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DFB bremst EM-Euphorie selbst: Adidas-Drama überschattet Testspiele

ARCHIV - 22.09.2023, Hessen, Frankfurt/Main: Fu
Die DFB-Verantwortlichen konnten bisher nicht die große EM-Vorfreude auslösen.Bild: dpa / Jörg Halisch
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DFB-Team: Mehr Gesprächsthemen als Siege – so verhindert der DFB die EM-Euphorie

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In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
22.03.2024, 15:33

Der Countdown läuft. Nur noch 84 Tage bis zum Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft 2024. Der DFB und die Euro GmbH trommeln seit Wochen gewaltig, doch EM-Stimmung will noch nicht aufkommen. Die Vorfreude auf das Turnier hält sich in Grenzen und im Grunde ist darüber auch niemand wirklich überrascht.

Nach dem blamablen Aus in Katar und der peinlichen Amazon-Doku "All or nothing", die das sportliche Desaster sehr gut erklären konnte, ist es den DFB-Bossen bislang nicht gelungen, eine Aufbruchstimmung für den DFB und die Nationalmannschaft zu entfachen.

Fanforscher Harald Lange.
watson-Kolumnist Harald LangeBild: Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Das liegt sicherlich auch daran, dass das Rezept für den erhofften Rückenwind viel zu plump gedacht war. Die Stimmung und EM-Vorfreude sollte über die Leistungen und Ergebnisse der Nationalmannschaft kommen. Die verbliebenen Fans des Teams und die vielen Eventzuschauer warteten bislang vergebens.

Der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte wenig Zeit und musste zuletzt gegen die Türkei und gegen Österreich ganz bittere Niederlagen einstecken. Am Samstag geht es um 21 Uhr in Lyon gegen Frankreich (ZDF) und am darauffolgenden Dienstag um 20.45 in Frankfurt gegen die Niederlande.

Der DFB hat zahlreiche Themen abseits des Platzes

Zwei wirklich großartige Gegner, die sich unmittelbar vor Turnierbeginn sicherlich keine Blöße geben werden. Spieler und Trainer haben also erneut Testspiele mit durchaus ernstzunehmendem Charakter vor der Brust.

Für den Fall, dass es erneut schiefgeht, wurde vorgesorgt. Denn noch niemals zuvor existierten im Vorfeld eines internationalen Turniers so viele verschiedene Ablenkungsthemen wir bei dieser EM.

Wer auch immer die Ereignisse und Entscheidungen des DFB auf den letzten 100 Tagen zum Eröffnungsspiel am 14. Juni 2024 in München gegen die bärenstarken Schotten ausgedacht, festgelegt und kommuniziert hat, macht seinen Job als Entertainer ausgesprochen gut.

Die neuen Trikots provozieren eine Debatte über Ästhetik, Design, vermeintliche gesellschaftspolitische Botschaften und gebrochene Traditionen unter Fans und Zuschauern. Die Stimmung war kalkuliert, denn Adidas lanciert die erwartete Empörung in Teilen des Fußballvolks mit einer originellen und mutigen Werbekampagne.

Die hat sich zumindest schon bezahlt gemacht, denn der Verkauf der überteuerten Trikots (150 Euro) läuft ausgezeichnet! Der Hype um das Jersey könnte im Falle schwacher Spiele der Mannschaft und dem DFB auf die Füße fallen. Ähnlich wie die Debatten um die One-Love-Armbinde vor der letzten WM.

DFB-Team: Julian Nagelsmann macht es wie Vorgänger Hansi Flick

Trotz des Marketing-Erfolgs wird der DFB nach über 70 Jahren den Ausrüster wechseln und ab 2027 mit Nike zusammenarbeiten. Viel Geld für den DFB und ein gigantischer Coup für das Nike-Management, das damit ein symbolträchtiges Zeichen gegen Adidas setzt. Für traditionsbewusste Fans ist auch diese Entscheidung gewöhnungsbedürftig.

Doch nun zum Spiel und zur Mannschaft. Wir haben uns inzwischen an den Experimentiermodus in der Nationalmannschaft gewöhnt. Nagelsmann macht genau da weiter, wo Hansi Flick aufgehört hatte. Neben den sechs Neulingen, die er für die beiden Testspiele nominierte, holte er mit Toni Kroos erneut auch einen bereits zurückgetretenen Weltmeister von 2014 zurück ins Team.

Dafür bleibt der für die USA-Reise zurückgekehrte Mats Hummels dieses Mal zu Hause in Dortmund. Und Manuel Neuer bekam 15 Monate nach seinem letzten Länderspiel zuerst die Zusage auf den Stammplatz im Team, um danach verletzungsbedingt wieder nach Hause abreisen zu müssen.

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Was auch immer in den beiden anstehenden Spielen passieren wird, eine eingespielte Grundformation oder eine etablierte Achse hat das Nationalteam aufgrund der andauernden Experimente mit Spielern, neuen Positionen und Grundformationen bislang nicht. Dafür einen mutigen Trainer, der weiterhin auf den Lucky Punch und eine Mannschaft wartet, die sich spätestens nach dem Niederlande-Spiel von selbst finden möge.

In diese offene Gesamtlage passt das Buhlen des Trainers um einen Anschlussvertrag beim DFB. Mit Blick auf die vielen Baustellen und vor allem im Wissen um die miserable Erfolgsbilanz (ein Sieg, zwei Niederlagen, ein Unentschieden) ist auch dieser Schritt mutig. Mehr nicht.

Am späten Dienstagabend werden wir schlauer sein und im Falle denkbarer Niederlagen jede Menge Gesprächsstoff haben: War das pinke Trikot Schuld? Kann Toni Kroos wirklich an die Leistungen früherer Tage anknüpfen? Bringen die vielen Neuen im Team mehr als nur Unruhe mit?

Die Liste der Themen und Fragen ist jedenfalls breiter als jemals zuvor und wird auch im Falle zweier souveräner Siege für ausreichend Gesprächsstoff sorgen. Ich freue mich darauf und drücke die Daumen für letzteres!

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