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FC Bayern: Wie die Münchner ihren moralischen Kompass immer mehr verlieren

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Noussair Mazaraoui (l.) sorgt mit seinen Äußerungen für ein weiteres Problem für Trainer Thomas Tuchel. Bild: imago images / Laci Perenyi
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Der FC Bayern und sein Problem mit dem moralischen Kompass

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In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
17.10.2023, 17:4517.10.2023, 17:49

Wenige Tage nach dem grausamen Terrorüberfall arabischer Hamas-Terroristen teilte Bayern-Star Noussair Mazraoui auf Instagram ein Video mit pro-palästinensischem Inhalt. Das Entsetzen in der Fangemeinde war ebenso groß wie in der Politik und Öffentlichkeit. Es werden Konsequenzen gefordert und der FC Bayern hat zumindest schon mal ein Gespräch mit dem Spieler angekündigt.

Der Druck ist wieder einmal riesengroß. Auch, weil der professionelle Fußball in weltpolitischen Themen und den daran gebundenen Haltungsfragen viel zu oft daneben liegt.

"In den zurückliegenden Monaten verdichten sich die Vorfälle, die Zweifel am moralischen Kompass des erfolgreichsten Vereins der Fußball-Bundesliga zulassen."

Der 25-jährige Bayern-Verteidiger ist in den Niederlanden geboren und lief als Nationalspieler bislang 26-mal für Marokko, das Heimatland seiner Eltern auf. Er hat über die Talentschmiede von Ajax Amsterdam im vergangenen Jahr den Weg zum FC Bayern München geschafft. Dort wurde er bereits 25-mal in der Bundesliga eingesetzt und konnte als Abwehrspieler bislang ein Tor erzielen. Der Spieler ist also im europäischen Fußballumfeld aufgewachsen und nach mehr als einem Jahr beim FC Bayern sollte man erwarten können, dass er wenigstens ein Gespür für die Grundwerte des Vereins entwickelt haben sollte.

Der Klub hat eine jüdische Vergangenheit, war in der Zeit des Nationalsozialismus Opfer von Repressionen und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vom jüdischen Fußballer und Ex-Präsidenten Kurt Landauer wieder aufgebaut. Auch deshalb betont der FC Bayern seine jüdischen Wurzeln und unterhält enge Kontakte zur jüdischen Gemeinde Oberbayerns.

Fanforscher Harald Lange.
Fanforscher Harald LangeBild: Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Mazraoui teilte am vergangenen Sonntag ein Video, auf dem eine wehende palästinensische Flagge zu sehen war. Hierzu säuselte eine Stimme den Text: "Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina, damit sie den Sieg erringen. Möge Gott den Toten Gnade schenken, möge Gott ihre Verwundeten heilen." Darüber hinaus verlinkte er diesen Post auch noch mit einer Seite, die für die Auslöschung Israels wirbt.

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"Alle Farben sind schön. In Toulouse, München und überall. Respektiere unsere Werte Mazraoui": die Bayern-Fans widmeten ihm bereits einen SpruchBild: imago images / MIS

FC Bayern leistet sich immer häufiger moralische Verfehlungen

Solche öffentlichen Bekundungen wirken in diesen Zeiten verstörend. Wir alle trauern um die Opfer des Hamas-Terrorismus und stehen den Menschen in Israel bei. Mit Blick in die Geschichte unseres Landes liegt es auf der Hand, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson sein muss. Folglich werden inzwischen drastische Konsequenzen für den Spieler gefordert. Aus den Reihen der CDU-Bundestagsfraktion meldete sich mit Johannes Steiniger sogar ein Politiker zu Wort, der rigoros die Ausweisung aus Deutschland forderte.

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Soweit wird es nicht kommen, auch weil die formalen Voraussetzungen für so einen Rausschmiss gar nicht erfüllt sind. Darauf wird sich wohl auch der FC Bayern beziehen, wenn er über die Zukunft des Spielers entscheiden muss. Gleichzeitig bleibt aber eine moralische Verantwortung für die Chefetage des Klubs bestehen.

Inzwischen hat der FC Bayern ein riesengroßes Glaubwürdigkeitsproblem. In den zurückliegenden Monaten verdichten sich die Vorfälle, die Zweifel am moralischen Kompass des erfolgreichsten Vereins der Fußball-Bundesliga zulassen.

Die Vereinsoberen hielten stur am Deal mit Qatar Airways fest, obwohl sich seitens der Fanszene massiver Protest abzeichnete. Inzwischen ist auch der breiten Öffentlichkeit bekannt, dass Qatar den Hamas-Terrorismus jahrelang finanzierte und auch in diesen Tagen unumwunden stützt. Aber auch der neue Sponsor "Visit Ruanda" steht im moralischen Zwielicht und löste Protest von Menschenrechtlern aus.

Moral schießt zwar keine Tore, aber Vereine, die in dieser Hinsicht nicht klar auf Kurs sind, geraten in den Verdacht, sportbezogene Werte mit Füßen zu treten. Der FC Bayern hat für seine Fans und Mitarbeiter vor wenigen Wochen ein werte bezogenes "Obacht"-Projekt aufgelegt.

Alle Mitglieder der sogenannten Bayern-Familie sollen aufeinander achten und gemeinsam für ein menschliches Miteinander einstehen. Nach dem Schweigen der Vereinsführung im Zusammenhang mit den unsäglichen Äußerungen von Karl-Heinz Rummenigge zum Fall des sexistisch übergriffigen spanischen Verbandspräsidenten Rubiales und den Debatten um die Wiederverpflichtung von Jérôme Boateng, muss sich der FC Bayern in der "Causa Mazraoui" erneut fragen lassen, ob der öffentlich herausgestellte Wertekompass tatsächlich auch für alle Mitglieder und Spieler des Vereins gilt.

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