Die Erwartungen an England hätten kaum größer sein können. Das Team von Gareth Southgate hat einen Marktwert von knapp 1,5 Milliarden Euro, was ZDF-Experte Christoph Kramer im Laufe der Europameisterschaft nicht müde wurde zu erwähnen. Insbesondere auf Jude Bellingham ruhten die Hoffnungen einer ganzen Nation.
Der 21-Jährige ist erst im vergangenen Sommer von Borussia Dortmund zu Real Madrid, dem wohl größten Verein der Welt, gewechselt und übertraf in seiner Debütsaison die ohnehin schon hohen Erwartungen. Wettbewerbsübergreifend kam er in 42 Partien auf 36 Torbeteiligungen.
Bei der Europameisterschaft konnte Bellingham allerdings nicht an seine starke Form anknüpfen. Zum Finale gegen Spanien bemerkte Taktikexperte Tobias Escher auf X, Bellingham bleibe bei diesem Turnier "weit unter seinen Möglichkeiten". Er versuche "viel zu häufig das Besondere, was aber exakt einmal im gesamten Turnierverlauf funktioniert hat".
Auch Bellingham selbst haderte nach dem Finale mit seiner Leistung und der Darbietung der Mannschaft. "Wir sind immer noch eine junge Mannschaft", meinte der Madrilene, "aber ab einem bestimmten Punkt müssen wir auch liefern". Die Szene von Bellingham, wie er nach dem Abpfiff mit voller Wucht gegen eine blaue Wasserflaschen-Box tritt, ging viral.
Wie nun aber herausgekommen ist, war das nicht der einzige Moment im Finale, in dem der zentrale Mittelfeldspieler die Nerven verloren hat. Und laut ESPN-Reporter Mark Odgen hatte das mit Harry Kane zu tun.
Der Bayern-Stürmer wirkte über das ganze Turnier hinweg überspielt und hatte sichtlich mit seiner Form zu kämpfen. Gareth Southgate hielt dennoch an seinem Kapitän fest, brachte dann aber, knapp 30 Minuten vor Schluss, Ollie Watkins ins Spiel, der England bereits im Halbfinale gegen die Niederlande den Sieg beschert hatte.
Wie Odgen berichtet, soll sich Bellingham darüber aufgeregt haben, dass Southgate Kane nicht schon früher vom Platz genommen hat. Das habe kurz vor der Auswechslung von Kane zu einem Wortwechsel zwischen dem 21-Jährigen und Southgate geführt.
"Jude Bellingham war frustriert", sagt Odgen, "ich weiß nicht, ob das auf der Kamera zu sehen war. Kurz bevor Kane vom Platz genommen wurde, verlor Bellingham wegen Gareth Southgate am Spielfeldrand die Fassung, als wolle er sagen: 'Ändere etwas, tu etwas'". Darauf wurde Kane tatsächlich ausgewechselt.
Nachdem der Kapitän vom Feld gegangen war, kam England zu mehr Torchancen. In der 70. Minute kam Cole Palmer ins Spiel, der zum zwischenzeitlichen 1:1 traf. Der Treffer von Mikel Oyarzabal in der 86. Minute beendete schließlich die englischen Titelträume.
Nach dem zweiten verpatzten EM-Finale infolge entschied sich Southgate dazu, am Dienstag seinen Rücktritt als Nationaltrainer des englischen Teams zu verkünden. Wer in seine Fußstapfen tritt, steht allerdings noch nicht fest.