Über Monate hinweg hat sich die frühere Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nicht zu Wort gemeldet. Umso mehr wurde dafür über sie geredet.
Nach dem Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft bei der WM hatte der Deutsche Fußball-Bund Anfang September bekannt gegeben, Voss-Tecklenburg sei erkrankt. Später wurde Kritik laut, weil sie in der Zwischenzeit zwei Vorträge hielt – ohne dass bekannt war, wie ihre Rolle in der Nationalmannschaft in Zukunft aussehen soll.
In einem ZDF-Interview hat sich die 55-Jährige erstmals zu den vergangenen Monaten geäußert hat. Darin sprach sie ausführlich über ihre Erkrankung und Fehler, die sie gemacht habe. Nach dem WM-Aus berichtete sie von Druck auf der Brust, Panikattacken und Schlaflosigkeit. "Ich bin dann quasi komplett zusammengebrochen", sagte Voss-Tecklenburg.
Der DFB oder aktuelle Nationalspielerinnen haben bisher noch nicht auf die Aussagen der Ex-Bundestrainerin reagiert. Auch für Ex-Nationalspielerin und Dazn-Expertin Turid Knaak ist die Situation ein "schweres Thema".
Im Gespräch mit watson fasst sie zusammen: "Am Ende ist es für alle Seiten ungünstig gelaufen. Keine Partei hat da ein gutes Bild abgegeben. Das ist schade, weil man sich viel kaputtgemacht hat, was man mit der Frauen-Nationalmannschaft in den letzten Jahren aufgebaut hat." Verständnis äußerte sie hingegen für die Spielerinnen.
Denn nachdem nicht klar war, wann Voss-Tecklenburg zurückkehren würde, äußerten Führungsspielerinnen wie Lena Oberdorf und Alexandra Popp ihre Unzufriedenheit über die ungeklärte Trainersituation und die mangelnde Aufarbeitung des WM-Debakels.
"Du willst als Spielerin immer wissen, wie es weitergeht, welche Person der Mannschaft in Zukunft die Philosophie vorgibt", sagt Knaak. Gleichzeitig bezeichnet sie das Ende von Voss-Tecklenburg als "schade", weil sie mit der Mannschaft viel erreicht habe.
Doch nach dem EM-Finale 2022 scheiterte Voss-Tecklenburg am Ende auch an den zu hohen Erwartungen. Schon im Vorfeld der WM wurde rund um das Team immer nur vom Titelgewinn gesprochen. Dabei erklärte die Bundestrainerin im ZDF-Interview, dass sie sich schon vor dem Turnier nicht gut gefühlt hätte.
Voss-Tecklenburg, die während ihrer Krankheit mit Vorträgen für Aufsehen gesorgt hatte, bezeichnete die Kommunikation mit dem Verband während ihrer Krankheit als "kompliziert". Sie bezeichnet ihren Auftritt beim Zahnärztetag im Nachhinein als Fehler, und verteilte gleichzeitig aber ein paar kleine Seitenhiebe.
Beim DFB sei sie von Menschen enttäuscht, von denen sie das Gefühl hat, sie würden ihr etwas unterstellen. Etwas unklar wird sie auch in Richtung des Teams, von dem sie hofft, künftig mehr im Miteinander zu agieren und "Kommunikation in dem Moment zu führen, wo es wichtig ist".
Nun betreut zunächst Horst Hrubesch das Team als Interimstrainer und soll sie zu den Olympischen Spielen im kommenden Jahr nach Paris führen. Voss-Tecklenburg sei "mit dem Herzen bei der Mannschaft" und hoffe, "dass alle Beteiligten aus den Dingen, die wir nicht gut gemacht haben, auch schleunigst ihre Lehren ziehen."
Nach dem blamablen WM-Vorrunden-Aus gab es zahlreiche Gerüchte aus dem Team, dass Voss-Tecklenburg Spielerinnen ignoriert hätte und stur gewesen sei.
Demnächst soll es laut Voss-Tecklenburg zudem ein "privates" Gespräch mit DFB-Chef Bernd Neuendorf geben. Sie wolle die Chance haben, ihm ein paar Dinge zu sagen, "wie es mir ging und was mich auch berührt und betroffen gemacht hat und vielleicht auch ein Stück weit enttäuscht und irritiert hat".
Für ihren offenen Umgang mit ihren mentalen Problemen wird Voss-Tecklenburg aber auch gelobt.
Das Nachrichtenportal "t-online" hob die Wichtigkeit vor, mit so intimen Einblicken in das Seelenleben an die Öffentlichkeit zu gehen: "Eine solche Transparenz ist im Leistungssport und insbesondere im Fußball selten – und deswegen umso wertvoller."
Auch die "FAZ" berichtete wohlwollend über den erste öffentlichen Auftritt von Voss-Tecklenburg. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit, die alle Beteiligten in ungeahnte Höhen und Tiefen führte, dürfte damit trotzdem noch nicht gefallen sein, mutmaßte die "FAZ".
Auch die "SZ" hob die Offenheit der früheren Bundestrainerin lobend hervor. In dem Interview habe sie "bisweilen erstaunlich offen über ihre gesundheitlichen Probleme" geredet.