Schule der 3. Liga können die Talente auf relativ hohem Niveau Spielpraxis sammeln und sich beweisen.

Soccer Football - Bundesliga - Bayern Munich v Borussia Moenchengladbach - Allianz Arena, Munich, Germany - June 13, 2020 Bayern Munich's Joshua Zirkzee celebrates scoring their first goal, as pl ...
Joshua Zirkzee, 19-jähriges Sturmtalent aus den Niederlanden.Bild: reuters / POOL

Viele Talente sind dadurch zu Stammspielern in der Bundesliga geworden, zum Beispiel damals Mario Gomez (Stuttgart II), Aaron Hunt (Werder II) oder David Alaba (Bayern II). Bayern-Talent Joshua Zirkzee ist aktuell einer, der immerhin auch schon den Sprung dahin geschafft hat, dass er mittlerweile regelmäßig bei Hansi Flick in der ersten Mannschaft zum Einsatz kommt.

Die Argumente für und gegen Reservemannschaften in der 3. Liga ergeben jeweils Sinn. Eine ernstzunehmende Lösung im ewigen Streit um die Reserveteams ist nicht in Sicht. Es ist alles nicht so einfach. Aber das echte Leben ist nun mal kein Fußballmanager-Spiel.

(as)

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