Thiago Alcantara (r.) wird den FC Bayern voraussichtlich verlassen.Bild: Norbert Schmidt / Norbert SCHMIDT
Bundesliga
Seit 2013 spielt Thiago Alcantara beim FC Bayern. Und wenn es nach Cheftrainer Hansi Flick geht, dann bleibt das auch so. Nach dem gewonnen Pokalfinale am Samstag kündigte er an, sich "mit allem, was ich habe" für einen Verbleib von Thiago einzusetzen. Er wisse aber, dass dies nicht ganz so einfach werde.
In der Tat soll sich Thiago mit Wechselgedanken beschäftigen. "Es sieht so aus, dass er zum Ende seiner Karriere noch einmal etwas Neues machen möchte", sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge kürzlich in der "Bild" über den 29-Jährigen.
Nun berichtet die spanische Zeitung "Sport", dass Thiago bereits einen neuen Verein gefunden habe. Er soll sich mit dem frischgebackenen englischen Meister FC Liverpool und dessen Trainer Jürgen Klopp bereits einig sein.
Zwar hält Klopp sich noch bedeckt. "Er ist ein wirklich guter Spieler, den ich sehr mag", sagte er am Sonntag auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Aston Villa. "Aber ich mag auch viele andere da draußen. Das ist alles, was ich über ihn zu sagen habe."
Eine offizielle Bestätigung steht also noch aus. Doch tatsächlich würde ein Wechsel von Thiago zu Liverpool sehr viel Sinn ergeben – sowohl für den Verein als auch für den Spieler.
Warum Liverpool Thiago braucht
Für seinen möglichen neuen Verein könnte Thiago Alcantara ein sehr wichtiger Neuzugang sein. Dass er ein außergewöhnlicher Spieler ist, darüber besteht ohnehin kein Zweifel. Er ist technisch versiert, sehr ballsicher und strahlt eine große Ruhe am Ball aus.
Tatsächlich hat Liverpool auf seiner Position, im zentralen Mittelfeld, den größten Bedarf. Denn auch wenn der Verein sich gerade zum ersten Mal nach 30 Jahren wieder die englische Meisterschaft sichern konnte und über den wahrscheinlich besten Sturm der Welt (Mané, Salah, Firminio) verfügt – hinter diesen drei Angreifern ist noch ein bisschen Luft nach oben.
Im Angriffsmodus
Das klingt erstmal komisch. Schließlich ist Liverpool auch im Mittelfeld nominell sehr gut bestückt. Wijnaldum, Fabinho, Henderson, Keita, Oxlade-Chamberlain, Milner – allesamt starke Spieler, im Falle von Wijnaldum sogar nach Meinung vieler Experten Weltklasse. Und dennoch: Thiago wäre exakt der Ausnahmespieler, der dem rasanten Angriffsspiel der Reds die entscheidenden PS verpassen könnte. Seine Ballsicherheit und seine starken Dribblings prädestinieren ihn geradezu für Klopps überfallartigen Angriffsfußball.
Natürlich könnte man auch argumentieren, dass ein Team wie Liverpool, das 2019 die Champions League und 2020 die Premier League gewonnen hat, keine Verbesserungen mehr benötigt. Doch das wäre kurzsichtig. Angesichts des immer höheren Niveaus im Weltfußball muss jeder Verein darauf bedacht sein, seine Mannschaft stetig besser zu machen. Und dafür wäre Thiago der richtige Spieler.
Mit seinen Tempodribblings und seiner schier unglaublichen Passsicherheit kann er die jetzt schon herausragende Offensive der Reds noch gefährlicher machen. Dank seiner Kreativität und Spielintelligenz eignet er sich zudem für eine Rolle, die bisher kein Spieler bei Liverpool auszufüllen vermag: Die des Spielmachers. Einen solchen hatte Liverpool zuletzt mit Philippe Coutinho, der den Verein 2018 Richtung Barcelona verließ und aktuell noch an den FC Bayern ausgeliehen ist.
Warum Thiago Liverpool braucht
Auch für Thiago würde ein Wechsel zu Liverpool zum richtigen Zeitpunkt kommen. Zum einen käme die forsche Spielweise den Qualitäten des Spaniers sicher entgegen. Bei Bayern spielte er unter Hansi Flick meistens auf der Doppelsechs, also im defensiven Mittelfeld. Seine Rolle bei den Reds wäre vermutlich deutlich offensiver. Zumal diese nicht mit zwei defensiven Sechsern spielen, sondern meistens in einer 4-3-3-Formation.
Hatte Ex-Bayern-Trainer Carlo Ancelotti Thiago Alcantara noch für seine Spielmacherqualitäten geschätzt und als Verbindung zwischen Defensive und Offensive gelobt, war seine Rolle unter Flick deutlich weniger verantwortungsvoll. Es entspricht aber durchaus dem Selbstverständnis Thiagos, genau diese Verantwortung zu übernehmen. Das mag bei seinem Wunsch nach einem Vereinswechsel auch ein wichtiger Grund gewesen sein.
Und nicht zuletzt würde Thiago bei Liverpool auf einen Trainer treffen, der sich in den vergangenen Jahren einen nachhaltigen Ruf in Sachen Spieler-Verbesserung gemacht hat. Denn dass Thiago bei Bayern zuletzt deutlich unter seinen Möglichkeiten blieb, ist kein Geheimnis. Mit einem einfühlsamen, fordernden, aber auch fördernden Coach wie Klopp könnte er womöglich seine gesamte Qualität so richtig abrufen.
Es spricht also einiges dafür, dass Thiago bald das rote Trikot der Bayern gegen das der Liverpooler tauscht – und der Kampf seines derzeitigen Trainers Hansi Flick um ihn vergeblich bleibt.
(om)
In seiner Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
Das Verhältnis zwischen Sport und Politik ist schwierig. Vor allem Fußballfunktionäre reklamieren immer dann, wenn es politisch kompliziert wird, eine naive Form der Autonomie für sich und ihren Sport. Frei nach dem Motto, der Fußball sei unpolitisch und zweckfrei, gelingt es auf diese Weise sich immer dann abzuducken, wenn man anecken oder gigantische Einnahme- und Profitquellen verprellen könnte.