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Olympia 2022: Eishockey-Kapitän Moritz Müller kritisiert Olympia-Vergabe

Moritz Müller bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang.
Moritz Müller ist einer von zehn Spielern, die auch schon 2018 beim Silbergewinn in Pyeongchang dabei waren.Bild: imago sportfotodienst / Schreyer
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Eishockey-Kapitän Müller kritisiert Olympia-Vergabe: "Immer wieder Sportstätten bauen, die danach zwecklos sind?"

10.02.2022, 15:1811.02.2022, 08:32
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Moritz Müller weiß, wie es sich anfühlt, mit der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft eine Olympische Medaille zu gewinnen. Mit der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang feierten er und das deutsche Team den größten Erfolg einer deutschen Eishockey-Mannschaft bei den Winterspielen.

Nun ist Müller einer von zehn Spielern, die schon 2018 dabei waren und auch aktuell in Peking dabei sind. Er führt die Mannschaft als Kapitän in die Vorrundenspiele gegen Kanada, China und die USA und würde am liebsten die Silbermedaille wiederholen – oder noch übertreffen.

Im Interview mit watson spricht Müller über die Diskussion eines Boykotts, den Vergabeprozess der Olympischen Spiele und wie er sich vor dem Abflug vor einer Corona-Infektion schützte.

Watson: Herr Müller, wie groß war die Vorfreude auf die Olympischen Spiele in den letzten Wochen vor dem Start?

Moritz Müller: Sehr groß, denn es wird viel darüber gesprochen, was im Umfeld passiert. Aber runtergebrochen ist es das größte Sportevent der Welt.

Wie sehen Sie die Begleitumstände wie die Menschenrechtslage oder auch den Fakt, dass es vor 14 Jahren in Peking noch Sommerspiele gab?

Zunächst finde ich es schade, dass es wegen der Corona-Pandemie nur den Menschen aus China erlaubt ist, die Wettkämpfe vor Ort zu sehen. Die Debatte um die Menschenrechte und besonders die Diskussionen um einen Boykott finde ich zu großen Teilen sehr heuchlerisch.

Warum?

Weil der Sport wieder politisiert wird und das ausbaden soll, was die Politik in den Jahren vorher verpasst hat. Das halte ich für falsch. Es kommt Kritik von Menschen, die nicht auf ihr Handy oder ihre Sneaker, die "Made in China" sind, verzichten können. Ich würde mir wünschen, dass die Olympischen Spiele wieder als das gesehen werden, was sie eigentlich sind.

Nämlich?

Als sportlicher Wettkampf und als eine völkerverbindende Veranstaltung. In der Antike wurden dafür Kriege ausgesetzt. Durch den Sport habe ich Menschen auf der ganzen Welt und sogar 2018 einen nordkoreanischen Athleten kennengelernt und mich mit ihm unterhalten. Es wäre nie ohne die Olympischen Spiele möglich geworden.

Haben Sie noch Kontakt zu dem Nordkoreaner?

Nein, aber es war eine spannende Geschichte, wofür ich etwas ausholen muss.

Nur zu, wir haben Zeit...

(lacht). Athleten bekommen von ihrem Nationalen Komitee vor den Spielen rund 200 Anstecker, die Olympia-Pins. Die soll man mit den Pins anderer Sportler aus anderen Ländern tauschen, um in Kontakt zu kommen. Als ich 2018 in der Mensa in Pyeongchang saß, habe ich den Mut genommen und bin zum Tisch der Nordkoreaner gegangen.

Die deutsche Delegation bei der Eröffnungsfeier in Peking. Auch Moritz Müller nahm bei der Eröffnungsfeier teil.
Die deutsche Delegation bei der Eröffnungsfeier in Peking. Auch Moritz Müller nahm daran teil.Bild: www.imago-images.de / Laci Perenyi

Was haben Sie genau gesagt?

Ich habe sie auf Englisch angesprochen. Aber ich glaube, sie haben mich gar nicht verstanden. Beim zweiten Mal hat dann ein Trainer auf Deutsch gesagt, dass sie keine Pins tauschen.

Wie haben Sie dennoch einen bekommen?

Am nächsten Tag kam er einfach zu mir und gab mir doch welche. Die nordkoreanischen Pins sind total begehrt. Am Ende sind wir alle Menschen und jeder soll unter würdigen Bedingungen leben, egal woran er glaubt und wie er aussieht. Ich glaube aber nicht, dass ein Boykott der Olympischen Spiele dafür sorgt, dass es irgendjemandem danach in China besser geht.

Oft herrscht die Meinung, dass ein Boykott nicht auf dem Rücken der Athleten und Athletinnen ausgetragen werden soll. Die Politik geriet allerdings vor den Spielen unter Druck, gerade auch durch den diplomatischen Boykott der USA und Großbritannien. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Als Athlet trainierst du dein Leben lang auf die Spiele hin und du hast keinen Einfluss, wo sie stattfinden. Was die Politiker machen, ist mir ehrlicherweise egal. Ich bin weder da, um Hände zu schütteln noch in politischer Mission. Mir geht es um sportlichen Wettkampf. Aber auch diese politische Diskussion finde ich heuchlerisch.

Weshalb?

Man muss doch die Frage stellen, ob die Politiker nie nach China reisen werden oder nur jetzt nicht? Ich denke, die Frage werden wir uns selbst beantworten können. Wird die Außenministerin Annalena Baerbock in den nächsten vier Jahren nach China reisen? Ich gehe stark davon aus.

Um solche Diskussionen im Keim zu ersticken, müsste das IOC doch am Vergabeprozess etwas ändern und beispielsweise die Menschenrechtssituation mit einbeziehen, oder?

Mein Ansatz wäre eher, dass man den wirtschaftlichen Charakter aus den Olympischen Spielen rausnimmt. Mittlerweile ist es ein finanzielles Mammutprojekt. München hat sich 2015 gegen eine Bewerbung ausgesprochen. Ich bin mir sicher, dass die Menschen eigentlich sportliche Wettkämpfe wollen, aber sie vor dem ganzen Drumherum Angst haben.

Wie könnte das konkret aussehen?

Müssen immer wieder neue Sportstätten gebaut werden, die danach zwecklos sind? Oder können wir uns nicht einfach auf einen sportlichen Wettbewerb konzentrieren und ein völkerverbindendes Fest feiern? Das fände ich besser, da wir weltweit genug tolle Sportstätten haben.

Moritz Müller (l.) mit Deutschlands Torhüter Mathias Niederberger bei der WM 2019.
Moritz Müller (l.) mit Deutschlands Torhüter Mathias Niederberger bei der WM 2019.Bild: www.imago-images.de / bLaci Perenyi

Ein anderes Thema ist die Corona-Situation. In Deutschland gilt man ab einem PCR-Ergebnis mit einem CT-Wert von 30 als negativ, in China wurde das nun immerhin von 40 auf 35 geändert. Man zählt dennoch länger als positiv. Wie haben Sie sich vor dem Abflug vor einer Corona-Infektion geschützt?

Corona ist ein Thema, das uns alle seit zwei Jahren begleitet und allgegenwertig ist. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin langsam ein bisschen coronamüde. Ich würde mir wünschen, dass es einen einheitlichen Umgang gibt und wir aufeinander zugehen.

Wie meinen Sie das?

Ich glaube, dass sich die Fronten zwischen Maßnahmenskeptikern und -fanatikern verhärtet haben. Die Gesellschaft muss sich da wieder einpendeln und aufeinander zugehen.

Haben Sie sich in den letzten Tagen und Wochen vor dem Abflug besonders geschützt, um sich nicht noch zu infizieren?

So gut es geht. Aber egal, was du machst: Du kannst es nicht ausschließen, weil du es am Ende überall bekommen kannst. Ich habe in den letzten Wochen die Kinder aus dem Kindergarten gelassen, habe meine persönlichen Kontakte geduziert und meine Frau hat das auch für mich gemacht. Ich habe bei Presseterminen noch penibler auf die Maskenpflicht und eine engmaschige Testung bestanden. Am Ende kann man dann nur Daumen drücken.

Gerade mit der Omikron-Variante haben die Ansteckungszahlen aber nochmal rasant zugenommen.

Am Ende liegen die letzten zehn bis 20 Prozent leider nicht in meinen Händen. Da heißt es dann nur noch hoffen.

Wenn wir zum Sportlichen kommen. Wie gehen Sie nach der Silbermedaille 2018 das Turnier an?

Die Erwartungen sind hoch, aber vor allem auch an uns selbst. Wir haben uns in eine Position gebracht, in der jeder Sportler sein möchte. Als wir 2018 losgefahren sind, hat uns niemand nach einer Medaille gefragt, weil es vermessen gewesen wäre.

Das hat sich jetzt aber geändert…

Und das ist schön. Trotzdem ist es wieder eine neue Reise. Es geht wieder von vorne los und es ist alles drin.

Die NHL-Profis dürfen zum zweiten Mal hintereinander nicht dabei sein. Wie sehr stört Sie das?

Ich hätte mir gewünscht, dass alle NHL-Profis dabei sind. Einfach, damit der Sport und die Spiele eine noch höhere Strahlkraft haben. Gleichzeitig ist es auch mein Anspruch, zu den Besten zu gehören und gegen die Besten der Welt zu spielen.

Wie blicken Sie insgesamt auf das Teilnahmeverbot der NHL-Profis?

Es tut mir erstmal für die Spieler leid. Ich bin der Meinung, eine Liga darf es den Spielern nicht verbieten, zu Olympia reisen zu dürfen. Auch da treten wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund, weil die Vereine das Gehalt der Spieler zahlen und nicht wollen, dass sich die Profis verletzen. Aber selbst gegen die besten Spieler der Welt müssten wir uns nicht verstecken.

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