Gerade war noch Champions League, jetzt steht schon die neue Saison in den Startlöchern. Am 18. September geht's in der Bundesliga los, dieses Wochenende im DFB-Pokal.
Der besondere Reiz dieses Wettbewerbs ist, dass im K.o.-Modus auch die kleinen Teams auf ihren eigenen Plätzen immer für Überraschungen gegen die großen Profiklubs sorgen können. Schon so mancher Bundesligist wurde in der Vergangenheit von unterklassigen Teams weggefegt.
Das hat viele Gründe: Die oft unterschätzten Außenseiter haben stets Heimrecht, und sie sind meist schon im Spielbetrieb, während die Millionäre aus der Bundesliga gerade erst aus dem Urlaub gekommen sind. Hinzu kommen Reise-Strapazen für die Profiklubs, die dann unter tückischen Umständen auf Bezirkssportanlagen mit unluxuriösen Kabinen oder holprigen Rasenplätzen (oder beidem) antreten müssen. Das Blamage-Risiko ist hoch in der ersten Pokalrunde: Zuletzt war 2009 kein Erstligist zum Auftakt gescheitert.
Für etliche Amateurfußballer geht an diesem Wochenende mit Spielen gegen die großen Bundesligisten ein Traum in Erfüllung. Doch die Vorfreude ist getrübt. In diesem Jahr ist es nicht so, wie es Tausende Fans und Fußballer gewohnt sind. Es ist wohl nur mit wenigen Sensationen zu rechnen.
Denn in dieser Saison wird es so sein, dass viele Profi-Vereine in ihren nahezu leeren Multifunktions-Arenen Feierabend-Fußballer zu Pflichtspielen empfangen. Und so steht ab Freitag in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals das sicher verrückteste Pokal-Wochenende der Geschichte bevor – es wird womöglich auch das traurigste, Pokalwunder scheinen ausgeschlossen.
Durch die Corona-Pandemie müssen fast alle Amateurvereine auf ihre Heimspiele verzichten. Elf Viert- und Fünftligisten, die für den DFB-Pokal qualifiziert sind, haben die erstmalige Chance auf Tausch des Heimrechts genutzt, weil sie die Hygiene-Vorschriften nicht erfüllen konnten oder finanzielle Verluste befürchteten.
Mannschaften wie FSV Union Fürstenwalde (beim VfL Wolfsburg), VSG Altglienicke (beim 1. FC Köln) oder FV Engers (beim VfL Bochum) begeben sich nun auf große Erlebnis-Reise, um in großen Stadien vor fast leeren Rängen zu spielen. Teilweise fassen die Arenen das mehrfache der Einwohnerzahl der Dorf- und Stadtteilklubs.
In jedem Fall fehle der ersten Runde "natürlich ein Teil des besonderen Reizes", sagte DFB-Vizepräsident Peter Frymuth. Eine "eigenartige" Situation sei das Ganze, sagte auch Kölns Trainer Markus Gisdol, dessen Verein den Berliner Viertligisten Altglienicke vor 300 Zuschauern empfängt.
Für die kleinen Klubs rechnet sich die Ausrichtung eines Pokalspiels ohne Zuschauer kaum, zumal die Umsetzung des vorgeschriebenen Hygienekonzepts weitere Kosten mit sich bringt. Mindestens 30.000 bis 35.000 Euro, rechnete Stefan Cohrs, Abteilungsleiter des Fünftligisten MTV Eintracht Celle, vor. Die Reise zum FC Augsburg, wo Celle antreten wird, kostet den Klub inklusive Übernachtungen nur rund 6000 Euro.
Die Zahlen der zugelassenen Zuschauer variieren derweil extrem. Insgesamt werden es rund 35.000 Zuschauer, weniger als beispielsweise ins Stadion des 1. FC Köln alleine reinpassen. Bei neun der 31 Spiele des Wochenendes sind gar keine Besucher zugelassen, bei 16 weiteren maximal 500. In Mainz dürfen 1000 Zuschauer in die Arena, im Osten der Republik dagegen deutlich mehr: 2500 in Jena, 4632 in Chemnitz, 5000 in Magdeburg, 7500 in Rostock und sogar bis zu 10.000 in Dresden beim Spiel gegen den Hamburger SV.
Auch die Verteilung der Tickets bei kleinen Beständen ist höchst unterschiedlich. Der FC Schalke 04 gibt seine 300 Karten für das Spiel gegen den FC Schweinfurt 05 an Mitarbeiter aus Gelsenkirchener Krankenhäuser und Seniorenheime aus. Köln verlost seine unter allen Dauerkarten-Inhabern, die seit März auf Rückzahlungen des Ticket-Werts verzichtet haben. Drittligist Duisburg lädt gegen Dortmund 20 Personen ein, die von der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen sind. Bayer Leverkusen teilt die Karten unter Fans, Behinderten und deren Begleitern, Familien und Freunden der Lizenzspieler, Mitarbeitern und Partnern des Vereins auf.
Die Underdogs verzichten auf den größten Vorteil, der Pokalmärchen eigentlich erst möglich macht. Und das ausgerechnet wenige Monate, nachdem mit dem 1. FC Saarbrücken der erste Viertligist das Halbfinale erreichte, – dann aber wegen Corona im leeren Heimstadion sang- und klanglos gegen Bayer Leverkusen ausschied.
Schleswig-Holsteins Pokalsieger SV Todesfelde investiert derweil in ein unvergessliches Erlebnis. Das Spiel gegen den Zweitligisten VfL Osnabrück absolviert der Fünftligist aus dem 1000-Einwohner-Dorf daheim. Man wolle "das größte Spiel der Vereinsgeschichte im Wohnzimmer bestreiten", sagte Teammanager Timo Gothmann. So wie es sein sollte.
Andererseits wäre ein tatsächliches Scheitern eines Profiteams gegen Amateure im eigenen Stadion am Ende eine umso größere Blamage, an die wir uns noch in Jahren erinnern würden.
(as/mit Material von dpa)