Marco Reus sagte neulich über die jüngsten Leistungen von Borussia Dortmund: "Wir spielen oft erst dann gut, wenn wir schon nichts mehr zu verlieren haben". Damit meinte der BVB-Star, dass die Mannschaft zuletzt immer befreiter aufspielte, wenn sie schon mit dem Rücken zur Wand steht. Das zeigten unter anderem die späten Aufholjagden beim 3:2 gegen Inter Mailand in der Champions League und dem 3:3 gegen den SC Paderborn in der Bundesliga.
Das Königsklassen-Gruppenspiel auswärts gegen den FC Barcelona, einem der größten Klubs der Welt, hätte eigentlich auch so ein Spiel werden können. Im Camp Nou hätte die Borussia nach den jüngsten Pleiten nichts zu verlieren gehabt, die Flucht nach vorne suchen können.
Doch nach der herben 3:1-Niederlage gegen Barca muss sich der BVB jetzt eingestehen, dass nicht mal mehr die Ausweglosigkeit Flügel zu verleihen scheint. Die Spieler wirkten gegen den spanischen Topklub verunsichert, ängstlich, überfordert. Wie das oft zitierte Kaninchen vor der Schlange.
Wie man eine solche Verunsicherung, die ohnehin schon in der eigenen Mannschaft grassiert, vor dem Anpfiff nochmal befeuern kann, das zeigte Trainer Lucien Favre unglücklicherweise am Mikrofon von Sky.
Angesprochen auf die Gründe, warum er Jadon Sancho, einen seiner besten Spieler, nicht in der Startelf aufstellte, sagte der Schweizer: "Wir brauchen auf dem Platz Spieler, die fokussiert und bereit sind." Die nächste deutliche, öffentliche Kritik am Engländer, den Favre bereits beim 0:4 in München nach nur 36 Minuten ausgewechselt hatte, die Höchststrafe für einen Spieler.
Bei den Fans kam die Favre-Aussage über Sancho vorm Barca-Spiel gar nicht gut an. Einige BVB-Anhänger konnten nicht fassen, dass der Trainer seinen Spieler öffentlich derart anzählt. Zum Beispiel dieser Fan hier:
Dass Favre statt Sancho auf der offensiven Außenbahn dann Nico Schulz, eigentlich Linksverteidger, aufbot, konnten die BVB-Fans erst recht nicht verstehen. Auch auf Rechtsaußen begann statt Thorgan Hazard mit Achraf Hakimi ein gelernter Außenverteidiger.
Die Aufstellung des Dortmunder Trainers wurde, wie auch zuvor dessen Sancho-Aussage, in den Sozialen Netzwerken heiß diskutiert:
Zur Halbzeit, Barcelona führte bereits mit 2:0, korrigierte Lucien Favre seine Aufstellung dann. Er brachte Jadon Sancho für den offensiv heillos überforderten Nico Schulz. Auch diese Maßnahme stieß dann auf Unverständnis.
Seinen Frust über die Nichtberücksichtigung in der Startelf bewältigte der eingewechselte Sancho dann im zweiten Durchgang: Beim Anschlusstreffer zum 1:3 knallte er den Ball, nach Vorlage von Julian Brandt, mit Wut in den Winkel (77. Minute). Dazu war er in Halbzeit zwei an allen gefährlichen BVB-Aktionen beteiligt. Zu mehr reichte es für Dortmund nicht mehr. Favre musste sich am Ende vorwerfen lassen, Sancho zu spät eingewechselt zu haben.
Auch BVB-Abwehrchef Mats Hummels wurde nach Abpfiff darauf angesprochen, ob es mit Sancho von Beginn vielleicht anders gelaufen wäre. Hummels' diplomatische Antwort am Sky-Mikro: "Das Thema möchte ich nicht öffentlich kommentieren. Er hat eine gute Reaktion gezeigt mit seinem Tor."
Nach der Niederlage gegen Barcelona steht Borussia Dortmund nun noch mehr mit dem Rücken zur Wand als zuvor. Jetzt droht sogar, dass man das Achtelfinale in der Champions League verpasst.
Mal sehen, ob die Mannschaft am Wochenende gegen Hertha BSC in der Bundesliga wieder befreiter aufspielen wird... Die Fans werden immer ungeduldiger und so langsam hat der BVB ganz schön viel zu verlieren: Einen Ruf, einen Trainer, die Saisonziele.
(as)