
Enttäuschte Blicke: Für die zweite Saisonhälfte soll sich das bei Borussia Dortmund ändern.Bild: imago/ team 2
Bundesliga
Für Borussia Dortmund war die erste Saisonhälfte in der Bundesliga enttäuschend. Nach 15 Spieltagen gingen die Schwarz-Gelben auf dem sechsten Tabellenplatz in die eingeschobene WM-Pause. Mit 25 Zählern hat der BVB ganze neun Punkte weniger als zum selben Zeitpunkt in der vergangenen Saison. Das Minimalziel Champions-League-Qualifikation wäre derzeit nicht erreicht. Im Vergleich zur Hinrunde muss sich in Dortmund also einiges ändern – es gibt allerdings auch Grund zur Hoffnung.
Haller-Comeback liefert mehr Offensiv-Optionen
Es war ein Moment, der vereinsübergreifend allen Fußballfans ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. 176 Tage nach der Hodenkrebs-Diagnose wurde Sébastien Haller beim 5:1-Testspiel-Sieg gegen Fortuna Düsseldorf in der 74. Minute eingewechselt. Im darauffolgenden Test gegen den FC Basel erzielte er prompt einen Hattrick. Man darf sich im Ruhrgebiet also begründete Hoffnung auf einen Einsatz im Auftaktspiel gegen Augsburg am 22. Januar machen.

Beim Trainingslager in Marbella debütierte Haller für den BVB.Bild: dpa / David Inderlied
Für die Dortmunder wäre das enorm wichtig. Endlich könnte das Team mit der Wunschlösung auflaufen, die man sich vor der Saison erarbeitet hat. Nach Hallers Ausfall verpflichtete man Anthony Modeste vom 1. FC Köln, der in Dortmund nur metaphorisch, beim Effzeh wortwörtlich in der Luft hing. Das Kölner System war stark auf Flanken ausgelegt, für Terzić Kurzpassspiel schien er bisher technisch schlicht überfordert zu sein. Die Chancenverwertung ließ zudem zu wünschen übrig.
In der Folge kam der 18-jährige Youssoufa Moukoko zu mehr Spielzeit und überzeugte mit seinen Auftritten. Der Konkurrenzkampf mit Haller soll beide anspornen und in der Offensive für mehr Variation sorgen. In Dortmund betet man nun für ein "Hallerlujah".
Verletzungsrückkehrer sollen Konkurrenzkampf beflügeln
Dortmund ist eine Mannschaft, die überdurchschnittlich viel Verletzungspech hat. Das ist nichts Neues. Zwar hatten sich die Westfalen zu Saisonbeginn im Fitness-Bereich personell verstärkt, doch auch in dieser Saison fielen über weite Strecken viele Spieler aus.
In der vergangenen Saison sind BVB-Spieler statistisch am längsten ausgefallen, in der aktuellen Spielzeit belegt man den zweiten Platz hinter dem FC Augsburg.

Wegen Sprunggelenksproblemen fiel Marco Reus in der laufenden Saison bereits länger aus. Bild: imago/ Ulrich Wagner
Stand jetzt – und das ist die aus Dortmunder Sicht gute Nachricht – sind jedoch bis auf Thomas Meunier alle Spieler fit. Das bedeutet nicht nur, dass der BVB in Stammbesetzung auflaufen kann, sondern auch, dass der Konkurrenzkampf im Training dazu führt, dass sich wirklich alle beweisen müssen. Streckenweise wurden bestimmte Spieler gesetzt, weil es schlicht keine Alternative gab. Das kann – zumindest unterbewusst – dazu führen, dass man nicht immer 100 Prozent gibt. Das bemerkte auch Jude Bellingham unlängst gegenüber dem "Kicker":
"Es entsteht ein Wettbewerb um die Plätze, was im Training aus jedem das Beste herausholt. Und wenn die Trainingsintensität besser wird, spielen wir am Wochenende besser."
Die leidige Mentalitätsfrage des BVB
Es ist der Evergreen im Problem-Bingo des BVB. Die Frage nach der Mentalität. Dabei meint Mentalität in diesem Fall nicht den reflexhaften, anachronistischen Ruf nach "Typen" à la Mario Basler. Es meint die simple Einstellung, wie man in einen Zweikampf geht, einen Konter unterbindet oder Laufwege in der Offensive anbietet.
Das Offensivspiel, aber vor allem das defensive Auftreten, war in einigen Spielen von einer nicht erklärbaren Lustlosigkeit durchzogen.
Dazu kamen eine Reihe an individuellen Fehlern sowie eine Schwäche bei Standards. Beides mittlerweile über Jahre hinweg Wesensmerkmale des BVB. "Wir müssen jetzt die Köpfe hochkrempeln – und die Ärmel auch", sagte einst der deutsche Populärphilosoph Lukas Podolski – und trifft das Dortmunder Problem damit auf den Punkt.
Dass sie es auch anders können, zeigten die Mannschaft Anfang Oktober beim 2:2 gegen den FC Bayern, als sie einen 0:2-Rückstand aufholte.
Bellingham und die Balance im Mittelfeld
Er war in der Hinrunde die Lebensversicherung von Borussia Dortmund: Jude Bellingham. Kein Spieler in der Liga hat in der Hinrunde mehr Minuten gespielt als er – nämlich alle.

Bellingham ist der Schlüsselspieler beim BVB. Bild: www.imago-images.de / RHR-Foto
Er ist sowohl offensiv als auch defensiv unverzichtbar für den BVB. Allerdings geht seine Flexibilität auch häufig auf die Kosten der Balance im Mittelfeld. Seine Ausflüge in die Offensive beflügeln die Chancen-Erarbeitung des BVB, reißen allerdings nicht selten große Lücken im Mittelfeld. Das liegt nicht zuletzt an dem Partner, der dem 19-Jährigen zur Seite gestellt wird.
Im englischen Nationalteam spielte Bellingham bei der WM im Dreier-Mittelfeld mit Declan Rice und Jordan Henderson – gleich zwei etatmäßige Sechser. Durch ihre defensive Absicherung hatte er die Freiheiten, sich beliebig in die Offensive einzuschalten. Beim BVB ist die Ausrichtung allerdings eine andere.

Jude Bellingham spielte für die Three Lions eine starke WM.Bild: imago/ Uk Sports Pics Ltd
Zu Beginn der Saison spielte Mo Dahoud neben dem Jungstar, der jedoch wie der Engländer selbst ebenfalls eher Typ Achter ist. Verletzungsbedingt musste Emre Can einspringen, der beim BVB extrem fehleranfällig ist. Lediglich Neuzugang Salih Özcan erwies sich als aussichtsreiche Option für das defensive Mittelfeld.
Die Tatsache, dass der 19-jährige Engländer mit 245 gewonnen Zweikämpfen die Statistik in der Liga anführt, mag darüber hinwegtäuschen, dass sich Bellingham tendenziell lieber weiter vorne aufhält. Edin Terzić muss also die taktischen Anweisungen nachschärfen, um bei Ballverlust nicht kopflos ausgekontert zu werden.
Im Trainingslager in Marbella schien das in Ansätzen bereits zu fruchten. Der BVB experimentierte dort mit einer 4-1-4-1-Formation, um mit einem stärkeren Gegenpressing höher zu verteidigen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen stimmen.
Vertrauen in den Kader zurückgewinnen
Im Grunde hat der BVB das Potenzial und den Kader, immer noch mit dem europäischen Top-Niveau mithalten zu können. Begeisternde Auftritte in der Champions-League wie gegen Manchester City oder den FC Sevilla ließen andeuten, zur welcher Leistungsexplosion der BVB in der Lage sein kann.

Gregor Kobel ist Dortmunds Nummer Eins und gehört zu den besten Torhütern der Liga. Bild: imago/ kirchner-media
Mats Hummels erlebt im Spätherbst seiner Karriere einen zweiten Frühling, mit Gregor Kobel haben die Schwarz-Gelben laut dem Sportmagazin "Kicker" den notenbesten Torwart zwischen den Pfosten. Seitdem Julian Brandt seine Wunschposition auf der Zehn bekleiden kann, spielt er sich zu ungeahnten Höhen auf, Niklas Süle gibt einen grundsoliden Rechtsverteidiger ab, Salih Özcan hat sich als Neuzugang gut eingewöhnt. Auch der zuletzt viel gescholtene Nico Schlotterbeck hat immerhin die zweitbeste Zweikampfquote der Liga.
Anders als in der vergangenen Saison hapert es beim BVB in dieser Spielzeit vor allem in der Offensive. Donyell Malen und Karim Adeyemi konnten beim BVB bislang noch nicht Fuß fassen, lediglich in Ausnahmen blitzte ihr Potenzial durch. Mit ihrer Rolle als Außenstürmer sind die beiden noch nicht ganz warm geworden. Zur Rückrunde kommt es auch auf eine Leistungssteigerung bei ihnen an.

Donyell Malen (links) und Karim Adeyemi tun sich beim BVB noch schwer.Bild: imago/ revierfoto
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der BVB nicht so schlecht dasteht, wie häufig gemeint wird. Klar ist, der sechste Platz in der Bundesliga ist zu wenig. Mit gerade einmal zwei Punkten Abstand auf den vierten Tabellenplatz ist Dortmund allerdings in direkter Schlagweite auf einen Champions-League-Rang.
Apropos: In der Königsklasse haben sich die Dortmunder souverän das Weiterkommen gesichert und treffen im Achtelfinale auf einen FC Chelsea, der in England vor deutlich größeren Problemen steht. Im DFB-Pokal geht es im Achtelfinale Anfang Februar zum VfL Bochum. Für den BVB ist in dieser Saison also noch einiges möglich.
Hatte es um den Jahreswechsel herum noch leichte Hoffnungen im Fanlager des FC Schalke 04 gegeben, dass sich die Gelsenkirchener in dieser so engen 2. Bundesliga doch noch in das Aufstiegsrennen einschalten könnten, so dürften diese durch die jüngsten Auftritte endgültig begraben sein.